Er war der schnellste Hürdensprinter des Sommers, doch die WM ging ohne ihn über die Bühne. Während sich der Russe Sergey Shubenkov in Peking (China) den Titel holte, wartete Orlando Ortega auf seinen spanischen Pass.
Denn der gebürtige Kubaner hat seiner Heimat den Rücken gekehrt und zahlt dafür mit einer Auszeit im Nationaltrikot den Preis. Sein letzter Start bei einem internationalen Großereignis datiert aus dem Jahr 2013. Damals schied er bei der Weltmeisterschaft in Moskau (Russland) nach dem Vorlauf aus.
Auf der Rückreise zog er dann endgültig einen Schlussstrich unter das Leistungssportkapitel Kuba. Auf einer Zwischenstation in Madrid setzte sich Orlando Ortega mit dem Taxi von der Nationalmannschaft ab und das bereits mit dem klaren Ziel, künftig für Spanien starten zu wollen.
Querelen mit kubanischem Verband
Hintergrund für diesen Schritt waren Querelen mit den Leichtathletik-Verantwortlichen in Kuba. Als die Wettkampfpläne nicht deckungsgleich mit den Vorstellungen des Verbandes waren, suspendierte man ihn kurzerhand für ein paar Wochen - mitten in der Vorbereitung auf die WM in Moskau. Danach reifte bei dem Athleten schon im Vorfeld der Titelkämpfe der Plan zur Flucht.
In Spanien fand Orlando Ortega dann in der Nähe von Valencia Anschluss an einen Verein und Unterstützung. So brachte man auch die Einbürgerung auf den Weg. Seit diesem Sommer hat der Olympia-Sechste die spanische Staatsbürgerschaft, auf den Pass wartete er allerdings zum Ende der Saison noch.
Aber auch wenn er das Dokument in Händen hat, steht für ihn fest: „Im Herzen werde ich immer Kubaner bleiben.“ Nach Kuba zurück darf er momentan allerdings nicht reisen. Mit seinem Verwandten hält er nur telefonisch Kontakt. Lediglich seine Mutter, die in Florida lebt, besucht er.
In Spanien mehr Konzentration auf den Sport
In seiner neuen Heimat Spanien hat er sich bestens eingelebt. Orlando Ortega merkte aber auch schnell, dass dort ein anderes Leben herrscht. „In Kuba habe ich noch viel Party und Siesta gemacht. In Spanien habe ich gelernt, mich auf das Wesentliche, den Sport, zu konzentrieren“, erklärt Orlando Ortega, der es auch genießt, wenn er am Strand entspannen kann.
Die große Frage ist noch, wann er tatsächlich für Spanien international startberechtigt sein wird und ob es sich auf dem grünen Tisch mit dem Olympia-Start 2016 ausgeht. Dafür muss er zunächst die dreijährige Sperre auf internationalem Meisterschaftsparkett noch komplett absitzen. Sein letztes Rennen in Moskau bestritt er am 11. August 2013. Die Vorläufe über 110 Meter Hürden in Rio beginnen am 15. August 2016. Das würde also passen.
Mental auf Rio fokussiert
Was fehlt, ist die offizielle Bestätigung dieser Rechnung durch den Weltverband IAAF. Entsprechend sagt Orlando Ortega auch: „Mental bereite ich mich auf Rio vor. Ich gehe davon aus, dass ich dort für Spanien starte.“ Spanien ist damit um eine große Olympia-Hoffnung reicher - und um was für eine!
Der 24-Jährige war der schnellste Hürdensprinter dieses Jahres - sowohl in der Halle als auch im Freien. Den Gesamtsieg in der Diamond League verpasste er im Punkte-Duell mit David Oliver (USA) beim Finale in Zürich (Schweiz) nur um Tausendstel.
„Bin selbst mein größter Gegner“
In diesem Jahr lief er bei seinem Diamond League-Erfolg in Paris (Frankreich) zum ersten Mal unter 13 Sekunden. Mit seiner Zeit von 12,94 Sekunden zählt er zu den zehn besten Hürdensprintern aller Zeiten.
Sogar der Weltrekord des US-Amerikaners Aries Merritt von 12,80 Sekunden scheint nicht unerreichbar, wenn Orlando Ortega seinen Weg weitergeht. Doch als Ziel möchte er das nicht ausgeben. Seine Strategie ist eine andere: „Ich bin selbst mein größter Gegner. Ich will mich ständig verbessern. Dann kommt auch der Weltrekord von alleine näher.“