Bei der Hallen-DM in Leipzig haben sechs Athletinnen und Athleten erstmals einen Titel auf nationaler Ebene gewonnen. Wir stellen sie vor. Heute: 400-Meter-Läufer Jean Paul Bredau (SC Potsdam).
Jean Paul Bredau
SC Potsdam
Bestleistung:
400 Meter: 44,96 sec (2023)
Erfolge:
WM-Siebter 2023 (Mixed-Staffel)
6. U20-WM 2018 (Staffel)
Deutscher Hallenmeister 2024
Sein Talent für die Leichtathletik hat er vergleichsweise spät entdeckt. Das brachte Jean Paul Bredau direkt in die DLV-Nachwuchsspitze und zur U20-WM. Doch nach zwei Jahren, in denen es nur nach oben ging, geriet der Aufstieg ins Stocken. Der Potsdamer ging einige Umwege und traf harte Entscheidungen, bis er im vergangenen Sommer als erster deutscher 400-Meter-Sprinter seit 20 Jahren die 45 Sekunden unterbot.
In der zurückliegenden Hallensaison stürmte der 24-Jährige zu seinem ersten nationalen Titel in der Männerklasse. In Leipzig stellte er dabei mit 45,95 Sekunden einen Meisterschaftsrekord auf. Schlüssel zu diesen Erfolgen sind der Wechsel in die starke Trainingsgruppe von Sven Buggel sowie die komplette Fokussierung auf den Sport. Nächste Ziele sind die Olympia-Qualifikation mit den Staffeln bei den World Relays, das Einzelfinale bei der EM sowie das Halbfinale bei den Olympischen Spielen.
Mit Turnschuhen über 1,88 Meter
In seiner Kindheit in Potsdam kam Leichtathletik lange nicht vor. „Ich habe auch nie an Bundesjugendspielen teilgenommen“, erzählt Jean Paul Bredau. Stattdessen spielte er regelmäßig Volleyball als Hobby. Erst als der damalige Zehntklässler in der Schule mit seinen klobigen Turnschuhen im Hochsprung 1,88 Meter überwand, wurde er auf die Idee gebracht, zum Sichtungstraining für die Sportschule Potsdam zu gehen.
Dort klappte es mit dem Hochsprung zwar nicht mehr so gut. Eine handgestoppte Sprintzeit über 150 Meter unter 17 Sekunden sicherte aber dennoch die Aufnahme. Und so begann der damals 17-Jährige im Herbst 2016 auf seiner neuen Schule mit dem Training und war gleich mittendrin in der erfolgreichen Gruppe von Frank Möller. Der war Teil der DDR-Staffel über 4x400 Meter, die bei Olympia 1988 in Seoul (Südkorea) auf Rang vier lief und 1985 in 2:59,86 Minuten den bis heute gültigen deutschen Rekord aufstellte.
Rasante Entwicklung in der U20
Bei seinen ersten Wettkampfversuchen nach drei Monaten Training absolvierte Jean Paul Bredau im Dezember 2016 die 60 Meter in 7,30 Sekunden und die 800 Meter in 2:13,98 Minuten. Quasi mit jedem weiteren Rennen stieg der Quereinsteiger in eine neue Leistungsklasse auf. Noch im gleichen Winter qualifizierte sich der damalige U20-Athlet in 22,78 Sekunden für seinen ersten Einzelstart bei einer Jugend-Hallen-DM über 200 Meter. Im Sommer 2017 lief er bei der Jugend-DM in Ulm bereits im 400-Meter-Finale in 48,77 Sekunden auf Rang sechs.
Dass er damit einen regelrechten Raketenstart in seiner neuen Sportart hinlegte, fiel ihm gar nicht so auf. „In der Sportschule konnte ich gleich ein gutes Trainingspensum fahren. Das hat zu dieser Leistungsentwicklung geführt“, blickt der Athlet des SC Potsdam zurück, der sich damals sofort in das hohe Niveau seiner Trainingsgruppe einfügte. Dafür stehen auch gemeinsame Staffelerfolge wie 2017 der U20-Titel über 4x400 Meter (3:17,33 min) im Rahmen der DM in Erfurt.
In seinem zweiten U20-Jahr gewann Jean Paul Bredau über 400 Meter schon drinnen und draußen Gold bei der Jugend-DM, steigerte seine Bestzeit bis auf 46,71 Sekunden, erreichte bei der U20-WM in Tampere (Finnland) im Einzel das Halbfinale und lief mit der Staffel, in der auch Trainingspartner Justus Ringel dabei war, auf Rang sechs (3:07,80 min).
Holprige Jahre wegen Knie-Problemen und Corona
Mit dem Aufstieg in die U23 wurde die Entwicklung ausgebremst. 2019 fiel die Hallensaison wegen einer Arthroskopie am Knie aus. Statt Aufbautraining waren Reha und Geduld gefragt. Unter diesen Umständen reichte es zu einer Saisonbestzeit von 46,96 Sekunden und einem Einsatz im Staffel-Vorlauf bei der U23-EM in Gävle (Schweden).
2020 verhinderte Corona gezieltes Training. „Uns standen weder Kraftraum noch Bahn zur Verfügung. Wir haben im Wald oder auf Feldwegen trainiert“, erinnert sich Jean Paul Bredau. Ergebnis war eine 47,49 Sekunden als Saisonbestzeit in der Late Season.
Um neben dem Sport auch eine berufliche Perspektive zu verfolgen, begann der 400-Meter-Läufer nach seinem Abitur ein Studium bei der Landespolizei Brandenburg. Damit verbunden waren Präsenzveranstaltungen am Ausbildungs-Campus in Oranienburg und damit auch Fahrwege.
Olympia-Teilnahme und erste DM-Medaille bei den Männern
Dass mit vollem Training mehr möglich ist, zeigte das Jahr 2021, in dem es mit der Steigerung auf 46,10 Sekunden wieder aufwärts ging. In dieser Zeit lief Jean Paul Bredau bei der DM in Braunschweig zu Silber und damit zu seiner ersten DM-Medaille in der Männerklasse. Coronabedingt ohne Zuschauer war er dann auch Teil der DLV-Staffel über 4x400 Meter bei den Olympischen Spielen in Tokio (Japan).
Das folgende Jahr verlief dagegen wieder schleppend. „Meine Trainingsgruppe löste sich mehr und mehr auf. Nach der Schule haben langjährige Trainingspartner aufgehört. Zum Schluss waren wir nur noch zu zweit. Das waren keine optimalen Voraussetzungen.“ Bei den Deutschen Meisterschaften reichte die Saisonbestzeit von 46,98 Sekunden gerade so fürs Finale. Dann ging auch noch Trainer Frank Möller in Rente. Sein verbliebener Schützling musste sich überlegen, wie es für ihn weitergehen sollte.
Neustart ohne Polizei-Studium
Jean Paul Bredau beschloss, alles auf den Sport auszurichten. Dafür brach er sein Studium ab. „Es war nicht möglich, beides unter einen Hut zu bringen: hochwertiges Training und Landespolizei.“ Neue sportliche Impulse sollte der Wechsel in die Berliner Trainingsgruppe von Sven Buggel bringen. Hier war mit vielen leistungsstarken Athletinnen und Athleten Dynamik geboten, wie es sie lange Zeit auch in Potsdam gegeben hatte.
Der Wechsel war auch mit neuen Trainingsinhalten verbunden. Zum Beispiel wird jetzt das ganze Jahr über an der Schnelligkeit gearbeitet, Ausdauereinheiten fielen dafür weg. „Ich mache auch mehr Krafttraining als früher, auch nach Tempoläufen. Wir arbeiten auch mehr an der Lauftechnik, damit man sich beim Sprinten besser trifft.“
Sommer bringt Leistungsschub
Da im Januar ein Muskelfaserriss die Wettkampfvorbereitung störte, schlugen sich die Änderungen in der Hallensaison 2023 noch nicht in Resultaten nieder. Der Einstieg in die Sommersaison war dann aber schon so schnell wie nie zuvor. Mit neuer Bestzeit (46,07 sec) im Gepäck ging es zur DM nach Kassel, wo beim Lauf zu Silber erstmals die 46-Sekunden-Marke fiel (45,67 sec). Die Staffel-Leistungen bei der WM in Budapest (Ungarn), unter anderem mit dem siebten Platz der Mixed-Staffel (3:14,27 min), deuteten darauf hin, dass sogar eine weitere Bestzeit möglich ist.
Zum Saisonabschluss beim ISTAF in Berlin konnte Jean Paul Bredau dann nicht nur den über den ganzen Sommer mit reihenweise starken Zeiten auftrumpfenden Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund; 45,05 sec) knapp hinter sich lassen, sondern unterbot auch als erster DLV-Athlet seit Ingo Schultz im Jahr 2002 die Marke von 45 Sekunden. 44,96 Sekunden bedeuteten gleichzeitig die Direkt-Norm (45,00 sec) für die Olympischen Spiele in Paris (Frankreich; 1. bis 11. August). Eine perfekte Motivation, um den nächsten Aufbau genauso akribisch anzugehen.
Winter nach Plan und mit Meisterschaftsrekord
Die Wettkämpfe im Winter zeigten, dass die Entwicklung von Jean Paul Bredau weiter voranschreitet und das Training anschlägt. Nach der Hallen- und absoluten Bestzeit über 200 Meter (21,39 sec) Mitte Januar folgten unter freiem Himmel im Trainingslager in Südafrika erfolgreiche Tests über 300 Meter (32,63 sec) und 400 Meter (45,78 sec). Zurück in Deutschland, lief der 24-Jährige bei seinem einzigen Hallenstart des Winters über 400 Meter bei der Hallen-DM in Leipzig in 45,95 Sekunden zu seinem ersten DM-Titel und verbesserte den 43 Jahre alten Meisterschaftsrekord von Hartmut Weber um eine Hundertstel.
Als zusätzliche Sicherheit neben dem Sport, die dennoch viel Freiraum fürs Training mit sich bringt, erfolgte Anfang Februar die Aufnahme in die Sportfördergruppe der Bundeswehr.
World Relay, EM und Olympia stehen vor der Tür
Die Hallensaison soll nur eine Durchgangsstation auf dem Weg zum höhepunktreichen Sommer gewesen sein. Schon bei den World Relays in Nassau (Bahamas; 4./5. Mai) soll die Form stimmen. Denn die jeweils besten 14 Teams dieses Wettkampfs sichern sich einen Startplatz für die Olympischen Spiele. Jean Paul Bredau möchte dazu beitragen, dass der DLV sowohl über 4x400 Meter der Männer als auch in der Mixed-Staffel bei Olympia dabei ist.
Für einen Einzelstart bei der EM in Rom (Italien; 7. bis 12. Juni) sind schon alle formalen Voraussetzungen erfüllt. „Dort möchte ich gern ins Finale einziehen. Das wird hart, aber nicht unrealistisch“, sagt der Athlet des SC Potsdam. Für einen Olympia-Einzelstart fehlt ihm noch die Bestätigungsnorm (45,45 sec). „In Paris wäre es ein Erfolg für mich, im Einzel ins Halbfinale einzuziehen.“
Video-Interview: Jean Paul Bredau: "Neue Reize im Training schlagen gut an"
Video: Jean Paul Bredau knackt 46 Sekunden und Meisterschaftsbestzeit
Das sagt Bundestrainer Volker Beck: |
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Jean Paul ist ein zielorientierter, offener Athlet, der offensichtlich sein optimales Umfeld in Berlin unter der Leitung von Sven Buggel gefunden hat. Nach vielen Rückschlägen hat er sich zu einem Top-Athleten entwickelt. Seine Leistungsentwicklung im WM-Jahr und der kürzlich in Leipzig errungene Hallenmeistertitel mit Meisterschaftsbestleistung geben berechtigte Hoffnung auf eine leistungsstarke Saison mit einer Vielzahl von spannenden Herausforderungen.
Zunächst gilt die volle Konzentration auf die World Relays mit Zielstellung der Qualifikation der Langsprintstaffeln für die Olympischen Spiele. Zur EM in Rom gilt es für Jean Paul, über das Turnier seine individuelle Leistungsfähigkeit zu stabilisieren und erfolgreich abzuschließen, um mit dem nötigen Rückenwind in Richtung Olympische Spiele zu gehen.
Das Team der 4x400 Meter Staffel ist sich einig, das große Ziel ist das Olympiafinale. Um dieses Ziel zu erreichen, ist Jean Paul in Bestform gefragt. Einen ersten Schritt hat er in beeindruckender Weise vollzogen. Die Vorbereitung im Trainingslager in Südafrika gemeinsam mit einem Großteil der Staffelkandidaten ist bei optimalen Bedingungen planmäßig verlaufen.