| WM-Reisebericht

Deutsche Geher-Fans sorgen in London für Hingucker und Stimmung

Auf Fan-Fahrt zum "Festival der Geher" nach London: 1.200 Kilometer in 17 Stunden, um das deutsche Geher-Team anzufeuern. Am Abschlusstag der Weltmeisterschaften in London erlebten am vergangenen Sonntag 34 Geh-Interessierte spektakuläre Wettbewerbe vor einer fantastischen Kulisse. Die deutschen Athleten dankten ihren Fans die Unterstützung mit starken Leistungen.
Sandra Arm

"Die Fahrt zur WM wurde wegen der guten und unvergesslichen Erlebnisse von 2012 organisiert", erklärte Hagen Pohle. Der WM-Teilnehmer und sein Bruder Philipp Pohle gehörten zu den Initiatoren der ersten Fahrt. Sie kennen den speziellen Reiz solcher Reisen: "Wir fahren ab und zu zu Auswärtsspielen der Eisbären Berlin." So kam ihnen die Idee, für die Spiele 2012 auch für Geher-Fans eine Reise zu veranstalten, die auf großes Interesse stieß.

"Damals ging es in einem Doppelstockbus mit 70 Personen in die britische Hauptstadt", erinnert sich Hagen Pohle. 2012 fanden die 20 Kilometer der Frauen mit Melanie Seeger und Sabine Krantz sowie die 50 Kilometer der Männer mit Andre Höhne und Christopher Linke an einem Tag statt. "Die Stimmung an der Strecke vor dem Buckingham Palace war sehr beeindruckend."

Familienangehörige, Nachwuchsathleten und Ehemalige mit an Bord

Diesmal war Hagen Pohle sogar selbst am Start, im Wettbewerb über 20 Kilometer. Dennoch zog er abermals im Hintergrund die Fäden, versorgte die Mitreisenden bis wenige Tage vor seinem eigenen Wettkampf mit allen wichtigen Infos wie Abfahrtszeiten, Einreiseformalitäten und Tagesprogrammen. Los ging's am Freitagnachmittag in der Geher-Metropole Potsdam. Mit an Bord einige Familienangehörige wie Olaf und Norman Linke, Vater und Zwillingsbruder von Christopher Linke (SC Potsdam), sowie Nachwuchsathleten oder ehemalige Geher.

Zu den Ehemaligen zählte Peter Frenkel, Olympiasieger im 20 Kilometer Gehen von 1972 in München, der mit seinem früheren Trainer und späteren Bundestrainer Hans-Joachim Pathus die fünftägige Reise antrat. Weiterhin dabei die aktuelle Bundesnachwuchstrainerin, Manja Berger, sowie deren Athletin Teresa Zurek (SC Potsdam), die bei der U20-EM in Grosseto (Italien) zu Silber ging.

In Sangerhausen und Dortmund stiegen weitere Fans zu. Graue Regenwolken begleiteten die Reisenden bis zum Fährhafen im französischen Calais. Das Wetter besserte sich erst in der britischen Hafenstadt Dover, die ersten zaghaften Sonnenstrahlen kamen durch die graue Wolkendecke. Über den Tag sollten die Temperaturen auf mehr als 20 Grad ansteigen. Am Samstagvormittag erreichte die Gruppe – im etwas abgelegenen Barking – ihr Hotel. Weil vor 14 Uhr kein Check-In möglich war, schwirrten die Reisenden aus. Einige wollten zum Stadion, andere die Geherstrecke besichtigen.

Zwei-Kilometer-Rundkurs zwischen Buckingham Palast und Admiralty Arch

Nach einer rund 35-minütigen Fahrt mit der U-Bahn zur Station "Westminster" erreichte die Gruppe nach einem kurzen Fußmarsch entlang des St. James's Park den Zwei-Kilometer-Rundkurs – zwischen Buckingham Palast und Admiralty Arch (Triumphbogen). "Die Strecke haben sie weiter nach vorn verlegt. Zu Olympia verlief sie hinter dem Buckingham Palast. Die Stimmung war erstklassig. An den Wettkampftagen musstest du schon halb Sechs an der Strecke sein, sonst gab es keinen Platz mehr", erinnerte sich der Trainer vom ASV Sangerhausen Helmut Reinefahl und zeigte sich von der neuen Streckenführung ebenso begeistert.

Nach einer kurzen Stippvisite entschied sich der 77-Jährige mit Trainerkollege Daniel Franke, ihren jungen Schützlingen Henriette Wolf und Leonie Luise Franke sowie Matthias Burba die Stadt weiter zu erkunden. Durch die Menschenmassen schlängelten sie sich über die Westminster Bridge zum London Eye. Das höchste Riesenrad Europas zog die jungen Geherinnen in ihren Bann. Sie scheuten die Wartezeit von 30 Minuten nicht, reihten sich in die wartende Menge ein und wurden mit einem wunderschönen Panoramaausblick belohnt.

Anschließend folgte ein Abstecher zur Tower Bridge, bevor es mit der U-Bahn zurück in Richtung Barking ging. Erschöpft sanken die Mädels in die Sitze der U-Bahn. Bei der Ankunft am Hotel standen nach der Tour durch die Stadt satte 15 Kilometer auf der Uhr.

Ronald Weigel und Christopher Linke begrüßen Fanschar

Etwas Entspannung versprach das Abend-Programm. In der Hotel-Lobby hatte sich schon eine kleine Gruppe an Fans eingefunden, sie verfolgten die WM-Wettbewerbe vor dem TV. In letzter Minute noch einigermaßen erschwingliche Tickets für das Stadion zu bekommen, war eine aussichtslose Mission. Nicht so für die Geh-Wettbewerbe: Hier war der Eintritt frei.

Um am Sonntag den ersten Startschuss über 50 Kilometer (7:45 Uhr) nicht zu verpassen, war frühes Aufstehen angesagt. Die Fan-Schar postierte sich gegenüber den Verpflegungsständen an der Strecke mit mit überdimensionaler Deutschland-Fahne. Geher-Bundestrainer Ronald Weigel ließ es sich nicht nehmen, vor dem Start die Fans zu begrüßen. Auf seiner Trainings-Runde legte auch Christopher Linke gegen 9:00 Uhr einen Stopp bei den Fans ein.

"Für mich war das eine gute Möglichkeit, um mir selbst einen Überblick zu verschaffen und die WM-Atmosphäre aufzusaugen. Das war mein Auftakt vor dem Frühstück. Ich bin dann wieder ins Hotel, habe meine Sachen gepackt, gefrühstückt und mich zur Strecke aufgemacht", sagte der Olympia-Fünfte, der bei seiner Stippvisite die Teamkollegen über 50 Kilometer kräftig anfeuerte.

Mitreißende Stimmung an der Strecke

Ebenso wie Hunderte weitere Menschen entlang der Strecke. Sie klatschten, schrien und feuerten an. Die Stimmung beflügelte: Carl Dohmann (SCL Heel Baden-Baden) und Karl Junghannß (LAC Erfurt Top-Team) gingen zu neuen Bestzeiten.

Es war schön zu sehen, dass viele deutsche Fans an der Strecke waren und uns von der ersten bis zur letzten Runde angefeuert haben. Ich denke schon, dass das zu der Leistung beigetragen hat", meinte Karl Junghannß, der auf familiäre Unterstützung vor Ort zählen konnte. "Meine Eltern und meine Geschwister waren an der Strecke. Mein Bruder hat immer mit meinem Trainer, der nicht kommen konnte, telefoniert und mir dann ein paar Anweisungen gegeben. Das hat sehr geholfen."

Mit roten Shirts, auf denen mit weißen Buchstaben der Name Carl geschrieben war, sorgten die Fans von Carl Dohmann für einen farblichen Hingucker. "Die Anfeuerung war sehr motivierend, die Atmosphäre wird einem ewig in Erinnerung bleiben. Das sind Momente, für die man trainiert", sagte der WM-Zehnte, der zugleich die gute Streckenwahl durch den Veranstalter lobte. "Es ist die beste, die es geben kann."

Überdimensionale Deutschland-Fahne

Über 20 Kilometer hatte Christopher Linke eine blaue Wand hinter sich. Mit nach London gereist waren die Familie und Handball-Freunde, die blaue T-Shirts mit dem Konterfei des WM-Fünften trugen. In der Zuschauermenge waren sie relativ schnell auszumachen. Der 28-Jährige sah sie beim Vorbeigehen im Augenwinkel. Ebenso wie die Fans, die die große Deutschland-Fahne schwenkten. "Das war schon richtig cool", meinte Deutschlands bester Geher.

Immer wieder blieben Menschen vor der übergroßen Deutschland-Fahne stehen, hüllten sich in den schwarz-rot-goldenen Stoff und ließen sich für ein Erinnerungsfoto ablichten. Das beliebte Fotomotiv war schon ein richtiger Hingucker an der Strecke. Die Fahne zum Schwingen zu bringen, dafür braucht es schon einiges an Kraft. Philipp Pohle und Norman Linke, die Brüder der WM-Teilnehmer Hagen und Christopher, ließen es sich trotzdem nicht nehmen und schwenkten sie mehrmals kräftig.

Unvergessliche Tage in London

"Chrissy, Chrissy", feuerte Norman Linke seinen Bruder lautstark dabei an. Nicht nur die deutschen Fanblocks gaben Vollgas. "Die Stimmung war allgemein sehr extrem. Die Briten sind sehr begeisterungsfähige Menschen", freute sich Christopher Linke über die Unterstützung von allen Seiten. Im Zielbereich standen Henriette Wolf und Leonie Luise Franke, sie hatten sich einen der begehrten Plätze ergattert. "Es war einfach schön zu sehen, wie sich die Geher im Zielbereich gefreut haben", sagte Leonie Luise Franke, die seit vier Jahren im Verein geht.

Nach der letzten Geh-Entscheidung rundete der Besuch des Olympiastadions den Sonntag für die fünfköpfige Gruppe aus Sangerhausen ab. Nach zwei unvergesslichen Tagen in der britischen Metropole hieß es am Montagvormittag Abschied nehmen. Im Gepäck viele schöne Erinnerungen, emotionale Bilder, Mitbringsel und ein Versprechen. "Wir waren das erste Mal in London und kommen wieder", meinte Daniel Franke. Wie schon zu den Spielen 2012 bleibt auch diese Fanfahrt für alle unvergessen.

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