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Joshua Abuaku – Langfristiger Plan geht auf

© Gladys Chai von der Laage
In Kassel haben im vergangenen Sommer zehn Athletinnen und Athleten erstmals bei Deutschen Meisterschaften ganz oben gestanden. Dazu zählen viele junge, neue Gesichter in der DLV-Spitze. Wir stellen sie vor. Heute: Langhürdler Joshua Abuaku (Eintracht Frankfurt).
Jan-Henner Reitze

Joshua Abuaku
Eintracht Frankfurt

Bestleistung:
400 Meter Hürden: 48,12 sec (2023)

Erfolge:
WM-Achter 2023
EM-Fünfter 2022
Siebter World University Games 2019
Silber U20-EM 2015

Erster Deutscher in einem WM-Finale über 400 Meter Hürden seit 1987, Platz zwei in der ewigen DLV-Bestenliste und der erste deutsche Meistertitel: Joshua Abuaku ist in diesem Sommer in der Weltspitze angekommen. Hinter diesen Erfolgen steckt jahrelange Trainingsarbeit und ein kontinuierlicher Aufstieg in kleinen Schritten. Der nahm im vergangenen Jahr trotz einer Verletzung richtig Fahrt auf. Privat kam in diesem Jahr mit der Geburt seiner Tochter eine neue Lebenssituation dazu, die bei dem Frankfurter zusätzliche Energie für den Sport freisetzt.

Im bevorstehenden Olympia-Jahr möchte der Sportsoldat sein verlässlich konstantes Niveau noch etwas verbessern, auch bei den Spielen in Paris (Frankreich; 1. bis 11. August) in den Endlauf einziehen und vorher bei der EM in Rom (7. bis 12. Juni) um die Medaillen mitlaufen. Außerdem strebt der 27-Jährige eine Zeit unter 48 Sekunden an, die ihn dem deutschen Rekord von Harald Schmid (47,48 sec) näher bringen würde.

Von den Bundesjugendspielen bis zur Medaille bei der U20-EM

Der Schulsport hat den heutigen Leistungssportler in seiner Heimatstadt Oberhausen zur Leichtathletik gebracht. In der Grundschule nahm er regelmäßig an den Bundesjugendspielen teil. „Da habe ich mich das ganze Jahr am meisten drauf gefreut“, erzählt Joshua Abuaku in unserem Podcast #TrueAthletes – True Talk. „Ich habe auch immer bei einem Waldlauf für Schüler aus ganz Oberhausen mitgemacht und bin dabei in der dritten Klasse Achter geworden.“ Alexandra Klein lud ihn daraufhin zum Probetraining beim Oberhausener Turnverein ein, Stammverein des LAV Oberhausen. Seitdem ging der damalige Grundschüler regelmäßig bei ihr zum Training.

Im Mehrkampf lieferte der junge Athlet in allen Disziplinen solide Leistungen ab, war in seiner Altersklasse auf nationaler Ebene aber nicht ganz vorne dabei. Die Langhürden waren es, die ihm in der Altersklasse M15 den ersten Eintrag in der DLV-Jahresbestenliste einbrachten. 2011 legte der damals 15-Jährige die 300 Meter Hürden in 42,53 Sekunden zurück und belegte damit Rang 19 in seinem Jahrgang in Deutschland. Inzwischen unter Trainer Heinz-Werner Belke rückten seitdem die Hürden in den Mittelpunkt.

In seinen U18 und U20-Jahren arbeitete sich Joshua Abuaku immer weiter nach oben. 2012 nahm er in Mönchengladbach erstmals an Deutschen Jugendmeisterschaften teil und lief in den Zwischenlauf über 110 Meter Hürden. Ein Jahr später erreichte er über 400 Meter Hürden sein erstes Finale einer Jugend-DM und wurde in Rostock Fünfter in der Altersklasse U18 (54,35 sec). Im ersten U20-Jahr lief er in Wattenscheid mit Silber über 400 Meter Hürden (53,09 sec) zu seiner ersten Medaille auf nationaler Ebene.

2015 eröffneten die Steigerung auf 51,42 Sekunden beim Sieg bei der Jugend-DM in Jena sowie Silber bei der U20-EM in Eskilstuna (Schweden; 51,46 sec) die Möglichkeit, den Weg in Richtung Leistungssport einzuschlagen. Der Abiturient nahm an der Deutschen Sporthochschule Köln ein Studium in Sportwissenschaften auf, gewann in den Jahren 2016 und 2017 jeweils den deutschen U23-Titel in Wattenscheid (51,39 sec) und Leverkusen (50,93 sec). Außerdem stand er im Halbfinale der U23-EM in Bydgoszcz (Polen), wo er seine Bestzeit auf 50,79 Sekunden steigerte. Trotz fortschreitender Leistungsentwicklung reichte das aber noch nicht zum ganz großen Durchbruch.

Wechsel nach Frankfurt folgen weitere Lehrjahre

Um sein Ziel einer internationalen Karriere zu verwirklichen, setzte der damals 21-Jährige noch einmal neu auf den Leistungssport, bekam einen Platz in der Sportfördergruppe der Bundeswehr und schloss sich der Trainingsgruppe von Bundestrainer Volker Beck in Frankfurt an. In der trainierten damals mit Luke Campbell und Georg Fleischhauer zwei der besten DLV-Athleten auf der Langhürden-Strecke. Den erhofften schnellen Aufstieg in die nationale Spitze und ins internationale Geschäft der Männerklasse hatte dieser Schritt allerdings nicht zur Folge.

„Volker Beck hat einen langfristigen Plan verfolgt. Ich musste mir erst nochmal neu eine Basis erarbeiten, von der ich heute sehr profitiere und deshalb viele Rennen auf konstant hohem Niveau abliefern kann“, erzählt Joshua Abuaku. „Das hat mir in meinen ersten Jahren in Frankfurt natürlich Geduld abverlangt, die sich aber absolut ausgezahlt hat.“ In kleinen Schritten ging nun im Trikot von Eintracht Frankfurt die Bestleistung runter bis auf 49,49 Sekunden im Jahr 2019. Ausgebremst wurden die Fortschritte vom Coronajahr 2020, das keine Steigerung brachte.

Der nächste Karriereschritt war die Olympia-Teilnahme 2021, die sich der Bachelor-Absolvent über das World Ranking sicherte. In Tokio (Japan) bewies der damals 26-Jährige wie schon mehrmals zuvor, dass er beim Saisonhöhepunkt performen kann. Im Vorlauf näherte er sich in 49,50 Sekunden bis auf eine Hundertstel seiner Bestzeit und zog ins Halbfinale ein. Dieses Erlebnis gab wieder einmal neue Motivation, den sportlichen Weg weiterzuverfolgen.

Aus Verletzung heraus plötzlich internationale Spitzenklasse

Unter scheinbar ungünstigen Umständen gelang dann im vergangenen Jahr mit EM-Platz fünf und einer deutlichen Steigerung endlich der Durchbruch in die internationale Klasse. Nachdem der Trainingsaufbau mit intensiven Belastungen und ohne Störungen vielversprechend verlaufen war, zog sich Joshua Abuaku Ende Mai einen Muskelabriss am Adduktor zu. Statt angestrebter WM-Qualifikation und Deutschen Meisterschaften war über Wochen nur lockeres Training möglich, in der Hoffnung, doch noch in die Wettkampfsaison einsteigen zu können.

Rund sechs Wochen später war die Verletzung ausgeheilt und ohne große Erwartungen ein Rennen in La-Chaux-de-Fonds (Schweiz) möglich. Die Uhr blieb völlig überraschend schon nach 48,80 Sekunden stehen. Damit war die drei Jahre alte Bestzeit um sieben Zehntel unterboten. Die unfreiwillige Trainingspause hatte sich nicht negativ ausgewirkt. Stattdessen kam es zu einem für den Langhürdler vergleichsweise ungewöhnlich großen Leistungssprung.

Und glücklicherweise gab es mit der Heim-EM in München noch einen zweiten internationalen Höhepunkt, der noch bevorstand. Dort fehlte mit neuer Bestzeit (48,79 sec) und Rang fünf nur eine Hundertstel zur Bronzemedaille. Beim ISTAF folgte mit der Steigerung auf 48,55 Sekunden eine weitere Bestätigung des neuen Niveaus.

2023 vorläufiger Höhepunkt der Karriere

Wie in bisher fast jedem Jahr seiner Laufbahn, konnte Joshua Abuaku auch in der zurückliegenden Saison wieder ein wenig auf sein Leistungsniveau draufpacken. Der Unterschied war, dass er damit nun zu den Top-Athleten weltweit zählte. Nachdem er sich in einer Tausendstel-Entscheidung bei der DM in Kassel gegen Constantin Preis (VfL Sindelfingen; 48,45 sec) durchgesetzt hatte, bewies er bei der WM in Budapest (Ungarn) wieder, dass er beim Saisonhöhepunkt seine beste Leistung abrufen kann. 48,32 Sekunden im Vorlauf folgten 48,39 Sekunden im Halbfinale und 48,53 Sekunden beim achten Platz im Finale.

„Das Training ist auf die Großevents ausgerichtet, und nach sonst übers Jahr gesehen hohen Trainingsumfängen kann ich dort ausgeruht an den Start gehen“, erklärt der WM-Finalist. „Ich habe dabei großes Vertrauen in die Trainingsplanung von Volker Beck, der sich besonders vor dem Saisonhöhepunkt auch mit mir austauscht und fragt, welche Belastungen ich noch für richtig halte.“ Ausgeruht ging der Deutsche Meister auch nach der WM beim ISTAF an den Start und steigerte seine Bestleistung erneut auf 48,12 Sekunden. Der einzige Deutsche, der in der Geschichte der 400 Meter Hürden noch schneller war, war der Deutsche Rekordhalter Harald Schmidt (47,48 sec).

Olympia-Finale und 47er-Zeit nächste Ziele

Obwohl sein Jahr so viele Erfolge gebracht hat, hätte sich Joshua Abuaku eine noch bessere Zeit zugetraut. Die 47 vor dem Komma soll aber nur aufgehoben sein und ist das erklärte Ziel für das kommende Jahr. Auch den deutschen Rekord hat der 27-Jährige im Blick. Und er will der noch stärkeren internationalen Konkurrenz, angeführt von Weltrekordler Karsten Warholm (Norwegen; 45,94 sec), ein weiteres Stück näher kommen.

„Was die Zeiten angeht, möchte ich mich in diese Richtung orientieren“, so der DLV-Athlet. „Ansonsten habe ich inzwischen meinen eigenen Weg gefunden, den ich in meiner Disziplin verfolge, und schaue nicht auf andere.“ Das zahlt sich aus und soll im kommenden Jahr im Olympia-Finale gerne etwas weiter nach vorne als Rang acht führen.

Video-Interview: Joshua Abuaku: "Ich wusste - ich muss alles reinlegen"

Das sagt Bundestrainer Volker Beck:

Joshua hat seit seiner Olympia-Teilnahme 2021 eine kontinuierliche Entwicklung vollzogen. Er ist das siebte Jahr bei mir in der Trainingsgruppe und ein Athlet, der sehr zielorientiert und diszipliniert arbeitet. Seine Einsatzbereitschaft ist hoch. Er hat Geduld bewiesen und immer an sich geglaubt. Die harte Arbeit hat sich ausgezahlt und trägt jetzt Früchte. Er ist eine Frohnatur und hat sich seine positive Grundeinstellung immer bewahrt.

Das Ergebnis in München hat ihn im vergangenen Jahr noch einmal neu motiviert. Wenn man so knapp an Bronze vorbeiläuft, ist es im ersten Moment bitter, dann aber doch auch ein großer Ansporn. Außerdem zieht er sehr viel Kraft daraus, dass er Ende März Vater geworden ist. Ich muss zugegeben, dass ich in diesem Zusammenhang auch Bedenken hatte. Junge Eltern müssen gut organisiert sein. Das sind Joshua und seine Frau. Unterschätzt habe ich, wie viel Energie Joshua daraus zieht. Dazu kam, dass er ohne Störungen trainieren konnte. Das hat den Grundstein für die Entwicklung in diesem Jahr gelegt.

Mit Blick aufs nächste Jahr denke ich an die nächste Schallmauer der 48-Sekunden-Marke und nicht unbedingt an den deutschen Rekord, aber solche Gedanken sollten sich im Kopf eines Athleten nicht manifestieren. Für Joshua ist wichtig, dass er seine Lockerheit beibehält. Seine Leistungsstabilität bei der WM war sehr hoch mit drei Leistungen unter oder im Bereich seiner alten Bestleistung. Das ist sehr wichtig, um auch bei Olympia bestehen zu können.

 

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