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Varg Königsmark brennt auf die Rückkehr

Zusehen, wenn andere eine Schippe draufpacken. Auf die Bremse treten, wenn andere zu Höchstleistungen aufdrehen. Verletzungsphasen treiben Leistungssportler oft bis an den Rand der Verzweiflung – und darüber hinaus. Varg Königsmark kann ein Lied davon singen. Im vergangenen Jahr hätte der Hürdenläufer seine Spikes fast an den Nagel gehängt. Doch pünktlich zum Olympia-Sommer ist die Motivation größer denn je.
Silke Morrissey

Platz sieben bei den Europameisterschaften 2014 in Zürich (Schweiz) über 400 Meter Hürden: Der bislang größte Erfolg von Varg Königsmark in der Aktivenklasse liegt etwas mehr als anderthalb Jahre zurück. Und wer damals genau hingehört hat, der konnte schon im August 2014 spüren, dass der Athlet des SC Magdeburg in einem Zwiespalt steckte.

„Der Erfolg passte eigentlich gar nicht zum Saisonverlauf“, erinnert sich Varg Königsmark. Mit Achillessehnen-Beschwerden hatte er sich bis nach Zürich gequält, auch dort schmerzte die Sehne. Der Finaleinzug mit Bestleistung – eine positive Überraschung nach einer schwierigen Saison, die viel Energie gekostet hatte. Und so fiel der Jubel über Platz sieben verhalten aus. Erschöpfung machte sich breit. Und Zweifel.

Saison 2015 „gegen die Wand gefahren“

Denn die Achillessehnen-Probleme blieben. Varg Königsmark nahm sie mit in die Vorbereitung auf die WM-Saison 2015. Er wollte unbedingt dabei sein in Peking (China) – ein realistisches Ziel mit seiner Bestzeit von 49,12 Sekunden, erzielt im Halbfinale von Zürich. Als Zwölfter hatte er dort im Alter von 22 Jahren an die Top Ten der ewigen deutschen Bestenliste angeklopft.

Im Trainingslager in Florida (USA) nahm seine Trainingsgruppe um 400-Meter-Bundestrainer Marco Kleinsteuber im Frühjahr des vergangenen Jahres Kurs auf die Wettkampf-Saison. „Ich wollte mitmachen“, sagt Varg Königsmark, „aber ich konnte nicht.“ Schließlich musste sich der Hürdenläufer eingestehen: Es hat keinen Sinn. Er brach die Saison ab. „2015 habe ich komplett gegen die Wand gefahren“, sagt er heute. Sowohl körperlich als auch mental. Zu viel hatte sich aufgestaut. „Ich wusste, dieser Zustand würde sich irgendwann entladen.“

„Was macht mich noch aus?“

Fast hätte die deutsche Leichtathletik in dieser Phase eines ihrer großen Talente verloren. Denn der U20-Europameister von 2011, der schon als 19-Jähriger eine Zeit von 49,70 Sekunden erzielt hatte, wollte nicht mehr. Was ist da noch außer dem Sport, habe er sich gefragt. Was macht mich noch aus? „Ich habe mich monatelang nicht im Training blicken lassen“, berichtet Varg Königsmark. Schließlich habe er sogar seinem Trainer mitgeteilt, dass er mit dem Leistungssport aufhören will.

„Der hat cool reagiert“, erinnert er sich. „Er hat gesagt, in seiner Brust schlagen zwei Herzen. Als Trainer fände er es schade, weil ein Riesen-Talent flöten gehen würde. Aber menschlich würde er mich in meiner Entscheidung unterstützen.“ Ähnliche Reaktionen habe er auch aus seinem Umfeld erfahren. „Alle sind relativ entspannt geblieben“, sagt Königsmark. „Die haben gesagt: Mach das, was du für richtig hältst.“ Das habe ihn überrascht – und ein wenig verunsichert.

Schon Plan B geschmiedet

So ganz war die Entscheidung, dem Leistungssport den Rücken zu kehren, dann nämlich doch nicht ausgereift. Auch wenn der Magdeburger, der an der Otto-von-Guericke-Universität Psychologie studiert, sogar schon Plan B im Schrank hatte: „Ich habe viel Musik gemacht im letzten Sommer“, sagt er, „und mich schon nach einem Proberaum und einer Band umgesehen.“

Die Musik – seine zweite große Leidenschaft. Anstelle der Spikes wurde die Gitarre über viele Monate sein steter Begleiter und Nachbarn und Freunde bei Grillpartys seine dankbaren Zuhörer. Lange Haare und ein Rauschebart unterstrichen zudem auch optisch eine neue Phase im Leben von Varg Königsmark.

Nur seine Trainingspartner um die Viertelmeiler Thomas Schneider und Eric Krüger konnte der Hürdenläufer mit seinen Plänen zum Karriere-Ende nicht ganz überzeugen. „Es war krass, ihnen davon zu erzählen“, sagt er. „Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie mir das nie so richtig abgenommen haben.“

Schritt für Schritt zurück auf die Bahn

Sie sollten damit das richtige Gespür bewiesen haben. Denn Schritt für Schritt kehrte Varg Königsmark wieder zurück auf die Bahn. Im September war es noch nur ein Tag Training pro Woche, „da habe ich im Wintersemester viel für die Uni gemacht.“ Den Rhythmus seiner Trainingsgruppe ging er nicht mit, trainierte viel alleine, ein Trainingslager im November und Dezember in Südafrika kam zu früh. „Ich fühlte mich noch nicht so weit.“

Ein erstes Trainingslager auf Teneriffa brachte im Januar 2016 schließlich endgültig die Wende: „Da dachte ich zum ersten Mal: Ok, mindestens die EM kann ich mir vorstellen.“ Und auf einmal war auch die Chance auf Rio im Hinterkopf – und Varg Königsmark kehrte gedanklich zurück in den Leistungssport-Modus.

„Der Kopf war immer sofort da, nur der Körper hat rebelliert“, beschreibt er die zurückliegenden Monate. Der Körper musste sich an die steigenden Intensitäten erst wieder gewöhnen. „Viele Dinge hatte ich ein Jahr lang nicht gemacht.“ Doch diese Probleme kann Varg Königsmark mittlerweile mit größerer Geduld und größerem Verständnis einordnen.

Trainer wird zum Berater

Der Deutsche Vizemeister von 2014 hat sich in den vergangenen Monaten viel mit dem eigenen Körper befasst, gelernt, in sich hineinzuhorchen, sich die Pausen zu gönnen, die der Körper einfordert. Die Achillessehnen-Probleme hat er mittlerweile „ganz gut im Griff“. Die Abstimmungen mit Marco Kleinsteuber bekamen einen neuen Charakter.

„Das ist ein ganz anderes Arbeiten“, berichtet der Hürdenläufer. „Ich habe viel mehr selbst gesteuert, wir sind spontan auf Sachen eingegangen, wir haben andere Serien gemacht, Kleinigkeiten verändert, den Trainingsrhythmus an die Achillessehne angepasst.“ Marco Kleinsteuber schlüpfte von der Rolle des Trainers in die Rolle des Beraters. „Das hat bisher ganz gut geklappt.“

„Lust größer als je zuvor“

So gut, dass Varg Königsmark mittlerweile voller Vorfreude und Optimismus auf die Wettkampf-Saison vorausblicken kann. In Florida (USA), wo im vergangenen Jahr die Entscheidung zum Saison-Abbruch reifte, feilt er jetzt am Feinschliff für den Olympia-Sommer und kann verkünden: „Die Lust ist größer als je zuvor!“

Noch will der 24-Jährige den Anspruch nicht zu hoch formulieren, frei von Druck zurückfinden in die Wettkampf-Routine. Die ersten Rennen sollen Aufschluss geben darüber, wie weit er schon ist auf seinem Weg zurück in die deutsche Spitze. „Natürlich kenne ich meine Trainingsergebnisse. Aber was das im Wettkampf bedeutet? Da bin ich ehrlich gesagt noch voll planlos.“

Eine Zeit wird ihn aber doch begleiten in den nächsten Wochen und Monaten: die Olympia-Norm für Rio (Brasilien; 12. bis 21. August) von 49,40 Sekunden. „Ganz so bescheiden bin ich dann doch nicht geworden“, lacht Varg Königsmark. „Wenn das System wieder hochgefahren ist, ist diese Zeit alles andere als unmöglich.“

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