| Interview der Woche

Lasse Schmitt: "U20-EM-Medaille wäre ein Traum"

Er ist einfach nicht zu bremsen: Lasse Schmitt (Königsteiner LV) stürmte bei den Deutschen Jugendmeisterschaften über 400 Meter Hürden in 50,23 Sekunden zu einer neuen Bestzeit. Selbst der deutsche U20-Rekord von 49,61 Sekunden, aufgestellt von Harald Schmid (TV Gelnhausen) im Juli 1976, rückt nun plötzlich in seinen Fokus. Im Interview der Woche erzählt der Durchstarter von seiner bisherigen Saison, einer interessanten Parallele zum deutschen U20-Rekord und seinem ersten Einzelstart bei einem internationalen Großereignis.
Sandra Arm

Lasse Schmitt, herzlichen Glückwunsch zum Meistertitel. Das war ein sehr souveräner Sieg von Ihnen. Haben Sie sich das Rennen so vorgestellt?

Lasse Schmitt:
Nicht unbedingt. Ich wusste, dass es sehr schwer wird. Die äußeren Bedingungen, an die man sich im Vorlauf gewöhnen konnte, sie waren anders als vorher im Training oder in den vorherigen Wettkämpfen, wo das Wetter doch deutlich stabiler war. Zusätzlich noch mit dem Gegenwind auf der Gegengeraden, das ist im Training auch schon vorgekommen, aber es ist nochmal was anderes, das im Wettkampf so umzusetzen. Ich wusste, wenn ich richtig gut laufe, die Hürden gut treffe, dass ich hier definitiv gewinnen kann. Ich wusste auch, dass ich starke Konkurrenz habe, und dementsprechend musste alles passen, um zu gewinnen.

Wie hat es sich für Sie über die Hürden angefühlt?

Lasse Schmitt:
400 Meter Hürden ist eine Disziplin, wo es sehr schwierig ist, zehn perfekte Hürden zu treffen. Vor allem am Ende mit der Ermüdung. Dementsprechend sage ich, die Hürden waren gut, manche wie die Erste sogar sehr gut, und andere solide. 

Perfekt war es also noch nicht. Was fehlte dafür?

Lasse Schmitt:
Das sind Kleinigkeiten, die ich probiere bis zur U20-EM in Jerusalem noch anzupassen und umzusetzen. Für meinen jetzigen Leistungsstand war es allerdings ein nahezu  perfektes Rennen.

Im Ziel waberte kurzzeitig mal der deutsche U20-Rekord [49,61 sec; Anm. d. Red.] durch das weite Rund. Der ist aber noch ein gutes Stückchen entfernt. Dennoch ein Ziel?

Lasse Schmitt:
Ich habe mich ehrlicherweise im Vorfeld gar nicht mit dieser Zeit beschäftigt.  Nach der letzten Saison war diese Zeit sehr weit weg für mich. Ich dachte nicht, dass ich diese Saison auch nur in die Nähe dieses Rekordes komme. Der Rekord ist dennoch sehr interessant für mich, weil es gleichzeitig auch der Hessenrekord ist – für mich somit zwei in eins. Er ist für mich trotzdem noch ein gutes Stück entfernt, aber ganz weit weg bin ich nun nicht mehr.

Wenn man sich Ihre Entwicklung in den vergangenen Monaten mal genauer angeschaut, kennt die Leistungskurve mit den Zeiten momentan nur eine Richtung – nämlich nach oben. Wie erklären Sie sich diesen Leistungsschub in diesem Sommer?

Lasse Schmitt:
Ich kann es mir selbst nicht richtig erklären. Über den Winter hat man schon gemerkt, eine Entwicklung ist da. Ich war jetzt den ersten Winter frei von einer größeren Verletzung. In den vergangenen zwei Jahren hatte ich doch im Winter ein paar Verletzungen [2021: Fußprobleme; 2022: Haarriss im Schienbein und Corona], die mich vor allem am Hürden-Technik-Training gehindert haben. Bei der Hürdentechnik ist viel passiert im Winter, was ich dann nach draußen übertragen konnte. Schon im ersten Saisonlauf hat man gesehen, dass es ein enormer Unterschied zum vergangenen Jahr war. Sicherlich ist es über 400 Meter Hürden möglich, sich eine bis anderthalb Sekunden über die Saison zu steigern, was jetzt bei mir der Fall ist. Einfach ist es trotzdem nicht. Das Training schlägt momentan perfekt an. So kann man dann von Wettkampf zu Wettkampf schauen, wo man Kleinigkeiten verbessern kann. Dass es immer so stark funktioniert, hätte ich auch nicht gedacht. 

An welchen Stellschrauben wurde im Winter gedreht, um jetzt mit diesen Zeiten für Furore zu sorgen?

Lasse Schmitt:
Wir haben das Hürden-Technik-Training intensiviert. In gleicher Weise auch die Ansteuerung, die Bewegungskoordination und ein bisschen die Beweglichkeit. Es ging einfach um das Ansteuern der Schwung- und Nachziehbeinbewegung, sodass ein flüssiges Laufen zustande kommt, das, was beim Hürdenlaufen so komplex ist. Zudem habe ich anderes auch nicht vernachlässigt. Läuferisch bin ich ebenfalls sehr gut drauf. Ich habe am Anfang der Saison die EM-Norm über 400 Meter flach abgehakt. Diese Stärke habe ich mir beibehalten. 

Bleiben die 400 Meter Hürden dennoch Ihre bevorzugte Strecke?

Lasse Schmitt:
Da ich im Winter auch viel Hürden trainiert und vorbereitet habe, wusste ich, dass ich da besser werden kann und auch noch nicht mein Leistungslimit erreicht habe. Das hat sich jetzt ausgezahlt. Man hat zwischendurch auch mal geliebäugelt mehr auf die 400 Meter flach zu gehen, vor allem nach dem ich es letztes Jahr als Ersatzläufer geschafft habe, mit der Mixed-Staffel bei der U20-WM im Einsatz zu sein.

Da hat man schon im Hinterkopf, wenn ich über die 400 Meter auch so stark bin, da könnte man das Training dahingehend auch mehr angehen und vielleicht mal eine Saison umschwingen, um zu schauen, was auf dieser Strecke möglich ist. Aber ich habe die Herausforderung über die Hürden immer angenommen, ich wollte immer weiter Hürden trainieren, weil es mir einfach viel Spaß macht. Dementsprechend bin ich immer drangeblieben und habe nie gesagt, die 400 Meter die wären komplett etwas für mich. 

In europäischen Ranking haben Sie mit ihrer Siegeszeit aus Rostock den zweiten Platz gefestigt [Anm. d. Red. Am selben Tag rannte der Finne Jere Haapalainen 50,22 Sekunden und verdrängte Lasse Schmitt auf Rang drei]. In Richtung U20-EM geschaut, zählen Sie mit zu den Medaillenkandidaten. Nehmen Sie diese Rolle an?

Lasse Schmitt:
Das muss ich mit mir selbst ausmachen. Vor der Saison habe ich klar gesagt, ich möchte einen Einzelstart über die Hürden und wenn es geht eine Zeit unter 51 Sekunden. Da hat mich der Bundestrainer angeschaut und meinte, es würde mich freuen, wenn du es schaffst, aber ganz überzeugt schien er davon noch nicht zu sein. Nach dem ersten Rennen habe ich meine Zielstellung klar verändert: Ich möchte ins Finale kommen. Diese Zielstellung hatte ich bis zum heutigen Wettkampftag.

Jetzt muss ich neu überlegen, ob ich diese Zielstellung verändere. Es ist natürlich ein Traum von mir, in Jerusalem eine Medaille zu gewinnen. Wenn man alles perfekt umsetzt, könnte es klappen. Meine letztendliche Zielstellung, das Weiterentwickeln in diesem Jahr, diesen großen Sprung zu machen und diesen internationalen Einzelstart zu haben, das habe ich mir schon erfüllt. Alles andere ist Zugabe.

Pflegen Sie Wettkampfrituale?

Lasse Schmitt:
Es gibt ein paar Rituale beim Warmmachen wie spezielle Übungen, die einem helfen. Diese Saison ist es der Armsleeve am linken Arm geworden, der mich bei den Rennen begleitet. Er gibt mir einfach ein gutes Gefühl. Ich habe es einfach mal ausprobiert, das hat mir gefallen und somit ist es zu einem kleinen Ritual geworden. Ansonsten sind es meine Eltern, die bei fast allen Wettkämpfen dabei sind. Selbst als ich in Belgien gelaufen bin, da waren sie vor Ort. Das ist zwar kein Ritual, aber es sind doch zwei Glücksbringer, die immer an meiner Seite sind. In Jerusalem unterstützen sie mich von zuhause aus, aber diese Unterstützung nehme ich trotzdem für mich mit. 

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