| Interview der Woche

Olivia Gürth: "Ich war im Tunnel"

3.000 Meter Hindernis in 9:26,88 Minuten! Olivia Gürth hat am Wochenende bei der U23-EM in Espoo (Finnland) triumphiert. Mit neuem Meisterschaftsrekord und einer Zeit, die Hoffnung macht für die Zukunft: Elf Jahre zuvor war Gesa Felicitas Krause im selben Alter in 9:23,52 Minuten Olympia-Siebte geworden. Die zweimalige Europameisterin gehört zur neuen Trainingsgruppe von Olivia Gürth. Im Interview spricht die 21-Jährige über ihr Gold-Rennen und über die Gründe, sich mit einem Trainerwechsel noch professioneller aufzustellen.
Silke Bernhart

Olivia Gürth, Sie sind schon vor zwei Jahren U20-Europameisterin geworden. Jetzt haben Sie mit neuem Meisterschaftsrekord Gold bei der U23-EM gewonnen – herzlichen Glückwunsch! Hat dieser Titel für Sie eine andere Bedeutung?

Olivia Gürth:
Es sind hier viele gute Erinnerungen wach geworden an den Titel vor zwei Jahren. Aber die U23 ist noch mal ein Stück näher an der Frauenklasse dran. Und hier zu zeigen: Das war kein Ausrutscher, ich bin immer noch vorne in Europa mit dabei – das macht mich wahnsinnig stolz.

Sie haben in den Tagen von Espoo einen extrem konzentrierten Eindruck gemacht. Man merkte: Sie haben was vor… Oder trog der Schein?

Olivia Gürth:
Ich habe gewusst: Das Finale wird anstrengend, es geht aufgrund der Renntaktik der anderen wahrscheinlich auf Bestzeit. Vor dem ersten Rennen war die Nervosität schon da, gerade im Hindernislauf muss man vielleicht auch erstmal einen engeren Vorlauf überstehen. Und seit gestern Abend war ich dann doch schon sehr aufgeregt.

Haben Sie heute gemerkt, dass der Titel in der Luft liegt?

Olivia Gürth:
Ich habe mich von Anfang an an Greta aus Litauen geheftet. Dann hatte ich einen Moment, in dem ich gemerkt habe: Ich kann besser dranbleiben als erwartet. Ich muss so im Tunnel gewesen sein: Als wir zur Glocke gekommen sind, war ich so fest davon überzeugt, dass es noch zwei Runden sind. Ich habe versucht, die Meter zu vergessen und nur von Hindernis zu Hindernis an ihr dranzubleiben. Mit der letzten Runde wusste ich: Ich kann vorbeigehen!

War das Ihre Taktik: Sich auf Ihren Endspurt zu verlassen?

Olivia Gürth:
Ich wusste, wenn ich bis zu einem gewissen Punkt entweder ganz an ihr dran bin oder nur mit einer kleinen Lücke, dann habe ich gute Chancen. Ich komme ja eher von den 800 und 1.500 Metern. Die anderen beiden haben eher die Überdistanz-Leistung auf den 5.000 Metern stehen. Aber: Bis zu dem Punkt musste ich erstmal dranbleiben!

Sie trainieren seit Herbst in Frankfurt in der Trainingsgruppe von Wolfgang Heinig, der unter anderen auch die zweimalige Europameisterin Gesa Krause angehört. Was hat sich seitdem verändert?

Olivia Gürth:
Ich wollte mich einer Trainingsgruppe anschließen, bei der schon gewisse Strukturen vorhanden sind – Strukturen, die durch Gesa aufgebaut worden sind, und auch das Wissen von Wolfgang Heinig als Hindernistrainer mit seinen vielen Erfolgen. Im Januar war ich in Kenia, im März in Südafrika, für den Herbst sind gefühlt schon die nächsten drei Trainingslager geplant. Wir haben mit Maruša Mišmaš auch noch eine starke slowenische Hindernisläuferin in unserer Gruppe, das war für mich aufgrund von Gesas Babypause sehr gut. In den Trainingslagern motiviert das: Zu probieren, wie lange ich mit ihr mithalten kann. Sie ist ja auch schon in der Weltspitze der Aktiven, auf jeden Fall in der europäischen Spitze.

Sie sind nun auch auf dem Sprung dorthin – ist Ihnen das bewusst?

Olivia Gürth:
Letztes Jahr habe ich darum gezittert, über einen der letzten Plätze im Ranking zur Europameisterschaft zu kommen. Jetzt bin ich in der Situation, dass ich schaue, ob ich über das Ranking bei der WM teilnehmen kann! Das zeigt ja schon, dass über den Winter und das Frühjahr der Sprung da ist.

Steht der Sport zurzeit für Sie im Mittelpunkt?

Olivia Gürth:
Aktuell absolviere ich ein Online-Fernstudium. Aber nicht Vollzeit. Ich wollte dem Sport die Chance geben und ihn nicht nur nebenbei laufen lassen.

Mehr: 
Gold und Meisterschaftsrekord – Olivia Gürth phänomenal

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