| Interview der Woche

Arthur Abele: „Wenn der Körper hält, mache ich bis 2020 weiter“

Dritter Streich von „Zehnkampf-König“ Arthur Abele (SSV Ulm 1846) in Ratingen. Mit 8.481 Punkten war der 31-Jährige am Wochenende eine Klasse für sich. Im Interview spricht der Schützling von Christopher Hallmann über seine Leidensgeschichte im Vorfeld, den Gold-Favoriten für die EM in Berlin und warum er in Ratingen nicht einmal 100 Prozent gegeben hat.
Martin Neumann

Arthur Abele, herzlichen Glückwunsch zum Sieg beim Stadtwerke Ratingen Mehrkampf-Meeting mit starken 8.481 Punkten.

Arthur Abele:
Vielen Dank.

Auf den Tag genau vor elf Jahren haben Sie zum ersten Mal in Ratingen triumphiert, der zweite Sieg folgte 2016. Am Wochenende nun der dritte Streich. Welcher Sieg war für Sie der schönste?

Arthur Abele:
Ein Sieg hier in Ratingen ist immer besonders. Aber der schönste Sieg war es für mich 2016. Es war die Krönung meiner Comeback-Saison mit 8.605 Punkten nach dem Achillessehnenriss. Da habe ich mich richtig zurückgekämpft.

Aber auch in den vergangenen Monaten mussten Sie mal wieder Rückschläge hinnehmen …

Arthur Abele:
… ja, das stimmt. Dieses Jahr war sehr speziell mit vielen Ups und Downs. Angefangen hat alles im Dezember mit einer Gesichtslähmung.

Das müssen Sie bitte genauer erklären.

Arthur Abele:
Es war eine einseitige Gesichtslähmung, genannt Faszialisparese. Dabei hatte sich ein Infekt über den Kiefer und das Mittelohr auf meinen Gesichtsnerv hinter dem linken Ohr gelegt. Ich bin morgens aufgewacht und habe gedacht, ich hätte einen Schlaganfall gehabt. Es ging sofort ins Bundeswehrkrankenhaus zur Untersuchung. Dort wurde mir Hirnwasser über eine Kanüle im Rücken entnommen und ausgiebig getestet. Denn es bestand die Gefahr, dass die Lähmung nie wieder weggehen würde.

Wie behandelt man diese Erkrankung?

Arthur Abele:
Ich musste hochdosiertes Kortison nehmen. Dadurch hat sich viel Wasser in meinem Körper angesammelt und ich habe entsprechend zugenommen. Weit über 90 Kilo habe ich da gewogen. Durch das höhere Gewicht ist natürlich die Belastung auf den Bewegungsapparat gestiegen, in der Folge hatte ich wieder Achillessehnenprobleme. Als dann Mitte Februar die anderen Jungs ins Trainingslager geflogen sind, bin ich zu Hause geblieben, um das Problem in den Griff zu bekommen. Wiederum hat Kortison geholfen, nach fünf Tagen konnte ich wieder trainieren. Von diesem Zeitpunkt an konnte ich das Training wieder langsam steigern. Entsprechend zeigte auch die Formkurve Stück für Stück nach oben.

Wollten Sie denn schon Ende Mai in Götzis (Österreich) starten?

Arthur Abele:
Ich wäre gern gestartet, aber ich hatte keine Einladung. Doch so konnte ich drei Wochen länger trainieren und die liefen bombastisch. So habe ich den Weg für den Erfolg in Ratingen geebnet.

Dabei liefen Ihre Test-Wettkämpfe vor Ratingen nicht wie gewünscht.

Arthur Abele:
Ja, die habe ich mir selbst ein wenig versaut. Immer mal wieder kam eine Mini-Verletzung dazwischen. Darum bin ich bei den Test-Wettkämpfen kein Risiko eingegangen. Auch der Zehnkampf in Ratingen war kontrolliert. Wir sind mit Köpfchen an die Sache rangegangen, das hat wunderbar geklappt. Klar hat der Hochsprung mit nur 1,89 Metern ein paar Punkte gekostet. Aber auf den 400 Metern konnte ich es dann wieder retten. Da habe ich gezeigt, dass der „alte Mann“ noch rennen kann (lacht).

Haben Sie sich denn nach den erneuten gesundheitlichen Problemen zugetraut, in Ratingen mit 8.481 Punkten den zweitbesten Zehnkampf Ihrer Karriere hinzulegen?

Arthur Abele:
Die Trainingsleistungen hatten es schon angedeutet. Die waren sogar besser als vor meinen 8.605 Punkten 2016. Natürlich fehlen dann beim Speerwurf vier Meter. Aber wenn es darauf angekommen wäre, hätte ich ja noch zwei Versuche gehabt. Ich bin überzeugt, dass es auch noch Richtung 70 Meter gegangen wäre, wenn es darauf angekommen wäre. Das hat jedenfalls das Training gezeigt. Die Weite kann ich mir ja jetzt aufsparen und weiter Sicherheit gewinnen, damit ich alles in Berlin zeigen kann.

Um es richtig einzuordnen: Sie haben einen Weltklasse-Zehnkampf hingelegt, ohne 100 Prozent zu geben?

Arthur Abele:
Ja, genau. Aber natürlich gab es Disziplinen, da gibt man 100 Prozent. Bei den 100 Metern beispielsweise oder beim Weitsprung. Da hatte ich leider ein paar Probleme mit dem Anlauf und bin als Folge viel zu flach abgesprungen. Man darf aber nicht vergessen, dass bei der EM der Zehnkampf viel länger dauert und somit deutlich mehr Kraft kostet.

Haben Sie sich schon Ziele gesetzt für die <link>EM in Berlin oder ist der Eindruck von Ratingen mit allen Emotionen noch zu frisch?

Arthur Abele:
Ich muss erst einmal verarbeiten, dass es hier in Ratingen wieder so gut geklappt hat. In den kommenden Tagen werde ich in meinen Körper horchen, wie er die zwei Tage verdaut hat. Momentan fühle ich mich gut, aber sicher wird er in den kommenden Tagen schreien. Für mich heißt es für die nächsten Wochen: gut pflegen und gut trainieren. Dann wird man sehen, was in Berlin möglich ist.

Haben die Zuschauer in Ratingen eigentlich den kommenden Zehnkampf-Europameister schon gesehen?

Arthur Abele:
Kevin Mayer ist krass. Auch wenn er in Ratingen nicht alle Disziplinen gemacht hat, führt an ihm kein Weg vorbei. Das Ding ist durch. Wenn er so performed wie hier, hat keiner eine Chance in Berlin. Es war einfach irre, was er abgeliefert hat, à la bonne heure! Bestleistungen über 100 Meter und beim Diskuswurf mit krassen 52,38 Metern, dazu dicht dran an der Bestleistung über 400 Meter, 110 Meter Hürden und mit der Kugel. Ein Über-Tier. Für uns geht es in Berlin nur um die Plätze zwei und drei.

Die so oft zitierte Breite in der Spitze ist allerdings momentan in Deutschland einzigartig. 2018 gab es schon neun deutsche Zehnkämpfer mit 8.000 Punkten und mehr. Mit dreien davon trainieren Sie täglich in Ulm zusammen. Profitieren Sie von der Leistungsdichte im täglichen Training?

Arthur Abele:
Mit Mathias Brugger, Manuel Eitel, der in Ratingen mit 8.121 Punkten ein unglaubliches Ding gemacht hat, und Tim Nowak drängt die Jugend nach. Da profitiert jeder von jedem im Training. Es ist ein Geben und Nehmen in einer tollen Atmosphäre. Darum geht es bei uns auch so ab.

Sie werden kurz vor der EM in Berlin 32 Jahre alt. Spielen die Olympischen Spiele 2020 in Tokio in Ihrer Karriereplanung eigentlich noch eine Rolle?

Arthur Abele:
In jedem Fall. Wenn der Körper hält, soll es Richtung 2020 gehen. Ich glaube, dass ich auch in zwei Jahren noch das Niveau habe, um mitzumischen. Falls aber eine weitere große Verletzung dazwischenkommen sollte, wird es auch bei mir irgendwann eng. Aber nach 2020 ist dann wohl endgültig Schluss.

Mehr:

<link news:63589>Arthur Abele glänzt mit 8.481 Punkten

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