| Interview

Julia Harting: „Die Akkus sind wieder voll“

Als Mutter von Zwillingen arbeitet Diskuswerferin Julia Harting (SCC Berlin) an ihrem Comeback. Die EM-Zweite von 2016 mit einer Bestleistung von 68,49 Metern möchte sich mit dem Start der Sommersaison im Wettkampf zurückmelden. Im Interview mit leichtathletik.de spricht die 29-Jährige über den Stand ihrer Rückkehr, neue Motivation und neue Herausforderungen.
Jan-Henner Reitze

Julia Harting, es liegt eine ereignisreiche Zeit hinter Ihnen und Ihrem Mann Robert Harting. Ende Mai sind Sie Mutter von Zwillingen geworden. Inzwischen sind Sie schon ein Stück auf dem Weg zurück in den Diskusring gegangen. Wie geht es Ihnen?

Julia Harting:

Mir geht es gut! Der Alltag ist straff organisiert bei uns, aber alles läuft gut. Das Training macht Spaß. Zum Glück haben wir zwei echte Anfänger-Babys. Die beiden sind entspannt, pflegeleicht und machen alles super mit. Natürlich gibt es auch mal schlechtere Tage, aber im Großen und Ganzen schlafen die beiden zum Beispiel gut.

Wie schaffen Sie es, Sport und Kinder unter einen Hut zu bekommen?

Julia Harting:

Ich habe viel Hilfe. Robert investiert viel Zeit in die Kinderbetreuung. Eigentlich sollte es sogar noch mehr sein, aber er ist beruflich mehr eingespannt, als wir dachten. Deshalb geht es nicht ohne Unterstützung von unserer Familie und Freunden. Darauf sind wir angewiesen, aber es klappt gut und wir sind sehr dankbar dafür.

Wie haben Ihre Förderer und Ihr Verein, der SCC Berlin, auf Ihre Babypause als Sportlerin reagiert? Gab es weiterhin eine gute Unterstützung?

Julia Harting:

Mit der Bundespolizei habe ich einen tollen Arbeitgeber. Ich bin finanziell abgesichert und zu hundert Prozent für den Sport freigestellt. Von Anfang an gab es das Signal, dass ich Unterstützung für meine Pläne bekomme, Mutter zu werden. Da ich schon vor dem Ende der zwölf Wochen Mutterschutz nach der Geburt wieder mit dem Training begonnen habe, musste ich auch keine Elternzeit in Anspruch nehmen. Der Verein steht auch voll hinter mir. Das ist wichtig, weil vor Olympia mehr Trainingslager anstehen, die ich als Athletin auch brauche. Zum sowieso schon erhöhten finanziellen Aufwand kommt hinzu, dass mich Robert und die Zwillinge immer begleiten. Das ist mir im ersten Lebensjahr der beiden sehr wichtig. Damit wird das Jahr auch ein persönliches Investment. Aber das ist es mir wert, und es gab ja auch schon Jahre, in denen ich mehr verdient habe.

Haben Sie sich mit anderen Sportlerinnen, die ebenfalls Mutter geworden sind, ausgetauscht? Welche Tipps haben Sie bekommen?

Julia Harting:

Ja, Christina Obergföll hat mir zum Beispiel viel darüber erzählt, wie sie ihren Trainingseinstieg gestaltet hat und mit dem Stillen umgegangen ist. Christina Schwanitz hat mir viele Erfahrungen mitgegeben, welche Besonderheiten es mitbringt, Zwillinge zu haben. Hilfreich zur Seite stand mir auch Dieter Kollark, der sich ja durch Astrid Kumbernuss mit dem Thema Rückkehr nach einer Schwangerschaft auskennt. Gerade seine Unterstützung unterstreicht den Spirit unter den Werfern, schließlich trainiert er mit Claudine Vita eine direkte Konkurrentin von mir, und trotzdem hat er mir geholfen. All diese Tipps waren sehr wertvoll, weil es wenig Erfahrungswerte in dem Bereich gibt.

Wie und wann sind Sie wieder ins Training eingestiegen?

Julia Harting:

Neun Wochen nach der Geburt ging es wieder los. Die wichtigste Person in dieser Zeit war Rehatrainerin Annika Brinkmann am Berliner Olympiastützpunkt. Sie hat mich schon während der Schwangerschaft begleitet und mir auch vorher sehr beim Umgang mit meinen Rückenproblemen geholfen. Es ist Wahnsinn, wie sich Annika in den Sport reindenkt. Mit vielen kleinen Übungen und auch dem Gefühl, welche Steigerungen möglich sind, hat sie achtsam wieder Spannung in meinen Körper gebracht. Wir haben fast jeden Tag miteinander gearbeitet und immer geschaut, was geht und was nicht.

Wie ist Ihr aktueller Stand im Trainingsprozess?

Julia Harting:

Für die Vorbereitung auf die Vorbereitung haben wir uns bis Ende September Zeit gegeben. Im Oktober habe ich Stück für Stück mit dem normalen Training begonnen, wie ich es jedes Jahr gemacht habe. Neben meinem Trainer Marko Badura gibt mir auch Robert Input für die Technik. Er hat sich ein paar spezielle Übungen ausgedacht. Mittlerweile kann ich alle Übungen machen wie in anderen Jahren zu dieser Zeit. Es ist ein schönes Gefühl, dass alle hinter mir stehen und mich auf dem Weg Richtung Tokio unterstützen.

Hat sich durch Ihre neue Lebenssituation auch Ihre Einstellung zum Sport geändert?

Julia Harting:

Nein, nach wie vor gilt für mich: Wenn ich etwas mache, dann richtig. Aber dennoch war die Auszeit vom Sport auch für den Kopf sehr wichtig. Nachdem ich 2016 sportlich ein super Jahr hatte, in dem aber auch viel schief gegangen ist, war ich mental leer. Nach vielen Jahren mit Training auf hohem Niveau hat die Saisonpause einfach nicht mehr gereicht, um sich zu erholen. Jetzt hatte ich die Gelegenheit, mir in Ruhe zu überlegen, ob ich noch voll hinter dem Sport stehe, und konnte viele Dinge hinter mir lassen. Jetzt bin ich wieder voll motiviert, gehe mit Spaß zum Training und kann voll angreifen. Die Akkus sind wieder voll. Dieses Gefühl hatte ich in den letzten beiden Jahren vor der Schwangerschaft nicht in dieser Art.

Welche Ziele setzen Sie sich für Ihr Comeback?

Julia Harting:

Die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio möchte ich auf jeden Fall erreichen. Dafür trainiere ich. Andererseits möchte ich mir etwas den Druck nehmen und mir keine zu hoch gestochenen Ziele setzen. Nicht jeder ist ein Robert, der internationale Titel und Medaillen sammelt. Das bedeutet nicht, dass ich keine Medaille mehr gewinnen möchte. Dafür muss allerdings alles zusammenpassen. Mit den körperlichen Herausforderungen nach der Schwangerschaft und den Zwillingen sind zwei Variablen dazugekommen. Christina Obergföll und Christina Schwanitz haben gezeigt, dass es möglich ist, und ich bin zuversichtlich, dass es mir auch gelingen kann.

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