Die Hallensaison ist vorbei, die Freiluft-Saison naht! Wie genau diese in Zeiten des Coronavirus ablaufen wird, darüber herrscht zurzeit weltweit Verunsicherung. Die Leichtathleten trainieren dennoch weiter fleißig für die Chance, sich bald wieder in Wettkämpfen beweisen zu können. Bereits Ende Februar war dafür eine Läufergruppe in Richtung Kenia aufgebrochen. Heute berichtet die U20-Hindernis-Europameisterin von 2017 Lisa Oed (SSC Hanau-Rodenbach) von ihren Erfahrungen in ihrem ersten Trainingslager mit den DLV-Topathleten. Sie hat dort bis vor Kurzem unter anderem mit der WM-Dritten über die Hindernisse Gesa Felicitas Krause (Silvesterlauf Trier) Kilometer gesammelt.
Es gibt unfassbar viel, was mich hier in Kenia beeindruckt. Am meisten schätze ich das einfache Leben und die Lebensfreude der Einheimischen. Hier gibt es fast ausschließlich Wellblechhütten, die Kinder spielen mit alten Fahrradreifen und strahlen dennoch eine riesige Freude aus. Wenn wir vorbeilaufen, rufen sie "How are you" oder "Mzungo", das ist Suaheli für "Weißer Mensch". Es ist unglaublich, wie viele Läufer man ständig antrifft. Kenia trägt den Namen "Lauf-Nation" offenbar vollkommen zurecht. Auch die Natur ist beeindruckend. Da kommt es schon mal vor, dass man auf der Physio-Liege bei der Behandlung von Physiotherapeutin Birgit Schmidt liegt und eine Affenfamilie vorbeikommt!
Für mich ist es das zweite richtige Höhentrainingslager. Frühstück, erste Einheit, Mittagessen, regenerative Maßnahmen, zweite Einheit, Abendessen, gemeinsames Beisammensitzen und entspanntes Ausklingenlassen des Tages – so sehen hier die meisten Tage aus. An Tagen mit intensiven Einheiten steht vor dem Frühstück schon ein Auftakt an.
Man hat hier keine unnötigen Wege: Eisbad, Fitness-Studio, Physiotherapie und Restaurant sind alle vor Ort. Das Hotel ist klasse – auch wenn mir das ungewohnte kenianische Essen auch einmal auf den Magen geschlagen ist. Da konnte ich mich mit dem Neuartigen nicht zurückhalten. Es gibt aber Buffet und man hat daher für die Ernährung alle Möglichkeiten, auch europäisches Essen. Manchmal tut es trotzdem gut, aus dem "Camp-Alltag" rauszukommen. Dann machen wir einen Abstecher nach Eldoret, erledigen kleine Einkäufe, gehen in ein Café oder veranstalten gemeinsam ein Barbecue. Die Atmosphäre in der Gruppe ist toll!
Von den Top-Athleten wurde ich sehr nett aufgenommen, ich kann unheimlich viel von ihnen lernen. Angereist bin ich mit Gesa Felicitas Krause und Katharina Steinruck, auch die weiteren Marathon-Asse Fabienne Königstein, Philipp Pflieger, Amanal Petros, Hendrik Pfeiffer und Tom Gröschel sind dabei und mit Nils Voigt ein weiterer jüngerer Athlet, der wie ich viele neue Erfahrungen sammelt. Bei den Mahlzeiten sitzen wir immer zusammen, da wurde ich ganz normal aufgenommen, da fühle ich mich als Teil der Gruppe und habe keine Außenseiterrolle.
Iten liegt auf 2.400 Metern Höhe, ich komme gut damit klar. Jeder Körper reagiert anders darauf, deshalb sind die Individualisierung des Trainings und die Erfahrung unserer Trainer Katrin Dörre-Heinig und Wolfgang Heinig hier oben noch wichtiger als ohnehin schon. Wolfgang Heinig hat mir das Angebot gemacht mitzukommen. Zuhause in Frankfurt habe ich manchmal schon lockere Dauerläufe mit Gesa und Katha absolviert, wir wohnen dort nur wenige 100 Meter voneinander entfernt.
In Kenia absolviere ich jetzt fast alle Einheiten gemeinsam mit Gesa. Entweder passen wir dann bei mir die Intensität der Tempoläufe an oder die Streckenlänge, dann rennt Gesa zum Beispiel 400 und ich 300 Meter. Aber es ist klasse zu merken, dass ich dran bin! Gesa und Katha geben mir viele Tipps, ich merke, dass sie viel professioneller arbeiten und erkenne, was bei mir noch ausbaufähig ist. Es tut aber auch gut zu sehen, dass selbst eine Gesa Krause manchmal morgens beim Auftakt um 6:30 Uhr noch nicht topfit ist, das ist nur menschlich.
Das vergangene Jahr war für mich nicht zufriedenstellend, da haben meine Leistungen stagniert, da wollte ich einfach an zu vielen Stellschrauben gleichzeitig drehen. 2020 ist für mich wohl ein Jahr ohne internationalen Höhepunkt, da sollen die Deutschen Meisterschaften der Aktiven und der U23 meine wichtigsten Wettkämpfe werden.
Auf eine Strecke habe ich mich noch nicht festgelegt, ich wäre auch gerne bei der Halbmarathon-DM gestartet, die jetzt abgesagt wurde. Insgesamt setze ich erstmal auf die 5.000 Meter und die Hindernisse, diese Strecken sind im Training gut miteinander vereinbar. 2021 möchte ich dann auch international wieder angreifen, bei der U23-EM und später irgendwann auch bei den Erwachsenen. Geduld und Weitsicht, das ist auch etwas, das ich hier von den Topathleten lernen kann.