| Trauer in der Leichtathletik

Marathon-Weltrekordler Kelvin Kiptum stirbt bei Autounfall

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Der schnellste Marathonläufer der Geschichte ist tot: Der 24-jährige Kenianer Kelvin Kiptum starb am späten Sonntagabend bei einem Autounfall in der Nähe von Kaptagat im westlichen Hochland Kenias. Auch sein Trainer Gervais Hakizimana kam bei dem Unfall ums Leben.
Jörg Wenig

Kelvin Kiptum hatte die Marathon-Weltspitze im Sturm erobert und eine Serie von Leistungen erzielt, wie man sie über die klassische Distanz noch nie gesehen hat. In seinem dritten Marathon stellte der 24-Jährige am 8. Oktober Oktober in Chicago (USA) mit 2:00:35 Stunden den aktuellen Weltrekord auf und nahm Kenias Superstar Eliud Kipchoge die Bestmarke ab. 2024 sollte ein Jahr werden, in dem Kelvin Kiptum – einer von mehreren Welt-Leichtathleten des Jahres 2023 – Sportgeschichte schreiben wollte. Es war das Ziel des Kenianers, beim Rotterdam-Marathon am 14. April als erster Läufer in einem regulären Rennen unter zwei Stunden zu laufen. Bei den Olympischen Spielen in Paris wäre er im August als Favorit an den Start gegangen.

Doch am Sonntagabend wurde Kelvin Kiptum auf tragische Weise aus dem Leben gerissen. Wie kenianische Medien mit Bezug auf Aussagen der Polizei berichten, saß Kelvin Kiptum selbst am Steuer eines Toyota Premio und fuhr in Richtung Eldoret. Offenbar ohne dass ein anderes Auto beteiligt war, verlor der Weltrekordler die Kontrolle über den Mittelklasse-Wagen, kam von der Straße ab, prallte gegen einen Baum und landete schließlich in einem Graben. Wie die Zeitung „The Nation“ berichtet, waren Kelvin Kiptum und sein aus Ruanda stammender Trainer Gervais Hakizimana, der als Beifahrer neben ihm saß, auf der Stelle tot. Demzufolge überlebte eine hinten im Auto sitzende Frau den Unfall in dem völlig zerstörten Wagen. Sie kam mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus in Eldoret.

Früher Start in die Straßenlauf-Karriere

Kelvin Kiptum stammte aus der Ortschaft Chepkorio, die nicht weit weg von Kaptagat und Eldoret liegt. Er wuchs in einer Farmer-Familie auf und half seinen Eltern bei den Arbeiten mit dem Vieh. Aus der Gegend kommen etliche kenianische Weltklasseläufer. Chepkorio ist auch der Heimatort des mehrfachen Halbmarathon- und Crosslauf-Weltmeisters Geoffrey Kamworor, der für Kelvin Kiptum zum Vorbild wurde. Schon als 13-Jähriger begann er mit dem Lauftraining, schloss sich der Trainingsgruppe von Kamworor an und lief bereits einen Halbmarathon in Eldoret. Dabei belegte er den zehnten Platz.

In der Folge trainierte er mit Gervais Hakizimana, der damals selbst noch aktiv war und später dann die Rolle des Trainers übernahm. Als 18-Jähriger gewann Kelvin Kiptum die Halbmarathonrennen in Eldoret und Kakamega. Bald darauf, im Frühjahr 2019, startete er zum ersten Mal in Europa. Dabei konzentrierte sich Kelvin Kiptum sofort auf die Straßenrennen. In einem Gespräch mit World Athletics erklärte er, dass er gar keine Möglichkeit hatte, auf einer Bahn zu trainieren, da es einfach keine in der Nähe seines Ortes gab. Der klassische Weg über die Bahn-Langstrecken zum Marathon kam für ihn daher gar nicht in Betracht.

Phänomenale Marathon-Auftritte

Noch vor 15 Monaten konnte man mit dem Namen Kelvin Kiptum nicht viel anfangen. Er war einer von vielen kenianischen Topläufern. Zwar hatte er 2020 in Valencia (Spanien) mit 58:42 Minuten eine hochklassige Halbmarathon-Bestzeit erreicht, doch nichts deutete darauf hin, dass er im Marathon auf Anhieb in Bereiche vordringen könnte, die für Eliud Kipchoge reserviert schienen.

Beim Valencia-Marathon 2022 gewann er überraschend und stürmte zunächst zu einem inoffiziellen Debüt-Weltrekord von 2:01:53 Stunden. In seinem zweiten Marathon kam er bei einem famosen Sieg in London (Großbritannien) im vergangenen April bis auf 16 Sekunden an Eliud Kipchoges Weltrekord (2:01:09 h) heran. Kelvin Kiptum lief 2:01:25 Stunden, nachdem er die zweite Hälfte des Rennens in 59:44 Minuten gelaufen war, und erzielte die zweitschnellste je gelaufene Zeit. „Ich glaube, er ist Kipchoge 2.0“, sagte Martin Keino – der Sohn von Kenias Lauf-Legende Kip Keino arbeitet nach seiner eigenen Lauf-Karriere als Journalist – damals gegenüber „BBC Sport Africa“.

In seinem dritten Marathonrennen stürmte Kelvin Kiptum dann in Chicago zum Weltrekord von 2:00:35 Stunden. Nach einer ersten Hälfte von 60:48 Minuten lief er den zweiten Abschnitt in 59:47 Minuten. Kelvin Kiptum schien das Potenzial zu haben, die Marathon-Schallmauer von zwei Stunden, die Eliud Kipchoge in einem nicht Rekord-konformen Rennen 2019 in Wien (Österreich) durchbrochen hatte (1:59:40,2 h), auch in einem offiziellen Lauf unterbieten zu können.

Große Bestürzung weltweit

Der Tod von Kelvin Kiptum hat große Bestürzung in der Sportwelt ausgelöst. Er sei "zutiefst traurig über den tragischen Tod" seines Landsmannes und einst großen Rivalen, schrieb Lauf-Ikone Eliud Kipchoge am Montag auf seinen Social-Media-Kanälen. Kiptum sei ein Athlet gewesen, "der ein ganzes Leben vor sich hatte, um eine unglaubliche Größe zu erreichen". Für den viermaligen Olympiasieger Mo Farah (Großbritannien) war Kiptum mit einem "besonderen Talent" gesegnet, "und ich habe keinen Zweifel, dass er eine unglaubliche Karriere gehabt hätte".

"Ein unglaublicher Athlet hinterlässt ein unglaubliches Vermächtnis, wir werden ihn sehr vermissen", sagte World Athletics Präsident Sebastian Coe in einer Mitteilung. Auch Präsident Thomas Bach vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zeigte sich tief erschüttert: "Wir hatten uns darauf gefreut, ihn bei den Olympischen Spielen Paris 2024 in der olympischen Gemeinschaft willkommen zu heißen und zu sehen, was der schnellste Marathonläufer der Welt erreichen könnte."

Der kenianische Sportminister Ababu Namwamba schrieb bei X, vormals Twitter: "Kenia hat ein besonderes Juwel verloren." Die Regierung des ostafrikanischen Landes wolle mit Kiptums Familie die Details der Beisetzung besprechen und den Läufer als Nationalhelden würdigen, kündigte Namwamba an. Kenias Präsident William Ruto bezeichnete Kiptum als einen "Helden", dessen mentale Stärke und Disziplin unerreicht gewesen seien.

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