| Interview

Jörn Elberding: "Es geht langsam wieder bergauf"

Wenige Tage vor der Hallen-DM waren sechs Männer für die Entscheidung im Stabhochsprung gemeldet. Immerhin: Es wurden vier weitere Athleten als Nachrücker zugelassen. Dennoch sieht Bundestrainer Jörn Elberding den Männer-Stabhochsprung in einer Krise. Im Interview erzählt er, wie diese überwunden werden kann.
Martin Neumann

Jörn Elberding, welche Zahl gefällt Ihnen besser: die Sechs oder die Zehn?

Jörn Elberding:

Das kommt darauf an. Wenn es um eine Punktewertung geht die Zehn.

Nicht ganz. Ich meine die Starter bei der Hallen-DM in Karlsruhe. Zunächst waren ja nur sechs Stabhochspringer gemeldet, mittlerweile sind es durch Nachrücker zehn geworden.

Jörn Elberding:

Das stimmt, wir haben bewusst aufgestockt. Nichtdestotrotz haben wir eine Leistungsvorgabe von 5,15 Metern gesetzt. Weiter wollten wir nicht runtergehen. Da wären wir sonst lieber nur mit sechs Athleten gesprungen.

Wenn man diese Zahlen liest: Gibt es in Deutschland eine Stabhochsprung-Krise?

Jörn Elberding:

Ja. Ich hoffe aber, dass wir mittlerweile die Talsohle durchlaufen haben und es langsam wieder bergauf geht. Das zeigen auch die beiden Norm-Erfüller für die Hallen-EM.

Der Absturz nach zwei Olympia-, WM und EM-Medaillen 2012 und 2013 war trotzdem heftig.

Jörn Elberding:

Man muss fairerweise immer schauen, wer springt und wer nicht. Björn Otto ist seit einem Jahr verletzt und ob er zurückkehrt, ist nicht sicher. Weltmeister Raphael Holzdeppe hat technische und mentale Probleme. Malte Mohr hat einen Muskelfaserriss in der Wade, Karsten Dilla einen im Oberschenkel. Tobias Scherbarth hatte Fußprobleme und ist erst verspätet in die Saison eingestiegen. Das sind die fünf Besten, die wir zurzeit haben. Nur Tobias Scherbarth ist von denen momentan auf der Höhe. Würden vier der besten fünf deutschen Diskuswerfer ausfallen, sähe es da noch schlechter aus.

Weltmeister Raphael Holzdeppe musste zuletzt einige „Salto Nullo“ hinnehmen. Beim ISTAF Indoor trat er nach einem völlig verkorksten Einspringen gar nicht an. Dort absolvierte er zahlreiche Sprünge aus zehn Schritten, die alle nicht gelingen wollten. Am Ende saß er kopfschüttelnd auf der Matte. Wie ist er in diese schwierige Situation geraten?

Jörn Elberding:

Jeder Stabhochsprungtrainer weiß, dass so etwas passieren an. Schauen Sie sich Steve Hooker an. Er war vor ein paar Jahren ganz kurz davor, Bubkas Weltrekord zu brechen. Und plötzlich ging gar nichts mehr. Er ist häufig mit einem Ständerabstand von 30 gesprungen, also relativ dicht am Einstichkasten. Damit wird der Sprung riskant, weil immer etwas passieren kann. Irgendwann passte gar nichts mehr zusammen. Als Folge verlor er sein Selbstvertrauen und beendete seine Karriere. Raphael hatte auch schon negative Erlebnisse, beispielsweise ist ihm der Stab beim Sprung einige Male aus der Hand gerutscht. Dazu kamen die Verletzungen. Mir war auch klar, dass seine 5,60 Meter Ende Januar in Rouen noch nicht die Lösung sind. Das hat ja auch das ISTAF Indoor gezeigt. Es fehlen ihm viele, viele Sprünge auf einem hohen Niveau, damit er wieder zurückkommt. Ich habe immer gesagt, dass ich erst im Sommer wieder mit ihm rechne. Trotz allem sind Wettkämpfe im Winter wichtig, um das Selbstvertrauen aufzubauen.

Gibt es so etwas wie einen „Weltmeisterfluch“? Steve Hooker, Weltmeister 2009, hat seine Karriere entnervt beendet, bei seinen Nachfolgern Pawel Wojciechowski und Raphael Holzdeppe läuft wenig zusammen ...

Jörn Elberding:

… das sind drei unterschiedliche Geschichten. Über Steve Hooker haben wir ja schon gesprochen. Pawel Wojciechowski hatte eine sehr komplizierte Verletzung an der rechten Hand. Jetzt hat er dort als Folge ein Überbein, was bestimmt einen Zentimeter herausragt. Unglücklicherweise liegt es genau an der Stelle, wo er den Stab drehen muss. Und eben das Überbein verhindert, dass er den Stab richtig drehen kann. So gehen viele Sprünge daneben. Bei Raphael sehe ich das differenzierter. Er war schon sehr früh sehr erfolgreich, beispielsweise als Olympia-Achter mit 18 Jahren. Danach ging es wieder bergab. Seine Karriere ist generell von absoluten Peaks auf der einen und Tiefen auf der anderen Seite gekennzeichnet. Wichtig ist: Er hat sein Potenzial und sein Talent nicht verloren.

Mit Carlo Paech ist ein „Ruheständler“ zurückgekehrt. Haben Sie ihm das Comeback in Potsdam mit 5,65 Metern zugetraut?

Jörn Elberding:

Nein, 5,50 Meter hatte ich für möglich gehalten, mehr nicht.

Paech ist erst 22 Jahre alt, hatte aber das Abspringen verlernt und aufgehört. Welche Rolle spielt der Kopf beim Stabhochsprung?

Jörn Elberding:

Eine ganz wichtige. Allerdings ist die Sache nicht ganz einfach, psychologische Tricks helfen kaum weiter. Das Selbstvertrauen im Stabhochsprung holst du dir nur über Sprünge mit Wettkampfstäben aus langem Anlauf.

Schauen wir auf den Sommer. Deutschland darf dank Weltmeister Raphael Holzdeppe vier Stabhochspringer zur WM nach Peking schicken. Wird es gelingen, alle vier Startplätze zu besetzen?

Jörn Elberding:

Davon gehe ich aus, sofern Raphael ein angemessenes Niveau erreicht. Wenn er nicht eine Basis von mindestens 5,70 Metern hat, wird er sich kaum Gedanken darüber machen, als Titelverteidiger nach Peking zu fahren. Ich bin mir aber definitiv sicher, dass wir vier deutsche Springer mit Leistungen von mindestens 5,70 Meter diesen Sommer sehen werden und damit vier WM-Starter.

Kommen wir von den Sorgenkindern zum Überflieger: Was macht Weltrekordler Renaud Lavillenie besser als alle anderen?

Jörn Elberding:

Ihm gelingt es, trotz kleiner Verletzungen konstant weiter zu springen. Er kann damit mehr Sprünge auf einem hohen Niveau absolvieren als alle anderen.

Und was können die deutschen Stabhochspringer von ihm lernen?

Jörn Elberding:

Zum Beispiel die Art seines Trainings. Er fängt bei einer Sprungeinheit aus kurzem Anlauf an und geht dann immer weiter nach hinten bis zum Wettkampfanlauf. Ist er müde, geht er wieder nach vorn und macht weitere Versuche aus kurzem Anlauf. So kommt eine sehr große Sprunganzahl zusammen. Diese Trainingsgestaltung werde ich in jedem Fall für meine Gruppe übernehmen. Fest steht aber auch: Kopieren können wir ihn nicht.

Quelle: Leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift

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