| Rasanter Saisoneinstieg

Joshua Hartmann nach Leistungsexplosion bereit für die 400 Meter

Mit seinem 100 Meter-Vorlauf in Weinheim hat Joshua Hartmann am Wochenende alle überrascht. Sein Ziel vor dem Start: eine neue Bestzeit. Das Ergebnis: die schnellste Zeit eines deutschen U23-Athleten seit der Jahrtausendwende. Die 10,16 Sekunden machen dem 19-Jährigen Mut für sein erstes Saisonrennen über die 400 Meter.
Pamela Lechner

Joshua Hartmann war am Samstag in Weinheim im 100 Meter-Vorlauf so schnell unterwegs, dass er bei rund 70 Metern sein Haarband verlor. "Für meine Verhältnisse bin ich relativ gut aus dem Block gekommen und bis 60 Meter technisch gut gelaufen", erzählt der Athlet vom ASV Köln. "Dann war ich kurz am Hadern, mit dem Oberkörper nicht nach hinten zu fallen, weil ich dabei war, mein Haarband zu verlieren." Das brachte ihn aber nur minimal aus dem Tritt, ins Ziel ist der 19-Jährige förmlich geflogen.

Doch ohne sich, wie so viele Sprinter, mit dem Oberkörper über die Ziellinie zu werfen. "Das habe ich mir versucht für die Zukunft abzugewöhnen, stattdessen laufe ich einfach durch", erklärt der Wirtschaftsstudent, der in der zurückliegenden Hallensaison durch den Zieleinwurf seinen Schritt nicht richtig durchzog und so eher an Zeit verlor. Ob es generell sinnvoll ist, sich mit dem Oberkörper über die Ziellinie zu schmeißen, darüber gibt es in der Sprintszene unterschiedliche Meinungen.

Jubel über Bestzeit

Durchgesagt wurden für Joshua Hartmann in Weinheim als Sieger-Zeit rasante 10,16 Sekunden. Daraufhin drehte er eine große Jubel-Runde. Denn er hatte seine Bestzeit soeben um fast vier Zehntel gesteigert: "Ich war über die Zeit schockiert, überrascht und erfreut zugleich." Nach seiner starken 60 Meter-Leistung in der Halle (6,66 sec) hatte er zwar eine Verbesserung erwartet, doch nicht in dieser Größenordnung und nicht gleich im ersten 100 Meter-Rennen. Eingestiegen war er eine Woche zuvor in Dormagen fünf Tage nach dem Trainingslager über 200 Meter in 21,03 Sekunden bei leichtem Gegenwind.

"Mein Ziel war für Weinheim nur, eine neue 'PB' zu laufen, weil ich mich hauptsächlich auf das kommende Wochenende konzentriere. Da starte ich in Belgien über 400 Meter, deswegen bin ich auch zum Finale nicht mehr angetreten", erklärt der Kölner. Die Stadionrunde ist eigentlich seine Spezialstrecke.

Schon zweimal war Joshua Hartmann auf den 400 Metern für eine internationale Meisterschaft nominiert worden, doch zweimal kam er nicht zum Zug. Kurz vor der Abreise zur U20-WM 2018 in Tampere knickte er um und konnte in Finnland nicht eingesetzt werden. Für die Staffel-WM in Yokohama diesen Mai stand er ebenfalls im deutschen Aufgebot, war aber nicht nach Japan mitgereist und hielt sich nur als Ersatz bereit.

Erstes Ziel U23-EM-Teilnahme

In diesem Sommer könnte es für den jungen Studenten, der eine deutsche Mutter und einen aus New York stammenden Vater mit ghanischen Wurzeln hat, mit dem Debüt im Nationalmannschaftstrikot endlich klappen. Erstes Ziel ist die Qualifikation für die U23-Europameisterschaften in Gävle (Schweden; 11. bis 14. Juli), gesund zu bleiben und dort wirklich zu starten. Die 100 Meter-Norm hat er seit Weinheim locker abgehakt, auch über 200 und 400 Meter ist ihm der Richtwert zuzutrauen.

Nach der Leistungsexplosion auf den 100 Metern darf man gespannt sein, was am kommenden Samstag beim international stark besetzten FlandersCup in Oordegem (Belgien; 1. Juni) über die 400 Meter drin ist. "Mal schauen, was ich für eine Zeit laufe", sagt Joshua Hartmann, der auf eine Bestzeit (alte PB: 46,96 sec) hofft. Wenn er seine Palette an Saisonbestzeiten über 100, 200 und 400 Meter voll hat, möchte er entscheiden, auf welche Strecke er dieses Jahr setzt. "Ich muss mir natürlich die Beste raussuchen."

Vorbild Noah Lyles

Bislang verstand sich der 19-Jährige eher als 400 Meter-Läufer. Bereits als Deutscher U16-Vizemeister über 300 Meter blitzte 2014 dort sein Talent auf. Sein Trainer Jannik Engel war 2007 einst selbst als Langsprinter für die U20-EM in Hengelo (Niederlande) nominiert worden. Obwohl es nicht seine liebste Strecke ist, sehen Joshua Hartmann und sein Coach auf den 400 Metern sein größtes Potenzial.

Nach zwei guten Trainingslagern auf Teneriffa (Spanien; März) und in Albufeira (Portugal; Mai) fühlt er sich so bereit wie nie für die Stadionrunde. Bis jetzt hatte er wegen der Länge und extremen Anstrengung großen Respekt davor. "Wenn ich die Strecke noch öfter gelaufen bin, dann kann ich sie bestimmt auch irgendwann leiden", scherzt er. Der Kurzsprint macht ihm mehr Spaß. "Nach den 100 Metern muss man sich nicht auf den Boden fallen lassen, kann einfach weiterlaufen und sich normal umziehen gehen. Man ist nicht so fertig, das ist schon angenehm", sagt der Deutsche U20-Vizemeister über 100 Meter von 2018.

Sein Vorbild ist der aufstrebende Sprint-Stern aus den USA Noah Lyles – weil er für denselben Ausrüster startet und auf den 200 Metern einen extrem starken Endspurt hat. Mit dem er die Konkurrenz auf den letzten 20 Metern noch überholen kann. "Das finde ich super", meint Joshua Hartmann.

Nicht weit zur deutschen U23-Besteistung

Mit seinen 10,16 Sekunden aus Weinheim liegt der in Siegen geborene und in Köln aufgewachsene Leichtathlet nur fünf Hundertstel hinter der deutschen U23-Bestleistung von Sven Matthes (10,11 sec) aus dem Jahr 1989. Seit der Jahrtausendwende war kein deutscher U23-Athlet mehr so schnell wie Joshua Hartmann. Diese Fakten klingen für ihn prächtig, aber es soll kein einmaliges Erlebnis bleiben. "Ich hoffe, dass ich daraus noch viel machen kann und die Zeit nicht nur einmal laufen kann, sonst ist es nichts Besonderes und ich habe nichts davon."

Nach dem 400 Meter-Start in Oordegem ist bis zu den Deutschen U23-Meisterschaften in Wetzlar (15./16. Juni) kein weiterer Wettkampf geplant. Die Strecke bei den nationalen Titelkämpfen der Junioren ist noch offen. Denkbar ist ein Doppelstart über 100 und 200 Meter oder ein Start über 400 Meter.

Noch weit entfernt am Horizont sind in seinem ersten Jahr bei den Erwachsenen die Weltmeisterschaften in Doha (Katar; 27. September bis 6. Oktober), über die er sich momentan keine Gedanken macht. Im Fokus steht die U23-EM. Sein Ziel ist nicht nur die Teilnahme an einer internationalen Meisterschaft. "Mein Traum ist es, dort auch etwas zu gewinnen. Allein das Trikot zu tragen ist super, aber richtig gut wird es erst dann, wenn man im Finale vorne dabei ist." 

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