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Julian und Jacqueline: Die Otchere-Geschwister heben ab

Zwei Geschwister, in einer Disziplin erfolgreich, das ist durchaus außergewöhnlich, das gibt es nicht oft. Die Stabhochspringer Jacqueline und Julian Otchere (MTG Mannheim) schreiben gerade an solch einer Geschichte. Und es gibt sogar noch einen dritten Otchere: Colin.
Thorsten Eisenhofer

Hätte Jacqueline Otchere damals, vor rund dreieinhalb Jahren, nicht diese Probleme am Schienbein gehabt, dann wäre sie vielleicht heute gar keine Stabhochspringerin. Dann wäre sie vielleicht weiterhin Sprinterin. Oder Hürdenläuferin. Oder Weitspringerin. Da sie aber nicht mit der Sprintgruppe der MTG Mannheim ins Trainingslager fahren konnte, sich aber fit halten wollte, hatte ihr Bruder Julian mit seiner Avance Erfolg. Er fragte seine Schwester nämlich, ob sie nicht mal mit ihm zum Stabhochsprungtraining gehen wolle. Jacqueline wollte. Es war, wie die vergangenen Jahre gezeigt haben, keine allzu schlechte Entscheidung.

Julian Otchere trainierte damals schon seit drei Jahren in der Mannheimer Stabhochsprung-Gruppe von Alex Rupp und hatte die Anfänge der Gruppe miterlebt. „Man hat gleich gesehen, dass Jacqueline Talent hat“, erinnert sich Julian an die ersten gemeinsamen Trainingseinheiten mit seiner zwei Jahre älteren Schwester. Großartiger Überredungs- oder Überzeugungsarbeit bedurfte es damals nicht, so erinnern sich alle Beteiligten. Im Gegenteil: Die Begeisterung für das Stabhochspringen teilten die Geschwister schnell.

„Das ist nicht nur geradeauslaufen oder etwas wegwerfen“, sagt Jacqueline, die im Schülerbereich bei Deutschen Meisterschaften zweimal Edelmetall im Blockmehrkampf gewonnen hat. „Es war etwas Exotisches, etwas, das ihr gefallen hat“, sagt Julian. Und Alex Rupp, der Trainer, sagt: „Man kann am Anfang nie sagen, wie erfolgreich der Weg eines Athleten verlaufen wird. Aber man hat gleich gesehen, dass Jacqueline Talent hat.“

Schritt für Schritt vs. rasant nach oben

Die Entwicklung der beiden Geschwister nahm einen ähnlichen Verlauf. Und war doch zugleich ganz unterschiedlich. Bei beiden ging es, seit sie erstmals einen Stab in der Hand hatten, eigentlich nur aufwärts. Doch während Julian eine stetige Entwicklung nahm und im Nachwuchsbereich immer zu den Besten seines Jahrgangs gehörte, verlief die Entwicklung von Jacqueline in zwei Phasen – was auch an ihrem späten Einstieg lag.

In der ersten Phase bis Ende 2016 steigerte sie sich zwar, aber oft nicht so schnell, wie sie es sich selbst wünschte und erhoffte. Die Norm für Deutsche Jugendmeisterschaften schaffte sie beispielsweise nie. In der zweiten Phase von Anfang 2017 bis jetzt steigerte sich dafür rasant von 3,71 auf 4,60 Meter – und ist derzeit die Nummer eins in Deutschland und die Nummer acht in Europa.

Als Typ Sportler sind sich die Geschwister sehr ähnlich. Beide sind typische Wettkampfsportler (Rupp: „Das Gegenteil von Trainingsweltmeistern“), unglaublich nervenstark, wenn es drauf ankommt und sehr auf den Sport fokussiert. „Beide ordnen für den Sport fast alles unter“, sagt Trainer Rupp. Menschlich sind sie durchaus verschieden, da ist Julian der etwas extrovertiertere der beiden.

Bestleistungen: 4,60 Meter und 5,36 Meter

Derzeit ist Jacqueline sportlich einen Schritt weiter, bereits in der deutschen Spitze angekommen. Schließt ihr Bruder in den kommenden Jahren auf, ist es gar nicht so abwegig, dass sie bald gemeinsam bei einer internationalen Meisterschaften für Deutschland starten – was allerdings nur noch im Aktivenbereich möglich ist, da Jacqueline im kommenden Jahr der Altersklasse U23 entwachsen ist. „Es wäre schon toll, wenn es mit einem gemeinsamen Start mal klappt“, sagt Jacqueline.

Die Geschwister betrachten es als etwas Besonderes, in der gleichen Disziplin auf diesem hohen Niveau aktiv zu sein. „Die Erfolges des anderen pushen einen“, sagt Julian, der sich dieses Jahr auf 5,36 Meter gesteigert hat.

Auch Bruder Colin in der Leichtathletik aktiv

Vielleicht können sich die Stabhochspringer auch am Wochenende (21./22. Juli) bei den <link>Deutschen Meisterschaften in Nürnberg gegenseitig zu neuen Höhen antreiben. Dann ist vielleicht sogar noch ein dritter Otchere dabei: Colin, der älteste der drei Geschwister, ist für eine der beiden Sprintstaffel der MTG Mannheim gemeldet. Das Talent und die Liebe zum Stabhochsprung hat er allerdings nicht.

Alle drei Otchere-Geschwister hatten beim ASV Eppelheim gemeinsam mit der Leichtathletik begonnen. Vom 2013 verstorbenen Michael Hoffmann wurden sie dann bei einem Wettkampf in einem Mannheimer Stadtteil entdeckt und zur MTG gelotst. Danach trennten sich die Wege, zumindest, was die Disziplin betrifft, und führten dann zum Teil – bei Julian und Jacqueline – wieder zusammen.

"Es ist fast schon eine glückliche Fügung, dass Jacqueline damals nicht mit ins Trainingslager konnte“, sagt Trainer Rupp: „Ansonsten wäre sie jetzt vielleicht deutsche Spitze in einer anderen Disziplin.“ So aber können Jacqueline und Julian Otchere weiter an einer außergewöhnlichen Stabhochsprung-Geschwister-Geschichte schreiben.

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