Der Mythos Letzigrund – er lebt. Am Donnerstagabend, beim ersten von zwei Diamond League Finals, war die Stimmung in Zürich (Schweiz), so, wie es der Name des Meetings verspricht: Weltklasse. Ein Ruf, den auch die Athleten mit Spitzen-Leistungen untermauerten. Mitten drin im Konzert der Weltelite: Speerwerfer Thomas Röhler, der mit Bestleistung von 87,63 Metern seinen zweiten Sieg in der Diamond League feierte und damit den Jackpot von 40.000 US-Dollar abräumte.
Zürich kann laut. Zürich kann stimmungsvoll. 25.000 Zuschauer verwandelten den Letzigrund in den Hexenkessel, der Erinnerungen an weniger stimmungsvolle EM-Tage an gleicher Stelle vergessen machte. Emotionaler Höhepunkt des Abends: Der Auftritt des Schweizer Europameister Kariem Hussein über 400 Meter Hürden. Mit ohrenbetäubendem Lärm pushte ihn das Züricher Publikum erneut zu Spitzen-Leistung. 48,70 Sekunden. Bestleistung. Platz drei in Europa in diesem Jahr.
Dass der 25-Jährige damit im Weltklasse-Feld auf den vierten Platz kam und der Südafrikaner Cornel Fredericks mit 48,25 Sekunden an der Spitze die zweitschnellste Zeit der Welt in diesem Jahr ablieferte – es ging unter im kollektiven Schweizer Jubel.
In Ekstase versetzte auch Stabhochspringerin Nicole Büchler ihr Heimpublikum. Die Lokalmatadorin, die bei der EM enttäuschend in der Qualifikation hängen geblieben war, überflog als erste Schweizerin überhaupt zunächst die Höhe von 4,62 Metern, bevor sie sich dann abermals auf 4,67 Meter steigerte. Eine Höhe, die bei der EM Gold bedeutet hätte. In der Diamond League reichte diese Leistung am Donnerstagabend zu Platz fünf. Die Weltmeisterin des Jahres 2011, Fabiana Murer (Brasilien), bot mit 4,72 Metern die beste Flugshow.
Stolzer Thomas Röhler
Aus deutscher Sicht sorgte allerdings ein 22-Jähriger für das Ausrufezeichen. Thomas Röhler (LC Jena), der bei der EM noch mit 70,31 Metern als enttäuschter Zwölfter aus dem Stadion schlich, verließ am Donnerstag den Letzigrund mit einem Diamanten als Symbol für den Sieg im Diamond Race in der Hand. Der Speerwerfer steigerte sich auf 87,63 Meter – Bestleistung und Platz fünf in der ewigen deutschen Bestenliste. „Ich bin unglaublich stolz. Heute ist alles aufgegangen, was ich mir vorgenommen hatte“, sagte der deutsche Meister. Der Mannheimer Andreas Hofmann wurde Neunter mit 76,78 Metern.
Der im Vorfeld als Sahnestück des Abends angekündigte 800-Meter-Lauf endete mit einer Niederlage für den vorher hochgewetteten Weltrekordler David Rudisha. Mit einem unwiderstehlichen Schlussspurt vernaschte der Olympia-Zweite Nijel Amos (Botswana) die versammelte Weltelite in 1:43,77 Minuten. Der Kenianer Rudisha landetet hinter Ayanleh Souleiman (Djibouti; 1:43,93 min) auf Platz drei (1:43,96 min).
Lucas Jakubczyk auf Platz drei im B-Finale
Den Sieg über die im Vorfeld viel diskutierten 100 Meter schnappte sich in Saisonbestzeit der Jamaikaner Kemar Bailey-Cole in 9,96 Sekunden. Mit Wut im Bauch lief indes der deutsche Vizemeister Lucas Jakubczyk im B-Lauf (<link news:36561>wir berichteten). In 10,22 Sekunden wurde er Dritter – eine Zeit die auch im EM-Finale für eben diese Platzierung gefordert war.
„Der Start war wieder mal typisch Jakubczyk – etwas schläfrig“, bilanzierte der EM-Fünfte. Dennoch: „Bis achtzig Metern war es ein runder Lauf, danach wurde es etwas schwer, das Tempo zu halten. Ich hoffe, dass es beim ISTAF ähnlich gut läuft und ich wieder vorne mithalten kann. Mit etwas Rückenwind geht es dann vielleicht auch noch einmal unter 10,20 Sekunden.“
Schnelle Sprints
Bei den Frauen setzte sich die Jamaikanerin Veronika Campbell-Brown in 11,04 Sekunden durch – eine Leistung, die auch mit dem Gesamtsieg der Diamond League belohnt wurde. Auf Platz vier bekräftigte Europameisterin Dafne Schippers (Niederlande) in 11,10 Sekunden ihre Vormachtsstellung im kontinentalen Sprint.
Schnell war auch Alonso Edward. Der Sprinter aus Panama setzte sich in 19,95 Sekunden über 200 Meter durch – die viertschnellste Zeit der Welt in diesem Jahr und die drittbeste Zeit seiner Karriere. Im letzten Rennen schnappte er damit noch dem bis dato führenden Jamaikaner Nickel Ashmeade (Platz 2; 20,01 sec) noch den Jackpot im Diamond Race weg. Über die doppelte Distanz reichten Weltmeister Lashawn Merritt (USA) 44,36 Sekunden zum Sieg – den Jackpot hatte er schon mit Antritt in Zürich sicher.
Hoffa vor Storl
Im Sprint über die Hürden spielte die Olympiasiegerin von 2008, Dawn Harper-Nelson, ihre Favoritenrolle voll aus. Die US-Amerikanerin siegte in 12,58 Sekunden vor der Olympiasiegerin des Jahres 2012, Sally Pearson (Australien; 12,71 sec). Die EM-Dritte Cindy Roleder (LAZ Leipzig) wurde zum Saisonfinale in 13,01 Sekunden Fünfte, die deutsche Meisterin Nadine Hildebrand (VfL Sindelfingen) wurde in 13,04 Sekunden als Sechste gestoppt.
Den Jackpot von 40.000 US-Dollar ließ Kugelstoß-Haudegen Reese Hoffa sich nicht nehmen. Der US-Amerikaner, der als Führender im Diamond Race nach Zürich gereist war, präsentierte sich auf den Punkt fit und stieß mit 21,88 Metern so weit wie noch nie zuvor in dieser Saison. „Dieses Jahr musste ich besonders viel arbeiten, damit alle Puzzlestücke zusammen passen“, sagte der Olympia-Dritte. „Heute hatte ich aber einfach jede Menge Spaß und wurde von tollen Athleten wie Storl gefordert. Da kann ich immer am besten stoßen.“
Gutes Saisonende für deutsche Diskuswerferinnen
Gegen einen Hoffa in Saison-Bestform konnte am Donnerstagabend auch Doppel-Europameister David Storl nicht gegenhalten. 21,47 – Platz zwei für den Chemnitzer. Mit 22-Meter-Stoßer Joe Kovacs (21,43 m) blieb ein dritter Athlet in diesem starken Wettbewerb über der 21-Meter-Marke.
Diskus-Königin Sandra Perkovic (Kroatien) war abermals eine Klasse für sich. Mit 68,36 Metern holte sie sich den Sieg – den Jackpot hatte ihr schon im Vorfeld keine Athletin mehr streitig machen können. Die Mannheimerin Shanice Craft drehte indes die EM-Reihenfolge um. Mit 63,44 Metern (Platz 4) ließ sie die EM-Zweite Mélina Robert-Michon (Frankreich; 62,75 m) einen Platz hinter sich.
Melanie Bauschke fehlt ein Zentimeter zum Podium
Zwischen sie und Perkovic schoben sich jedoch die US-Amerikanerin Gia Lewis-Smallwood (67,32 m) und die ehemalige Weltmeisterin Dani Samuels (Australien; 64,86 m). Die Berlinerin Julia Fischer (61,14 m) und Anna Rüh (SC Neubrandenburg; 60,72 m) landeten auf Platz sechs und sieben. „Mit dieser Leistung kann ich die Saison gut abschließen“, sagte die EM-Fünfte Julia Fischer.
Am Ort ihrer größten sportlichen Enttäuschung – bei der EM war sie im Finale aufgrund einer falschen Messung vor dem letzten Durchgang von Rang drei auf den sechsten Platz korrigiert worden – lieferte Melanie Bauschke knapp zwei Wochen später den achtbesten Wettkampf ihrer Karriere ab. Mit 6,65 Metern sprang die Berlinerin auf den sechsten Platz. Nur ein Zentimeter fehlte auf den dritten Platz. „Ich bin einfach glücklich, dass ich ein so gutes Ende der Saison gefunden habe“, sagte Melanie Bauschke.
Zwei Meter im Hochsprung
Den besten Eindruck hinterließ jedoch die EM-Zweite Ivana Spanovic (Serbien), die mit 6,80 Metern auch die Jahresbeste und Sieben-Meter-Springerin Tianna Bartoletta (USA; 6,76 m) in Schach hielt. Weniger gut zu Recht kam die EM-Vierte Malaika Mihambo (LG Kurzpfalz). 6,37 Meter reichten am Donnerstagabend nur zu Rang neun.
Keinen guten Tag erwischte Hochspringerin Marie-Laurence Jungfleisch. Nur vier Tage nach ihrem dritten Platz in Eberstadt, wo sie mit 1,96 Metern ihre starke Form bestätigen konnte, blieb sie in Zürich bei 1,85 Metern (Platz 10) hängen. Besser machte es Hallen-Weltmeisterin Mariya Kuchina. Die Russin sprang als einzige Athletin an diesem Abend über 2,00 Meter und stellte damit ihre Bestleistung ein.
Enges Finish über 1.500 Meter
In einem hochklassigen Dreisprung-Wettbewerb musste sich Europameister Benjamin Compaoré (Frankreich; 17,45 m) nur Olympiasieger Christian Taylor (USA) geschlagen geben, der mit 17,51 Metern den viertbesten Sprung der Welt in diesem Jahr zeigte.
Mit einem Sturz über die Ziellinie holte sich die US-Amerikaner Jennifer Simpson nicht nur den Tagessieg über 1.500 Meter (3:59,92 min), sondern schnappte Weltmeisterin Adeba Aregawi (Schweden) auch den Sieg in der Diamond League weg, deren Beine an diesem Tag nicht mehr als 4:03,40 (Platz 8) hergeben wollten. Nur eine Hundertstel trennte die WM-Dritte Simpson im Ziel von ihrer Landsfrau, der Olympia-Siebten Shannon Rowbury (3:59,93 min) – es war der engste Zieleinlauf der Diamond League in diesem Jahr.
Meetingrekord über 3.000 Meter Hindernis
Eng war es auch über 5.000 Meter der Männer. Sieger Caleb Ndiku (Kenia) setzte sich im Schlussspurt in 13:07,01 Minuten gegen Mukar Edris (Äthiopien; 13:07,32 min) und US-Boy Galen Rupp (13:07,82 min) durch.
Schnell wie noch nie eine Athletin vor ihr beim Diamond League Meeting in Zürich war die Tunesiern Habiba Ghribi über 3.000 Meter Hindernis unterwegs. Die Olympia-Zweite lieferte in 9:15,23 Minuten die viertschnellste Zeit des Jahres ab. Auf Platz vier stellte U18-Weltmeisterin Ruth Chebet, eine ehemalige Kenianerin im Trikot von Bahrain, in 9:20,55 Minuten einen neuen Asienrekord auf.
Gute Vorstellung des Nachwuchs
Traditionell durfte auch der Nachwuchs Letzigrund-Luft schnuppern. In der Young Diamond Challenge schlug der Mannheimer Patrick Domogala sich über 200 Meter als Zweiter (20,94 sec) achtbar, auch wenn er auf den letzten Metern fest wurde und den Franzosen Pierre Vincent ziehen lassen musste, der in 20,54 Sekunden Bestzeit lief.
Deutschlands jüngste EM-Starterin Franziska Hofmann (LAC Erdgas Chemnitz) rettete sich über 100 Meter Hürden nach einem völlig verstolperten Start als Zweite in 13,15 Sekunden hinter der Niederländerin Nadine Visser (13,11 sec) ins Ziel. „Nach dem Start geht die Zeit in Ordnung. Es war das krönende Finale einer toller Saison für mich.“
Salterberg geht mutig an
U18-Weltmeisterin Anita Hinriksdottir (Island) wurde auf dem letzten Meter über 800 Meter noch von der Niederländerin Sanne Verstegen (2:01,15 min) abgefangen, lief in 2:01,23 Minuten aber Saisonbestleistung. Die Deutsche Meisterin Christina Hering (LG Stadtwerke München) lief in 2:03,47 Minuten auf Platz fünf, die Regensburger 1.500-Meter-Spezialistin Thea Heim wurde Zehnte in 2:10,02 Minuten.
Über 400 Meter Hürden musste die Sechste der U20-EM Christine Salterberg ihrem mutigen Anfangstempo auf der Zielgerade Tribut zollen. Beim Sieg der Schweizer EM-Halbfinalistin Petra Fontanive (57,64 sec) wurde die Kölnerin in 60,11 Sekunden Sechste, einen Platz vor der DM-Fünften Kim Carina Schmidt (LT DSHS Köln; 60,40 sec).
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