| Interview der Woche

Patrick Schneider: „Mein Ziel ist es, 800 Meter zu laufen – sowohl in Oregon als auch in München"

Gold-Debüt von Patrick Schneider! Bei seinem ersten Meisterschaftsrennen unter dem Hallendach hat sich der Langsprinter vom TV Wattenscheid 01 bei der Hallen-DM am Wochenende in Leipzig nicht nur mit dem Titel dekoriert, sondern auch die Norm für die Hallen-WM in Belgrad geknackt. leichtathletik.de hat mit dem 29-Jährigen über seine Rennen in der Leipziger Quarterback Immobilien Arena, seinen Trainingsalltag und seine Ziele für die Zukunft gesprochen.
Jane Sichting

Im Video: Patrick Schneider krönt Titel mit Ticket nach Belgrad

Patrick Schneider, herzlichen Glückwunsch zum Titel und der Norm für die Hallen-WM!

Patrick Schneider:

Vielen Dank!

Bereits im Vorlauf hatten Sie am Samstag mit starken 46,44 Sekunden die WM-Norm geknackt und ein erstes Ausrufezeichen gesetzt. Mit welchem Gefühl sind Sie in das Finale am Sonntag gegangen?

Patrick Schneider:

Ich wusste, dass ich nichts zu verlieren habe. Da ich die Norm bereits am Samstag abgehakt hatte, konnte ich im Finale entsprechend frei laufen. Wobei ich doch echt nervös war vor dem Lauf. Aber ich wusste auch, dass ich nach der ersten Runde vorne sein muss, weil Marvin Schlegel sehr schnell anrennen kann. Mein Ziel war es daher, als Erster in die zweite Runde zu gehen und dann durchzuziehen. Das habe ich geschafft und bin daher sehr happy.

Wie war es für Sie auf Bahn fünf zu starten und Marvin Schlegel die erste Runde über die ganze Zeit vor sich zu sehen?

Patrick Schneider:

Das war eigentlich perfekt. Ich bin jemand, der lieber die Schnellen vor sich hat und sich an ihnen festsaugen kann. Für Marvin ist das natürlich hart gewesen, allein vorneweg zu marschieren, aber mir hat es in die Karten gespielt.

In der letzten Kurve wurde es noch einmal spannend und Marvin Schlegel ist von hinten an Sie herangelaufen. Haben Sie das gespürt? Bekommen Sie so etwas im Rennen mit?

Patrick Schneider:

Ja, man hört die Schritte und nimmt das schon bewusst war. Auch sieht man den Schatten und ich habe einfach nur gekämpft und mir gesagt: durchziehen, durchziehen, durchziehen! Das ist mir dann auch gelungen.

Im Vorlauf sind Sie eine Hundertstel schneller gelaufen als im Finale. Ärgert Sie das oder spielt die Zeit beim Titelgewinn eher weniger eine Rolle?

Patrick Schneider:

Im Finale geht es darum, den Titel zu holen. Vor allem weil ich die WM-Norm schon in der Tasche hatte, konnte ich dementsprechend locker rangehen. Ich bin heute die erste Runde schnell angegangen und bin mir sicher, dass wenn ich das noch ein bisschen konservativer gestalte, da noch etwas Luft nach oben ist. Es kann vielleicht Richtung 46,2 Sekunden – und wenn alles perfekt läuft, auch Richtung 46,0 Sekunden gehen.

Nun war das Ihr Debüt bei einer Hallen-DM und Ihr Trainingssystem bisher nicht auf eine Hallensaison ausgelegt. Was haben Sie jetzt geändert bzw. wie kam es zu der Entscheidung, es in diesem Jahr einmal anders zu machen und auch Indoor an den Start zu gehen?

Patrick Schneider:

Man muss dazu sagen, dass ich im September letzten Jahres den Trainer gewechselt habe. Für Wettkämpfe in der Halle haben wir uns jetzt entschieden, weil ich im letzten Jahr gar keine Hallensaison gerannt bin, da ich einen Teilriss in der Achillessehne hatte. Dadurch hat mir auch Wettkampfpraxis gefehlt. Zudem bin ich auch dabei, die 800 Meter zu rennen. Die Grundschnelligkeit ist da. Wenn ich das jetzt auf die 800 Meter umgemünzt bekomme, dann bin ich sehr zuversichtlich, dass ich sowohl 400 als auch 800 Meter laufen kann. Aktuell komme ich nur bis etwa 600 Meter. Für den Sommer bin ich aber sehr zuversichtlich.

Wo trainieren Sie denn aktuell und wer ist Ihr neuer Trainer?

Patrick Schneider:

Ich trainiere jetzt bei Georg Schmidt in Frankfurt zusammen mit Marc Reuther in der Mittelstreckengruppe. Die Jungs fordern mich und ich kann mich vor allem über die längeren und umfangreichen Läufe an sie heransaugen. Dann haben wir mit Okai Charles noch den Deutschen U20-Meister über 400 Meter in der Gruppe. Dadurch werde ich sowohl in Überdistanz als auch in der Unterdistanz auf jedem Level gefordert. Dazu hat Georg Schmidt einfach ein Händchen dafür, wie er das Training zu koordinieren hat und wo er den Peak setzt. Ich bin mega dankbar, wohin er mich in nicht einmal einem halben Jahr gebracht hat.

Das Finale am Sonntag war am frühen Nachmittag und hat perfekt in Ihren Biorhythmus gepasst. Wie sieht denn so ein typischer Trainingsalltag bei Ihnen aus, konzentrieren Sie sich ausschließlich auf den Sport?

Patrick Schneider:

Nein, ganz im Gegenteil. Ich arbeite von zu Hause aus in Frankfurt in Teilzeit bei einem Sportartikelhersteller und habe im September ein Fernstudium angefangen. Den Leistungssport mache ich noch nebenbei und habe einen relativ vollen Tag. Dabei bin ich sehr diszipliniert: ich stehe morgens auf und mache etwas für die Uni, arbeite, gehe zum Training, abends stehen dann wieder Aufgaben für die Uni an, dann noch essen und schlafen. Das Ganze geht dann so von Montag bis Freitag. Ab und zu pendle ich dann noch nach Nürnberg, weil meine Freundin dort wohnt. Mein Tag ist also vollgepackt, aber ich brauche den Stress. Denn dann bin ich gefordert.

Blicken wir ein paar Jahre zurück. Sie sind erst 2014 vom Fußball zur Leichtathletik gekommen. Wieso haben Sie sich dann ausgerechnet für die 400 Meter entschieden – eine der wohl härtesten Disziplinen?

Patrick Schneider:

Ja, naheliegend ist das auf den ersten Blick nicht (lacht). Den Fußball habe ich nicht hochklassig gespielt, wusste aber, dass ich schnell bin. Deswegen wollte ich mich einmal mit Leichtathleten messen, da ich mir zu diesem Zeitpunkt nicht vorstellen konnte, dass es jemanden gibt, der schneller ist als ich. Das ist natürlich völliger Quatsch. Aber ich wollte mich mit den Besten messen, habe Gefallen dran gefunden und es zwei, drei Jahre parallel gemacht und mich dann irgendwann für die Leichtathletik entschieden. Die 400 Meter sind nun so eine Hass-Liebe, denn man muss absolut an die Grenze gehen und auch im Training hart dafür arbeiten. Ich bin ein Freund davon, zu testen, wo meine Grenzen sind. Und ich glaube, das kann man über 400 Meter ganz gut rausfinden. Ich liebe einfach diesen Wettkampf-Reiz und bin absolut ein Competition-Typ. Ich lebe für den Sport und auch für die 400 Meter.

2018 waren Sie bereits bei der EM in Berlin dabei, die Hallen-WM in Belgrad werden Ihre ersten Weltmeisterschaften sein. Welchen Stellenwert hat das für Sie?

Patrick Schneider:

Langfristig gesehen ist das ein guter Zwischenschritt und ich kann dort internationale Erfahrung sammeln. Auch wenn vielleicht von den Besten nicht alle in der Halle dabei sein werden. Ein guter Zwischenschritt ist es aber auch in Hinblick auf den Sommer mit der Heim-EM in München und der WM in Oregon. Denn einfach um in die Wettkampf-Routine reinzukommen, kann ich das sehr gut mitnehmen.

Der Unterschied zwischen den 400 Metern in der Halle und draußen ist vor allem, dass Sie in der Halle zwei Runden laufen müssen und im Stadion nur eine. Wirkt sich das auch entsprechend auf die Renneinteilung aus?

Patrick Schneider:

Definitiv. Ich bin einer, der lieber konservativ anrennt. Heute habe ich gezeigt, dass ich auch schnell anrennen kann. Denn in der Halle musst du vorne mit dabei sein. Zum einen, um deinen eigenen Schritt laufen zu können und zum anderen weil du nicht viele Möglichkeiten hast, großartig zu überholen. Vor allem hier in Leipzig sind es sehr kurze Geraden und lange Kurven, da hast du auf der Zielgeraden kaum noch eine Chance, vorbei zu kommen. Im Vergleich zur Freiluftsaison, wenn du deine eigene Bahn und dann die lange Zielgerade hast. Da kann ich dann meine Stärke hintenraus besser ausspielen.

Gibt Ihnen der Erfolg in der Halle dieses Jahr noch einmal zusätzlichen Aufwind für den Sommer, wenn zwei internationale Höhepunkte im Wettkampfplan stehen?

Patrick Schneider:

Ja, definitiv. Die 400 Meter in der Halle mitzunehmen ist, wie gesagt, ein Zwischenziel. Mein Ziel ist es, 800 Meter zu laufen – sowohl in Oregon als auch bei der EM in München. Ob das klappt, weiß man nicht, aber es ist auf jeden Fall mein Ziel. Vielleicht bekomme ich es hin, in den nächsten drei bis vier Monaten über 800 Meter durchzustarten. Vielleicht dauert es auch zwei Jahre. Aber in Paris 2024 sehe ich mich über 800 Meter – möchte aber trotzdem weiterhin Mitglied der 4x400 Meter-Staffel bleiben.

Wie kommt es, dass es Sie perspektivisch doch eher auf die 800 Meter zieht? Hat da auch die Mittelstreckengruppe in Frankfurt einen Anteil daran?

Patrick Schneider:

Ich bin mit dem Ziel nach Frankfurt gegangen, weil ich 800 Meter laufen will. Ich spiele schon länger mit dem Gedanken auf die 800 Meter zu gehen. Was aber nicht bedeutet, dass ich nur diese laufe. Ich will definitiv 400 und 800 Meter laufen. Die Trainingsgruppe spielt da natürlich auch mit rein, mit Georg Schmidt trainiere ich beim Mittelstrecken-Bundestrainer. Aber auf meine alten Jahre möchte ich gern einfach noch einmal etwas Neues ausprobieren. Und wenn man sich die Weltklasse ansieht, die 1:44 oder 1:43 Minuten laufen, dann sind das alles sprintorientierte Läufer, die auch über 400 Meter Zeiten von 46 Sekunden und schneller rennen. Ich glaube, dass wenn ich das übertragen kann, dann kann es auch über 800 Meter richtig schnell werden.

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