| Funktionäre und Athleten

Stimmen zu Umbau-Plänen des Berliner Olympiastadions

Nach der Bekanntgabe der Umbau-Pläne für das Berliner Olympiastadion zu einer reinen Fußball-Arena haben wir bei Funktionären und Sportlern nach Ihrer Meinung gefragt. So sagte beispielsweise der zweimalige Kugelstoß-Weltmeister David Storl: "Dieses einmalige historische Stadion sollte nicht verändert werden." Auch Sprint-Hoffnung Gina Lückenkemper will die schnelle Leichtathletik-Bahn in Zukunft nicht missen.
Pamela Ruprecht/Peter Schmitt

Dagmar Freitag (DLV-Vize-Präsidentin):

Sollte das Berliner Olympiastadion tatsächlich zu einem reinen Fußballstadion umgebaut werden, verabschiedet sich Deutschland aus dem Kreis derjenigen Länder, die in der Lage sind, sich für Olympische Spiele oder internationale Leichtathletik-Meisterschaften zu bewerben. Vielleicht rächt sich jetzt auch an dieser Stelle, dass in unserem Land nie eine ernsthafte Debatte darüber geführt wurde, welchen (Spitzen)Sport wir eigentlich wollen. Im Vorfeld der Spitzensportreform wäre DIE Gelegenheit dazu gewesen. Denn auch als Fußballfan sage ich: Sport ist mehr als Fußball.

Michael Vesper (DOSB-Vorstandsvorsitzender):

Wir haben großartige Fußballstadien in Deutschland und wir haben zwei Olympiastadien. Wir sollten deren Oympisches Erbe bewahren, denn sie stehen für die Vielfalt des Sports.

Michael Lameli (DLV-Generaldirektor):

Aus Sicht des Fußballs mag die Forderung nach einer reinen Fußball-Arena im Olympiastadion in Berlin nachvollziehbar sein, aber aus Sicht der Leichtathletik können wir damit nicht einverstanden sein. Wenn wir uns künftig für eine WM bewerben würden, geht dies aktuell nur mit dem Olympiastadion in Berlin. Eine internationale Wettbewerbsfähigkeit im Spitzensport wird auch durch internationale Wettbewerbe im eigenen Land gestützt. Daher müsste ein umgebautes Olympiastadion den Anforderungen der internationalen Leichtathletik weiterhin genügen. Ich schlage ein zeitnahes Gespräch zwischen den Berliner Stadionverantwortlichen und dem DLV vor, um frühzeitig den Stand der Dinge auszutauschen und eine gemeinsame Lösung zu finden.  

Frank Kowalski (Geschäftsführer Organisationskomitee EM 2018):

Mit den Umbauplänen des Berliner Olympiastadions ist das Rad nun deutlich überzogen. Es hat sich immer gezeigt, dass Monokulturen wie aktuell im Fußball ungesund sind und sich irgendwann selbstbereinigen. Wir werden auch mit der EM 2018 nicht kampflos zuschauen, wenn hier ein Stück sportliches Kulturgut entsorgt werden soll.

Cindy Roleder (SV Halle; Vize-Weltmeisterin 100 m Hürden):

Im Berliner Olympiastadion findet jedes Jahr traditionell das ISTAF statt, das jährliche Leichtathletik-Highlight in Deutschland. Wenn das als eines der größten Meetings wegfallen würden, wäre das ein Verlust. Dort präsentieren wir Athleten uns. In der Hauptstadt zu laufen ist immer ein großer Ansporn. Die Stimmung bei der WM 2009 soll fantastisch gewesen sein, so ein Fest würde es dann nicht mehr geben. Die Mondo-Bahn ist eine historische Bahn, die erhalten bleiben soll, und extrem schnell ist, wie man an den Weltrekorden von Usain Bolt sieht. Für mich ist Leichtathletik keine Randsportart, aber durch diese Umbauten und das Verdrängen aus den Stadien, wie auch in Leipzig, macht man sie zu einer.

Gina Lückenkemper (LG Olympia Dortmund; EM-Dritte 200 Meter):

Die Leichtathletik-Bahn sollte auf jeden Fall in dem Stadion bleiben, die Bahn gehört zu dem Stadion und ist dort Tradition. Das Olympiastadion wurde auch nicht als reines Fußballstadion errichtet. Wenn man die Bahn rausnehmen würde, wäre es kein Olympiastadion mehr. Dann wäre es ein Stadion wie jedes andere. Das ist eine Bahn auf der Weltrekorde gelaufen werden können. Die Leichtathletik-Bahn aus diesem Stadion rauszunehmen, wäre in meinen Augen ein ganz großer Fehler. Vorallem was soll das für ein Zeichen an den deutschen Sport sein, wenn man die Leichtathletik aus einem Olympiastadion verbannt? Das geht gar nicht. Das traditionelle ISTAF dort ist für die deutschen Athleten vor Heimpublikum als großes internationales Meeting immer ein Highlight. Das Berliner Olympiastadion gehört zur deutschen Leichtathletik und sollte für unseren Sport auf jeden Fall nicht verschwinden.

Max Heß (LAC Erdgas Chemnitz; Dreisprung-Europameister):

Für mich persönlich ist das Berliner Olympiastadion eines der Besten, in denen ich je gesprungen bin. Durch so einen Umbau würde der Fußball einmal mehr in den Vordergrund gerückt und die Leichtathletik mehr zurückgedrängt werden. Das fände ich echt schade, das Stadion hat so viel Potenzial für Leichtathletik-Wettkämpfe. Das ISTAF-Meeting ist immer so ein großes Event und auch die Heim-EM in Berlin zeigt, dass die Leichtathletik sehr anerkannt ist. Die Veranstaltungen sind immer gut besucht. Es wäre sehr traurig, wenn es zu einem reinen Fußballstadion umgebaut werden würde. Eine Konstruktion mit integrierter, flexibler Bahn, wäre auf jeden Fall eine Option zu einem reinen Fußballstadion. Aber trotzdem hat es ein ganz anderes Flair, wenn man weiß, es ist das ganze Jahr über ein Leichtathletik-Stadion. Dort wurden Olympische Spiele ausgetragen, was auch so der Ursprung des Sports und der Leichtathletik ist. Von daher würde ich doch den dauerhaften Bestand der Leichtathletik-Bahn bevorzugen.

David Storl (SC DHfK Leipzig; zweimaliger Kugelstoß-Weltmeister):

Hertha BSC hat dieses Jahr den Vorteil, dass sich der Verein für den Europacup qualifiziert hat. Für die Zuschauer ist es natürlich schöner, wenn sie nah dran sind, das ist immer dieser Zwiespalt zwischen Leichtathletik- und Fußballstadion. Aber in das Berliner Olympiastadion sollte meiner Meinung nach nie eingegriffen werden. Lieber sollten sie dem Verein noch ein neues Fußballstadion bauen, anstatt dieses einmalige historische Stadion mit dem Marathontor und dem historischen Umfeld zu verändern. Das wäre schade, wenn es nur noch ein Fußballstadion wäre. Von einer Variante, bei der die Laufbahn erhalten wird, halte ich nicht viel. Dabei steht die Leichtathletik immer hinten an. Ich stehe der Sache sehr kritisch gegenüber. Es wäre sehr schade, wenn man in das Stadion eingreifen würde. Es war nunmal ein Olympiastadion und wer weiß, wie gut Hertha nächstes Jahr spielt. Das ist ein schnellebiges Geschäft. Berlin sollte sich neben dem Flughafen nicht noch eine zweite Großbaustelle aufhalsen.

Gesa Felicitas Krause (Silvesterlauf Trier; Hindernis-Europameisterin):

Das ist ein Stadion mit Historie, in einer Stadt mit viel Geschichte. Und zu dem Olympiastadion gehört auch eine Rundbahn. Ich kann den Aspekt der Fußballer, dass die Zuschauer nah am Rasen und am Spiel sitzen wollen, zwar verstehen. Aber im Fußball gibt es so viel Geld, dass sie sich auch ein neues Stadion bauen können. Ich glaube, dass die Leichtathletik durch so einen Umbau einen großen Rückschlag erleben würde. Das Berliner Olympiastadion mit dem ISTAF-Meeting ist eines der Wettkämpfe im Jahr, bei dem man dem Publikum die Leichtathletik nochmal nahe bringen kann. Zu einem Olympiastadion gehört einfach die Leichtathletik mit einer Rundbahn dazu. Es gibt nämlich noch andere Sportarten außer Fußball. Ein reines Fußballstadion ist dort aus meiner Sicht Fehl am Platze. Das Olympiastadion in der Hauptstadt soll dem treu bleiben, wofür es steht.

Thomas Röhler (LC Jena; Speerwurf-Olympiasieger):

Für mich ist das Olympiastadion Berlin mit Laufbahn Teil deutscher Geschichte und internationaler Sportgeschichte. Die Zerstörung von Kulturgut durch den Wunsch nach einem besseren Fußballerlebnis für die Zuschauer halte ich für schwer tragbar. Als Jenaer ist für mich die allgemeine Diskussion um die Demontage von Leichtathletik-Bahnen alltäglich, ich muss aber sagen, dass häufig Fußball- und Leichtathletik-Fans dieselbe Sprache sprechen. Die Thematik ist somit wesentlich politischer und wirtschaftlicher zu sehen.

Mehr:

<link news:56908>Deutliche Kritik des DLV-Präsidenten an Umbau-Plänen für Berliner Olympiastadion
<link news:56948>Bolt zu Umbau-Plänen des Olympiastadions: "Wäre eine große Schande!"

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024