| Interview der Woche

Carolin Schäfer: „Ich bin noch nicht am Limit“

Neue Bestleistung und Rang drei in einem Weltklasse-Feld: Siebenkämpferin Carolin Schäfer (TV Friedrichstein) hat am vergangenen Wochenende in Götzis mit 6.557 Punkten nachhaltig Ansprüche auf einen Startplatz bei den Olympischen Spielen angemeldet. Welchen Anteil daran ihr neuer Trainingspartner Pascal Behrenbruch hat, wie sie das Ergebnis von Götzis einordnet und wo noch Luft nach oben ist, hat sie anschließend im Interview verraten.
Silke Morrissey

Carolin Schäfer, am Sonntagmorgen haben Sie noch vor dem Frühstück die ersten Schritte des Tages im Regen absolviert. Wie war die Stimmung auf dem Weg zu Platz drei und zur Olympia-Norm?

Carolin Schäfer:

Ich war relativ entspannt, weil ich einen guten ersten Tag hingelegt hatte. Obwohl der zweite Tag mit dem Weitsprung startet, eigentlich meine schwächste Disziplin, war ich ziemlich ruhig. Ich habe gedacht: Komme, was wolle – sechs Meter kriege ich eigentlich immer aufs Bett.

Dann ist sogar eine neue Bestleistung dabei herausgesprungen…

Carolin Schäfer:

Ich habe mich schon beim Einspringen gut gefühlt und dann riesig über 6,31 Meter gefreut. Endlich die Bestleistung aus 2014 gesteigert! Auch wenn’s nur ein Zentimeter mehr war. Ich freue mich riesig, dass da endlich mal der Knoten geplatzt ist.

Nach Samstag sprachen Sie von einem „genialen“ ersten Tag. Wie war der zweite insgesamt?

Carolin Schäfer:

Die Bedingungen waren schwierig, wir hatten wechselnde Winde, dann kam beim Speerwurf noch der Regen dazu. Dass ich mich da noch mit 48,20 Metern aus der Affäre gezogen habe, war Gold wert. Über 800 Meter habe ich versucht, noch mal alles zu geben. 2:17 Minuten – okay, das kann ich besser, aber ich muss mir ja auch noch ein bisschen was aufheben für Rio.

Wären Sie in etwa im Rahmen Ihrer 800-Meter-Bestzeit gelaufen, wären sogar die 6.600 Punkte drin gewesen!

Carolin Schäfer:

Ich wusste, ich muss 2:14 laufen, um 6.600 zu machen. Ich wusste aber auch, dass ich körperlich schon ganz schön kaputt war, gerade durch den Regen und die Kälte… Das soll um Gottes Willen keine Ausrede sein. Es war nicht einfach, ich musste auch eine Weile alleine laufen, es haben einfach ein paar Körner gefehlt. Auf den letzten Metern habe ich noch mal versucht zu beißen, ich glaube, das hat man auch gesehen. Das war für mich das Wichtigste: Dass ich ins Ziel komme und mit mir im Reinen bin.

Sie hatten sich vorgenommen, sich im Siebenkampf ganz auf sich zu fokussieren, ohne Blick auf die Konkurrenz. Wie gut hat das geklappt?

Carolin Schäfer:

Für mich stand im Fokus, mich für die Olympischen Spiele qualifizieren, und ich denke, das habe ich. Ich habe eine gute Punktzahl angeboten. Das wird schwer zu toppen sein. Die Konkurrenzspielchen mit der Weltelite können wir uns für Rio aufheben.

Welche Rolle spielt es für Sie, dass Sie hier in einem so starken Feld Dritte geworden sind?

Carolin Schäfer:

Ganz nett (lacht). Damit habe ich vorher nicht gerechnet! Top Sechs war meine Traumvorstellung. Aber man muss dazu auch immer sagen, dass es noch der Anfang der Saison ist. Bis Rio ist es noch eine Weile hin. Man weiß nicht, aus welchem Trainingsstand die anderen Athletinnen ihren Wettkampf absolviert haben. Sicher sind sie noch nicht an ihrem Limit. Ich bin es auch nicht. Bis Rio werden die Karten neu gemischt.

Wo ist noch Luft nach oben?

Carolin Schäfer:

Ich habe hier sehr gute Leistungen angeboten, aber es war noch nicht das, was ich wirklich kann. Bei meinem zweiten, ungültigen Versuch im Kugelstoßen hat man gesehen, dass ich 15 Meter stoßen kann. Die 1,83 Meter im Hochsprung wären eigentlich liegengeblieben, da habe ich nur mit der Ferse gerissen. Und auch bei den 800 Metern kann ich noch mehr rausholen, wenn ich weiß, ich bin vorne mit dabei, es geht richtig um was. Demzufolge war es ein runder, guter Mehrkampf mit einer klasse Punktzahl – ich freue mich riesig darüber – aber ich weiß, dass noch was draufzulegen ist. Der Fahrplan ist auf Rio ausgerichtet. Mein Trainer findet da sicher einen guten Weg.

Ihr Trainer Jürgen Sammert hat Sie bis in die Weltspitze geführt. Wer zählt noch zu Ihrem Team?

Carolin Schäfer:

Jürgen Sammert ist die größte Stütze für mich, die nächste Bezugsperson. Wir haben da wirklich ein Vater-Tochter-Verhältnis, er macht mich schon seit Jahren für den Saison-Höhepunkt topfit. Im Hochsprung ist Günter Eisinger [Anm. d. Red: Trainer der Deutschen Rekordlerin Ariane Friedrich] dabei, im Kugelstoßen Eva Rapp [Nachwuchs-Bundestrainerin Siebenkampf]. Gerade Eva Rapp hat sehr gute Arbeit geleistet, im Kugelstoßen habe ich mich sehr verbessert. Im Hürdentraining hat auch schon mal Idriss Gonschinska [DLV-Cheftrainer, ehem. Hürden-Bundestrainer] drüber geschaut. Mir ist es immer wichtig, dass wir sie im Trainingslager mit einbinden. Aber Jürgen Sammert hat die Stränge in der Hand. Darüber hinaus stehen natürlich meine Familie und meine Freunde hinter mir. Und im Training unterstützt mich Pascal Behrenbruch...

… seit dem vergangenen Jahr Ihr neuer Trainingspartner.

Carolin Schäfer:

Dass er mit dabei ist, tut mir sehr gut! Gerade im Sprintbereich habe ich mich gut weiter entwickelt.

Wie kann man sich das gemeinsame Training vorstellen?

Carolin Schäfer:

Die Leute, die uns kennen, wissen, dass wir sehr unterschiedliche Charaktere sind. Aber ich glaube, das passt ganz gut bei uns. Pascal ist immer für einen guten, lockeren Spruch zu haben, das macht mich im Training auch lockerer. Und ich bringe ihm noch mal ein bisschen Disziplin bei. Da profitieren wir beide voneinander!

Können Sie mit einem Siebenkampf wie diesem das schwierige vergangene Jahr mit einem persönlichen Trauerfall und drei ungültigen Versuchen im Weitsprung bei der WM in Peking endgültig abhaken?

Carolin Schäfer:

Ich bin nach wie vor froh, dass ich in Peking gestartet bin, dass ich die Erfahrung dort gemacht habe und nicht in diesem Jahr. Das konnte ich gut abhaken. Was gibt es eine größere Motivation als Olympische Spiele und mich darauf zu konzentrieren? Ich habe mich in mein Training vertieft, Pascal hat dabei die nötige Lockerheit mitgebracht, da haben wir eine gute Chemie gefunden. Daher blicke ich optimistisch in die Zukunft. Ich fühle mich wohl, ich bin glücklich.

Mehr:

<link news:47782>Sonne und Regen in Götzis - Schäfer und Kazmirek strahlen

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