| Rückblick

Mein Moment: Ein Freitagnachmittag in Vaterstetten

Es war kein Jahr wie jedes andere. Das Virus Covid19 beherrschte die Welt und damit auch die Welt der Leichtathletik. Und dennoch war es ein Jahr, in dem die Menschen nach anfänglicher Schockstarre schnell wieder in Bewegung kamen, kreativ wurden und bewiesen: Keine Krise kann uns aufhalten. Die Redaktionsmitglieder von leichtathletik.de blicken auf ihren persönlichen Leichtathletik-Moment des Jahres zurück. Heute: ein Freitagnachmittag in Vaterstetten.
Silke Bernhart

Es dauert eine Weile, bis ich das Gefühl wieder hervorrufen kann, das mich an diesem Freitagnachmittag in Vaterstetten begleitet hat. Kein Wunder – draußen schneit es, ich hocke seit Stunden in meinem Büro vor dem Laptop, in den Nachrichten dominiert die Ankündigung weiterer Einschränkungen aufgrund der zweiten Welle der Corona-Pandemie, und der Sport ist bereits seit Wochen erneut nur den Profis vorbehalten, die sich in der Hoffnung auf Olympische Spiele durch die Saison-Vorbereitung quälen.

Umso schöner ist es, wenn sich langsam die Erinnerung an die Deutschen Mehrkampf-Meisterschaften doch wieder ihren Weg bahnt. Und besonders jene an den Freitag, an dem die Jugendlichen die Bühne ganz für sich hatten. Zugegeben: Groß war sie nicht, die Bühne. Zuschauer waren nicht zugelassen, und auch das Fernsehen hatte noch nicht mit der Übertragung begonnen. Aber vielleicht war es gerade das, was mich auch rückblickend noch so berührt. Es ging an diesem heißen Spätsommertag allein um den Sport, um die Entwicklung junger Talente und irgendwie auch um das Wiedersehen und das Miteinander so vieler, die für die Leichtathletik brennen und leben. Wie hatte ich das vermisst!

Zurück im "Wohnzimmer"

Da ließ sich schnell darüber hinwegsehen, dass hinter der Mund-Nase-Maske – die permanent getragen werden musste – der Schweiß in Strömen floss. Oder dass man auf die Umarmung bei der Begrüßung verzichten und sich anbrüllen musste, um sich trotz Masken zu verständigen. Und da war auch der Frust der vorherigen Wochen wie weggeblasen, den sicher ein jeder nachvollziehen kann, dem im Home Office bei berufsbedingt permanentem Social-Media-Studium die lautstarke Empörungskultur schwer zu schaffen macht.

Da waren wir also alle wieder zurück in unserem zweiten "Wohnzimmer", auf dem Sportplatz. Und die jungen Athletinnen und Athleten erhielten die Chance zu zeigen, was sie sich unter schweren Bedingungen erarbeitet hatten. Es war ein Signal dafür, dass mit ein wenig Geduld und Rücksicht, ein wenig Kreativität und Flexibilität, mit etwas Mut und Engagement Dinge möglich werden können, die zeitweise außer Reichweite schienen. Und dass nach Phasen großer Unsicherheit auch wieder Wege zurück zur Normalität führen, wenngleich oft einer anderen, neuen.

Dieses Miteinander wünschen wir uns alle heute wieder. Und müssen doch sicher noch eine Weile darauf verzichten. Wie paradox, dass gerade dieser Verzicht uns irgendwann wieder näher zusammenbringen wird. Darauf freue ich mich schon sehr, und daran halte ich mich fest, wenn es im Home Office mal einsam wird und andere nicht nur räumlich meilenweit entfernt scheinen. Denn im strahlenden Sonnenschein auf dem Sportplatz von Vaterstetten hat sich doch wieder gezeigt, was uns alle eint und antreibt – und wofür sich das Durchhalten lohnt.

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