| Interview der Woche

Julia Fischer: „Mit Rio-Medaille einen Traum erfüllen“

Im sechsten Durchgang des Diskus-Wettbewerbs hat es Julia Fischer (SCC Berlin) am Samstag bei den Halleschen Werfertagen ordentlich krachen lassen. Mit 68,49 Metern steigerte die Deutsche Meisterin ihre Bestleistung, schlug Weltmeisterin Denia Caballero und ließ die starke nationale Konkurrenz um Nadine Müller (SV Halle; 64,30 m) und Shanice Craft (MTG Mannheim; 61,57 m) wie schon eine Woche zuvor in Wiesbaden hinter sich. Im Interview spricht die 26-Jährige über ihre Steigerung, den nationalen Kampf um die Olympia-Tickets und ihr Ziel für Rio.
Jan-Henner Reitze

Julia Fischer, herzlichen Glückwunsch zu Sieg und Bestleistung. Hat Sie diese Weite überrascht?

Julia Fischer:

Ich habe in Portugal im Trainingslager schon einmal in diesen Bereich geworfen. Ich wusste, dass ich etwas drauf habe. Dazu ist die Trainingswoche vor Halle sehr gut gelaufen.

Der Wettkampf hat erst in der Endphase so richtig Fahrt aufgenommen, auch weil der Wind dann günstiger wurde?

Julia Fischer:

Ich habe gar nicht auf den Wind geachtet. Ich musste erst einmal mit mir selbst klar kommen. Ich war mit den ersten beiden Würfen sehr unzufrieden. Ich habe nur schwer rein gefunden. Ich freue mich, dass ich den Wettkampf im sechsten Durchgang rumgerissen habe. Im Fünften hat es erst angefangen. Bis dahin dachte ich: Was ist das jetzt?

Vor dem dritten Durchgang standen Sie ohne gültigen Versuch dar und es drohte das Aus. Mit 64,14 Metern haben Sie dann den Endkampf klar gemacht. Ist das auch ein Zeichen für Ihre gewonnene Stärke?

Julia Fischer:

Ich hatte ganz schön Herzklopfen vor diesem Versuch. Ich wusste, ich muss einen raushauen, sonst ist der Wettkampf vorbei. Das hat mir einen zusätzlichen Adrenalinstoß gegeben und der hat mir vielleicht ganz gut getan.

In früheren Jahren hat das nicht immer so geklappt…

Julia Fischer:

Diese Zeit liegt hinter mir. Ich habe gelernt, mit solchen Situationen umzugehen. Und man muss auch dazusagen: Es klappt nicht jeden Tag. Ich bin nicht immer gleich stark im Kopf. Ich habe durch meinen Mentaltrainer Markus Flemming gelernt, mit Druck umzugehen und diesen Druck positiv zu nutzen, anstatt zu denken: Wenn ich jetzt keinen Gültigen mache, fliege ich raus. Ich sehe es als Herausforderung.

Damit waren Sie im Endkampf, der Wettkampf von Halle war aber noch lange nicht vorbei. Das Feld ist zum Schluss ordentlich durcheinander gewirbelt geworden. Behält man da überhaupt den Überblick, wie es gerade steht?

Julia Fischer:

Wettkämpfe können zu Beginn etwas einschläfernd sein und niemand wirft weit. Dann geht es in den letzten Versuchen richtig ab. Da muss man versuchen, den Anschluss nicht zu verlieren. Mich pusht so etwas und ich kann mich noch einmal aufbauen. Ich dachte: Es muss doch mal klappen. Zuerst hat bei jedem Wurf eine andere Kleinigkeit nicht gestimmt. Ab dem fünften Versuch ist dann alles zusammen gekommen und es ging los. Dann dachte ich mir: Ich mache jetzt überall noch ein bisschen mehr. Ich habe mit meinem Coach geredet, wie ich mit dem Wind umgehen soll. Es hätte auch schief gehen können, die Chance stand 50:50. Es hat geklappt. Das freut mich riesig.

Ihr Diskus ist auf 68,49 Meter gesegelt. Der perfekte Wurf?

Julia Fischer:

Ich habe von dem Wurf nicht so viel gemerkt. Ich werde es mir auf Video ansehen und den Versuch analysieren.

Sie haben Ihre Bestleistung um knapp zwei Meter gesteigert. Nur Franka Dietzsch und Nadine Müller haben als DLV-Diskuswerferinnen in diesem Jahrtausend weiter geworfen. Bedeutet diese Weite, dass sich die Arbeit der vergangenen Jahre ausgezahlt hat?

Julia Fischer:

Ich bin nicht so ein Bestenlisten-Junkie. Nur weil ich zwei Wettkämpfe nacheinander gewonnen habe, heißt es nicht, dass ich im nächsten auch vorne bin. Es geht immer von neuem los. So gehe ich ran. Ich freue mich über die gute Leistung und nehme das gute Gefühl mit.

Gibt es neben der gewonnenen mentalen Stärke auch eine „technische“ Erklärung für die gute Form?

Julia Fischer:

Wir haben im Winter viel an der Technik gearbeitet. Da haben sich über die Jahre einige Fehler eingeschliffen. Ich bin auch stolz auf mich, dass ich mit 26 noch einmal Bewegungsmuster verändern konnte. Denn es ist viel schwieriger ein Bewegungsmuster zu verändern als eine Bewegung neu zu erlernen.

Bedeuten Ihre Siege in Wiesbaden und Halle, dass Sie schon mit einem Bein in Rio stehen? Sie haben die starke nationale Konkurrenz jeweils hinter sich gelassen?

Julia Fischer:

Nein. Es wird sich in Kassel entscheiden, wer nach Rio fährt, zumal auch Anna Rüh in Halle krankheitsbedingt nicht am Start war. Es bleibt bis zum Ende offen. Keiner kann sich sicher sein. Es wäre ein Fehler, sich jetzt zurückzulehnen und zu denken: Ich bin sicher dabei.

Wie gehen Sie untereinander mit der Situation um, dass sich sechs DLV-Normerfüllerinnen im Diskuswerfen um drei Tickets für Rio streiten?

Julia Fischer:

Unser früherer Bundestrainer Gerhard Böttcher hat uns von Anfang an gelehrt, dass wir ein Team sind und nur im Wettkampf Konkurrenten. Ich liebe meine Mädels. Es ist toll, mit ihnen unterwegs zu sein. Wir treiben uns gegenseitig an. Es ist auch schön, wenn man auf Wettkämpfen nicht allein ist.

Welche Wettkämpfe stehen als nächstes an?

Julia Fischer:

Ich fliege nach Eugene zur Diamond League, danach starte ich noch in Schönebeck. Wir haben wenige Wettkämpfe in diesem Jahr, weil die Deutschen so früh sind. Es geht Schlag auf Schlag.

Hat die starke nationale Konkurrenz Einfluss auf den Trainingsaufbau gehabt, so dass die Form eventuell schon früher besser ist, um sich ein Olympia-Ticket zu sichern?

Julia Fischer:

Nein, das ändert nichts. Die Trainingsplanung ist auf Rio ausgerichtet. Das ist unser Plan.

Welches Ziel haben Sie für Olympia?

Julia Fischer:

Ich möchte in Rio eine Medaille gewinnen. Das ist mein Traum seitdem ich mit dem Leistungssport angefangen habe. Den möchte ich mir erfüllen.

Auf welche technischen Feinheiten achtet Julia Fischer in diesem Jahr besonders?

<link video:14099>Video-Interview auf leichtathletik.TV

Mehr:

<link news:47598>Julia Fischer bezwingt die Weltmeisterin

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