| Große Ziele

Homiyu Tesfaye hat Europarekord im Visier

Für Homiyu Tesfaye hatte die Saison 2014 zwei Gesichter: Einerseits kam er mit 3:31,98 Minuten dem deutschen Rekord über 1.500 Meter sehr nah, andererseits verpasste er bei den Europameisterschaften in Zürich die angepeilte Medaille deutlich. Für die nächsten zwei, drei Jahre kündigt er Großes an: Er will den Europarekord von Mo Farah angreifen.
Christian Ermert

Die Schrecksekunde hat sich eingebrannt ins Sportgedächtnis der Leichtathletik-Fans: Im 1.500-Meter-Finale bei den Europameisterschaften in Zürich ist der Pulk dichtgedrängt auf dem Weg in die letzte Runde. Auf der Zielgeraden bekommt Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg) einen Tritt in die Fersen und stürzt. Die hinter ihm laufenden Athleten müssen ausweichen, kommen aus dem Rhythmus und müssen weite Wege gehen. 

Zu ihnen gehören auch Homiyu Tesfaye (LG Eintracht Frankfurt) und Timo Benitz (LG farbtex Nordschwarzwald). Die beiden deutschen Läufer waren im Vorfeld der EM als heiße Medaillenanwärter gehandelt worden. Ihre Argumente waren ja auch gut: Timo Benitz rannte bei der Team-EM in Braunschweig mit einem unwiderstehlichen Endspurt zum Sieg über 800 Meter, Homiyu Tesfaye war schon Anfang Mai in Doha (Katar) über 1.500 Meter 3:31,98 Minuten gelaufen und hatte den 34 Jahre alten deutschen Rekord von Thomas Wessinghage (3:31,58 min) nur um vier Zehntelsekunden verpasst.

Sturzpech, Sturzglück

Doch nach dem Sturz waren beide aus dem Rennen um die Medaillen, der Franzose Mahiedine Mekhissi-Benabbad war in diesem Moment viel besser positioniert und nutzte das, um sich Gold zu sichern. Zuvor war er nach einem überlegenen Sieg über 3.000 Meter Hindernis disqualifiziert worden. Er hatte sich auf der Zielgeraden sein Trikot ausgezogen, um schon vor dem Zielstrich zu jubeln. Das ist aber nach den Leichtathletik-Regeln verboten.

In der vergangenen Woche trafen der Franzose und Homiyu Tesfaye, der in Zürich am Ende Fünfter wurde, wieder aufeinander. Statt einer sonnenüberfluteten Kunststoffbahn war diesmal das dunkle Rollfeld des ehemaligen Flughafens Tempelhof in Berlin Schauplatz des Treffens. Ihr gemeinsamer Sponsor Nike hatte Journalisten aus ganz Europa eingeladen, um aktuelle Laufschuhe vorzustellen.

Zum Programm gehörte an diesem feuchtkalten Abend auch ein 1.000-Meter-Lauf auf einer Runde über das Rollfeld, auf dem schon lange keine Flugzeuge mehr landen. Mahiedine Mekhissi-Benabbad sollte eine Zeit vorlegen und die Medienleute zum Staunen bringen. Doch kurz nach dem Einstieg ins Wintertraining ließ es der Europameister einigermaßen ruhig angehen und war erst nach 3:18 Minuten im Ziel. Die Zeit wurde von einigen gut trainierten britischen Journalisten in 3:08 Minuten locker unterboten.

Vier Wochen Pause

Homiyu Tesfaye verzichtete gleich ganz auf den schnellen Kilometer auf Beton. „Ich habe nach vier Wochen Pause, in denen ich meinen Verpflichtungen bei der Bundeswehr nachgekommen bin, gerade erst wieder mit dem Training begonnen“, sagt der 21 Jahre alte gebürtige Äthiopier, der aber schon wieder 120 bis 140 Kilometer pro Woche läuft. In der Situation fällt ein schneller Kilometer aber auch einem Ausnahmekönner wie ihm schwer.

Ganz schnelle Läufe will er erst in der kommenden Hallensaison wieder zeigen. Nach einem Höhentrainingslager in Kenia hat er die Hallen-Europameisterschaften in Prag (Tschechische Republik) im Visier, wo er einen erneuten Anlauf für eine Medaille nehmen will.

Taktisch muss er es dann besser machen als in Zürich – wobei er in seine Kritik am Verlauf der 1.500-Meter-Finales von Zürich auch die Teamkollegen Orth und Benitz einschließt: „Wenn man für die Mannschaft arbeitet, hat man viele Chancen“, meint er selbstkritisch, „aber wir drei Deutschen sind alle nur für uns selbst gelaufen. Am Ende hat keiner von uns eine Medaille geholt. Wir hätten mehr zusammenarbeiten müssen.“

Ziel: Drei Sekunden schneller

Trotz der Enttäuschung von Zürich ist der Frankfurter aber nicht unzufrieden mit der Saison: „Ich hätte nicht gedacht, dass ich eine so schnelle 1.500-Meter-Zeit laufe. Das ist eine sehr gute Motivation für 2015.“ Die 3:31,98 Minuten, denen er im letzten Saisonrennen in Brüssel nochmal 3:33,22 Minuten folgen ließ, sollen noch lange nicht das Ende seiner Entwicklung sein. „Wenn ich so weitertrainieren kann wie bisher, ist es möglich eine, zwei oder auch drei Sekunden schneller zu laufen“, kündigte er in Berlin an.

Drei Sekunden? Dann wäre er im Bereich des Europarekordes, den der britische Doppel-Olympiasieger Mo Farah im vergangenen Jahr mit 3:28,81 Minuten aufgestellt hat. Und genau der ist mittelfristig das Ziel von Homiyu Tesfaye. „Zuerst der deutsche Rekord und dann der Europarekord“, beschreibt er seine Karriereplanung. Sein Trainer Wolfgang Heinig habe ihm bescheinigt, dass alles möglich sei – auch Zeiten unter 3:30 Minuten über 1.500 Meter. „Er sagt, dass ich das Talent habe, um mit dem richtigen Training in zwei, drei Jahren so schnell zu sein.“

Training mit US-Amerikanern - und Mo Farah?

Was ihm noch fehlt, ist die richtig starke Konkurrenz im Training. Zu seiner Frankfurter Trainingsgruppe gehören zwar mit Gesa Krause und dem 5.000-Meter-Spezialisten Nico Sonnenberg zwei Athleten aus der deutschen Spitzenklasse, aber beim harten Bahntraining ist er viel zu schnell für die beiden.

„Eigentlich bräuchte ich Trainingspartner, die besser sind als ich. Mein Problem ist, dass ich mich im Training immer gut fühle. Ich laufe ja allein und habe keine Konkurrenz. Im Wettkampf ist das ganz anders. Deshalb suche ich jetzt ganz bewusst schon im Training die Herausforderung“, sagt Homiyu Tesfaye.

Er plant für 2015 gemeinsames Training mit den starken US-Amerikanern. Dafür würde sich besonders das geplante Höhentraining in Flagstaff im US-Bundesstaat Arizona anbieten, das zu seinem Erfolgsrezept gehört. Kenia im Januar, Flagstaff im Frühjahr und die Schweiz im Sommer, das ist die Kette von Höhentrainingslagern, die den Erfolg von Homiyu Tesfaye auch 2015 ausmachen soll. Am liebsten aber würde er dort mit Mo Farah trainieren. „Er hat mir auch schon seine Telefonnummer gegeben“, verrät er.

Irgendwann mal Marathon

Dem Briten eifert er aber auch nach, was die langfristige Karriereplanung anbelangt: Irgendwann will er Marathon laufen. So wie Mo Farah, der bei seinem ersten Ausflug auf die klassische Distanz vergangenes Frühjahr in London 2:08:21 Stunden gelaufen ist.

Dementsprechend begeistert hat Homiyu Tesfaye das tolle Marathon-Debüt von Arne Gabius in Frankfurt verfolgt, das nach 2:09:32 Stunden endete. Und er macht gleich eine Kampfansage an den bislang viertschnellsten Deutschen aller Zeiten über 42,195 Kilometer. „Und dann ist natürlich der deutsche Rekord mein Ziel.“

<link>Quelle: Leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift

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