| Interview der Woche

Eliud Kipchoge: "Solche Bedingungen habe ich beim Marathon noch nie erlebt"

Nur einer der drei Favoriten kam ins Ziel. Und am Ende setzte sich der dominierende Marathonläufer der vergangenen Jahre durch: Eliud Kipchoge (Kenia) gewann am Sonntag bei regnerisch-kühlen Bedingungen den Berlin Marathon. Wie zufrieden er mit seinem "Regen-Weltrekord" von 2:03:32 Stunden ist, wie er das Duell mit Debütant Guye Adola (Äthiopien) erlebte und welches Ziel für ihn in den kommenden Rennen im Vordergrund steht, berichtete er anschließend im Interview.
Christian Ermert

Eliud Kipchoge, Sie sind nach Berlin gekommen, um Weltrekord zu laufen. Jetzt reisen Sie immerhin als Regen-Weltrekordler nach Hause. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis?

Eliud Kipchoge:

Ich bin sehr zufrieden. In Indien gibt es eine Weisheit, dass der Weg zum Glück darüber führt, jeden Ausgang eines Ereignisses zu akzeptieren. Und das gilt ganz besonders für den Sport. Du musst jedes Ergebnis akzeptieren. Und deshalb bin ich sehr zufrieden.

War dieser Marathon härter als die anderen acht, die Sie zuvor gelaufen sind?

Eliud Kipchoge:

Ja, solche Bedingungen habe ich beim Marathon noch nie erlebt. Das kalte Wasser kam nicht nur von oben, sondern ist auch von der Straße gegen die Beine gespritzt. Die Muskeln kühlen aus, arbeiten nicht mehr richtig. Das war richtig hart.

Was macht für Sie den Berlin-Marathon so speziell?

Eliud Kipchoge:

Der schnelle Kurs und die Zuschauer, die sogar bei diesem Regenwetter für eine tolle Stimmung an der Strecke gesorgt haben.

In Monza sind Sie in einem nicht weltrekordtauglichen Rennen bei optimalen Bedingungen und geführt von wechselnden Tempomachern den Marathon in 2:00:25 Stunden gelaufen. In Berlin fehlten bei widrigem Wetter nur 35 Sekunden zum Weltrekord. Welche Zeit trauen Sie sich bei optimalen Bedingungen in einem Stadtmarathon zu?

Eliud Kipchoge:

Eine hohe 2:01er-Zeit traue ich mir zu, wenn ich in der Form von Monza und Berlin bin.

Was haben Sie gedacht, als Sie am Morgen vor dem Berlin-Marathon aufgewacht sind und aus dem Fenster geschaut haben?

Eliud Kipchoge:

Ich habe noch mal an die letzte Wettervorhersage vom Abend zuvor gedacht. Da hieß es ja noch, dass es am Sonntagmorgen aufhören würde zu regnen. Und dann sah ich, dass die Straßen nass waren und es immer noch nieselte. Aber in diesem Moment habe ich nur an die vier Monate der Vorbereitung auf dieses Rennen gedacht und daran, dass heute der Tag ist, an dem ich angreife. Das Wetter kann man ja nicht kontrollieren.

War Ihnen da schon klar, dass der Weltrekord unter diesen Bedingungen nicht möglich sein würde?

Eliud Kipchoge:

Nein, das habe ich erst realisiert, als wir im Rennen an der Fünf-Kilometer-Marke waren.

Wie haben Sie es bemerkt?

Eliud Kipchoge:

Ich konnte nicht mehr so aufs Tempo drücken, wie das notwendig gewesen wäre. Meine Muskulatur hat das nicht zugelassen. Von da an habe ich mich nur noch darauf konzentriert, das Rennen zu gewinnen.

Kurz vor der 40-Kilometer-Marke hatte sich der Äthiopier Guye Adola leicht abgesetzt. Wie kam es dazu?

Eliud Kipchoge:

Er hat angefangen zu spurten. Ich wollte das an der Stelle nicht. Das war zu früh. Mein Plan war es, die Geschwindigkeit Richtung Ziel langsam zu erhöhen.

Waren Sie sich zu diesem Zeitpunkt sicher, ihn wieder einzuholen?

Eliud Kipchoge:

Ja.

Und dann haben Sie Ihren Plan umgesetzt, kurz nach der 40-Kilometer-Marke selbst zu attackieren und zu gewinnen.

Eliud Kipchoge:

Genau.

Jetzt haben Sie ein großartiges Jahr 2017 hinter sich, aber die Ziele Marathon unter zwei Stunden und Marathon-Weltrekord haben Sie beide verpasst. Was ist Ihr wichtigstes Ziel für die Zukunft?

Eliud Kipchoge:

Der Marathon-Weltrekord. Das ist wichtiger. Dann bin ich wirklich der schnellste Marathonläufer überhaupt. Das ist mein Ziel für 2018.

Und falls das klappt – ist dann die lange Karriere des Eliud Kipchoge vorbei, die ja schon 2003 mit dem WM-Sieg in Paris über 5.000 Meter so richtig in Fahrt kam?

Eliud Kipchoge:

Nein. Ich liebe das Laufen. Und ich will weiter laufen, um andere Menschen zum langen Laufen zu inspirieren.

Wird Guye Adola in den nächsten Jahren Ihr härtester Konkurrent sein?

Eliud Kipchoge:

Das hoffe ich. Er ist ein sehr guter Athlet, sowohl körperlich als auch mental. 

Hatten Sie erwartet, dass er den Berlin-Marathon so schnell laufen kann?

Eliud Kipchoge:

Das war wirklich eine große Überraschung. Ich hatte ja vor allem mit Wilson Kipsang und Kenenisa Bekele gerechnet, und plötzlich waren Guye Adola und ich allein im Kampf um den Sieg.

Wie erholen Sie sich jetzt? Sie haben zwei sehr harte Marathonrennen mit der entsprechenden Vorbereitung in nur knapp fünf Monaten absolviert …

Eliud Kipchoge:

… ich werde jetzt erstmal ein paar Massagen und Eisbäder genießen und dann einen Monat lang Pause machen. Dann laufe ich keinen Schritt, denke auch gar nicht daran und konzentriere mich ganz auf das Leben mit meiner Familie. Und dann überlege ich, wo und wann ich den nächsten Marathon laufe.

Mehr:

<link news:60217>Favoritensieg für Eliud Kipchoge
<link news:60220>Anna Hahner knackt die EM-Norm

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024