| Interview der Woche

Joshua Abuaku: "Ich will meine eigene Geschichte schreiben"

Mit dem Sieg in neuer Bestzeit (48,12 sec) beim ISTAF Berlin hat 400-Meter-Hürden-Spezialist Joshua Abuaku (Eintracht Frankfurt) den perfekten Schlusspunkt unter eine erfolgreiche Saison gesetzt, in der nahezu alles erreicht hat, was er sich für diese vorgenommen hatte. Im Interview verrät der WM-Achte, wieso das Familienglück als Papa wichtiger ist, als jede Nacht achteinhalb Stunden Schlaf zu bekommen, und was im nächsten Jahr von ihm zu erwarten ist.
Jane Sichting

Joshua Abuaku, herzlichen Glückwunsch zu diesem erfolgreichen Rennen in Berlin. War es für Sie der perfekte Saisonabschluss?

Joshua Abuaku:
Das war auf jeden Fall der perfekte Abschluss. Aber ich sehe es immer auch ein bisschen 50:50. Zum einen ist es geil, mit so einer persönlichen Bestleistung die Saison zu beenden. Auf der anderen Seite bin ich wahrscheinlich in der besten Verfassung meines Lebens und wer weiß, wie weitere Rennen nächste Woche ausgesehen hätten. Was wäre vielleicht noch drin gewesen? Unterm Strich ist es jetzt aber ein Top-Ergebnis gewesen und ich bin rundum zufrieden. Genau so habe ich mir den Saisonabschluss vorgestellt.

Auffällig war Ihr gutes Stehvermögen auf der Zielgeraden. Noch zu Beginn der Saison hatten Sie eher das schnelle Angehen als Ihre Stärke ausgegeben – was hat sich nun geändert, dass Sie das hohe Tempo auch noch hinten raus halten können?

Joshua Abuaku:
Ich glaube, dass ich dieses Jahr etwa zehn Rennen gemacht habe, und ein Rennen Ende Mai oder Anfang Juni fühlt sich einfach ganz anders an als eines Anfang September. Vor allem nach den drei Rennen in Budapest, die auf sehr hohem Niveau waren, fühlt es sich nicht mehr ganz so anstrengend an, wie noch die ersten Rennen im Jahr. Auch der Rhythmus fühlt sich besser an, ich habe ein besseres Stehvermögen und die Rennen sind sehr stabil.

Nicht zuletzt mit Platz acht bei der WM in Budapest haben Sie bewiesen, dass Sie international vorn mitmischen können. Heute haben Sie in einem internationalen Feld gewonnen. Was ist im kommenden Jahr noch möglich?

Joshua Abuaku:
Ich habe viele Gold-, Silber- und Bronze-Meetings gemacht und würde mich nächstes Jahr auch gern in der Diamond League präsentieren. Ich habe gezeigt, dass ich auf Weltklasse-Niveau vorne mitlaufen kann, und jetzt geht es darum, sich auf diesem Level weiter zu präsentieren. Und für mich gilt: Je stärker die Konkurrenz, desto mehr Lust habe ich, gegen sie zu rennen. Weil ich zeigen will, dass ich genauso gut mitlaufen kann – oder auch gewinnen. Das Ziel ist auf jeden Fall das Olympia-Finale. Ich war jetzt in einem WM-Finale, und die Konkurrenz bei den Spielen wird wahrscheinlich eine ähnliche sein. Daher möchte ich das mit dem Finaleinzug gern wiederholen und im Optimalfall nicht nur Achter werden, sondern weiter nach vorne laufen.

Nach den 48,12 Sekunden haben Sie sich ein bisschen geärgert, dass die 47 noch nicht vor dem Komma stand. Wie haben Sie das Rennen beim ISTAF selbst wahrgenommen, haben Sie gewusst, dass Sie der magischen Marke so nahe kommen?

Joshua Abuaku:
Ich glaube, dass es ein sehr, sehr solides Rennen war. Ich bin mit meinem Rhythmus perfekt durch- und zu jeder Hürde sehr gut hingekommen. Und ich bin mir sicher, dass es in den nächsten ein oder zwei Rennen hätte klappen können, wenn wir noch voll in der Saison wären. Aber ich bin jetzt seit Mitte Mai auf Wettkämpfen unterwegs, und irgendwann ist auch mal gut, dann ist ein gewisses Limit erreicht. Persönlich habe ich fast alle Ziele erreicht, die ich mir vorgenommen habe, und es ist für mich eine riesige Motivation, die Saison so zu beenden und zu wissen, da geht im nächsten Jahr definitiv noch mehr.

Das Rennen in Berlin war auch sehr emotional für Sie – 2009 saßen Se zusammen mit Ihrer Mutter noch im Publikum, heute stehen Sie selbst als Vater einer kleinen Tochter auf der Bahn und begeistern die Fans auf der Tribüne. Mit welchem Gefühl sind Sie im Olympiastadion über die Hürden gelaufen?

Joshua Abuaku:
Das war ein super gutes Gefühl, selbst da zu stehen. Mit 15 oder 16 Jahre hätte ich mir das niemals erträumen können, habe meiner Mutter damals immer gesagt: „Da will ich auch mal hin“ – auch wenn ich meilenweit davon entfernt war. Es nun geschafft zu haben, ist eine tolle Belohnung für die harte Arbeit, dass sich der jahrelanger Prozess auszahlt. Und ich weiß, dass mein Weg noch lange nicht vorbei ist.

Das Jahr ist zwar noch nicht vorbei, aber dennoch ein kurzer Rückblick: Sie sind im April erstmals Vater geworden, haben den Titel bei den Deutschen Meisterschaften gewonnen, standen im WM-Finale und haben nahezu von Rennen zu Rennen Ihre persönliche Bestleistung steigern können. Würden Sie von sich selbst sagen können: „Das war mein Jahr“?

Joshua Abuaku:
Definitiv! In den letzten zwölf Monaten ist eine Menge passiert und ich habe alle Ziele erreicht, die ich mir nach der EM in München mit meinem Trainer gesetzt hatte, fast alles ist aufgegangen. Unterm Strich war es meine beste Saison und es hat dieses Jahr extrem viel Spaß gemacht. Ich würde sagen, dass ich rundum zufrieden bin. Erst kürzlich habe ich mit meinem guten Freund Kevin Ugo darüber gesprochen, dass ich zwar nicht jede Nacht super geschlafen habe und das nicht optimal für die Regeneration ist. Aber auf der anderen Seite muss man einfach wissen, dass einem Familie und das Familienglück so viel zurückgibt. Das ist dann manchmal mehr wert, als jede Nacht achteinhalb Stunden zu schlafen. Es muss einfach ein gewisses Gleichgewicht herrschen, und das war in diesem Jahr auf jeden Fall da.

Gleichermaßen ist das private Glück nur eines der Puzzleteile, die zu Ihrem Erfolg gehören. Nach der WM gab es viel Kritik an der Leichtathletik und dem Sportsystem in Deutschland. Wie sieht das bei Ihnen aus, welchen Weg haben Sie eingeschlagen?

Joshua Abuaku:
Generell muss man sagen, dass ich super Voraussetzungen habe und über die Jahre nicht nur Unterstützung von der Bundeswehr erhalte, sondern auch über eigene Förderer. Das ist aber keine Selbstverständlichkeit, und längst nicht bei jedem läuft das so optimal. Ich bin mit meinen Rahmenbedingungen rundum zufrieden – ich habe ein tolles Trainerteam und eine tolle Gruppe. Wichtig ist es vor allem, dass junge Athleten ausreichend unterstützt werden und sich ohne sozialen Druck bewusst für den Sport entscheiden können. Ich hatte das Glück, dass ich Ende 2017 einen Platz in der Sportfördergruppe bei der Bundeswehr bekommen habe und somit auch in der Gruppe von Volker Beck in Frankfurt trainieren durfte. Von da an konnten wir uns von Jahr zu Jahr stetig weiterentwickeln, das ist ein langer Prozess. Aktuell kann ich mich voll und ganz auf den Sport konzentrieren, bin nur Sportler und Papa. (lacht) Das ist anstrengend genug. Im letzten Jahr habe ich im Oktober meine Bachelorarbeit abgegeben, den Master will ich auch noch machen, aber das ist dann ein Thema, mit dem ich mich nach den Olympischen Spielen beschäftigen werde.

Ein weiterer Kritikpunkt in der medialen WM-Bilanz war, dass Deutschland keine Medaillen gewonnen hat. Selbst bei Ihnen wurde trotz des erstmaligen Finaleinzugs eines deutschen 400-Meter-Hürden-Läufers seit 36 Jahren davon gesprochen, dass Sie „nur“ auf Platz acht gekommen sind. Ärgert Sie das?

Joshua Abuaku:
Achter Platz bei einer WM – unterm Strich ist mir die Kritik egal. Weil ich weiß, wie viel mir das bedeutet und was für ein harter Weg es gewesen ist, erst einmal dahin zu kommen. Und letztlich ist es nur noch einmal mehr Motivation für mich, denn auch wenn ich momentan Platz acht in der Welt bin, weiß ich, dass da noch mehr möglich ist. Und dafür werde ich weiterhin hart arbeiten.

Bevor die harte Arbeit für die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Paris beginnt, geht es für Sie in den wohlverdienten Urlaub. Wie lange werden Sie sich jetzt eine Auszeit gönnen?

Joshua Abuaku:
Mit meinem Coach habe ich vereinbart, dass ich jetzt bis zum 4. Oktober mehr oder weniger gar nichts mache. Also ab und zu ein bisschen bewegen schon, aber möglichst wenig (lacht). Am 10. Oktober geht dann das Training in der Gruppe wieder los, von da an ist alles auf Paris ausgerichtet und wir werden viele Trainingslager machen und unterwegs sein. Mitte Mai werden wir voraussichtlich in die Saison einsteigen.

Wenn wir über die 400 Meter Hürden sprechen, gibt es an einem Namen kaum ein Vorbeikommen: Karsten Warholm. Haben Sie persönlich Kontakt zu ihm, gibt es da einen Austausch? Als Weltrekordhalter gilt er für viele als unerreichbar ...

Joshua Abuaku:
Ich glaube aktuell ist er noch besser, aber nicht unerreichbar. Er ist nicht unbesiegbar. Was ich diese Saison gemerkt habe, ist ein gewisser Respekt, den ich von den Konkurrenten bekomme,  und dass auch Karsten Warholm einen Konkurrenten in mir sieht. Es ist einfach mehr Austausch da, aber wir sind keine „best friends“. Grundsätzlich orientiere ich mich aber nicht an anderen. Im Endeffekt will ich meine eigene Geschichte schreiben und es ist cool, mein eigenes Ding zu machen.

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