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Tokio 2025 | Die große WM-Vorschau auf die Entscheidungen der Frauen II

© Gladys Chai von der Laage
Vom 13. bis 21. September finden in Japans Hauptstadt Tokio die Leichtathletik-Weltmeisterschaften statt. Insgesamt 49 Goldmedaillen werden im Nationalstadion vergeben. Wir blicken voraus auf alle Entscheidungen. Heute im Fokus: Die Sprung-, Wurf- und Stoß-Wettbewerbe der Frauen sowie der Siebenkampf und die Staffeln.
Martin Neumann

WM Tokio 2025


Hochsprung

Offenes Rennen mit zwei DLV-Trümpfen

Yaroslava Mahuchikh dominierte in den vergangenen Jahren den Frauen-Hochsprung. Gleich acht internationale Titel heimste die Ukrainerin seit 2021 ein. Doch in dieser Saison läuft es nicht so rund für die 23-Jährige. Bei fünf Wettkämpfen musste sie sich 2025 geschlagen geben. 2024 wurde sie lediglich bei einem Wettkampf, der Hallen-WM, besiegt. Doch zuletzt bewies Yaroslava Mahuchikh mit 2,02 Metern beim Diamond-League-Finale in Zürich (Schweiz) aufsteigende Form.

Die Weltklassehöhe reichte allerdings „nur“ zu Platz zwei hinter Hallen-Weltmeisterin Nicola Olyslagers. Mit den in Zürich erzielten 2,04 Metern führt die Australierin die Weltbestenliste an. Bei drei weiteren Wettkämpfen im Sommer meisterte sie außerdem Zwei-Meter-Höhen. Eine Konstanz auf Weltklasseniveau, die sonst nur Yaroslava Mahuchikh bieten kann.

Hinter den beiden Top-Favoritinnen haben vier weitere Hochspringerinnen 2,00 Meter übersprungenen, drei davon starten in Tokio. darunter Christina Honsel (TV Wattenscheid 01). Die 28-Jährige hat sich im Verlaufe der Saison ein stabil hohes Niveau erarbeitet. Bei ihren fünf letzten Starts kam Christina Honsel auf eine Durchschnittshöhe von 1,95 Metern. Höhepunkt war natürlich ihre Zwei-Meter-Premiere Anfang August in Heilbronn. Ebenfalls mit 2,00 Metern im Gepäck reisen die Britin Morgan Lake und Yuliya Levchenko (Ukraine) an.

Wie Christina Honsel in Heilbronn sprang auch Imke Onnen (Cologne Athletics) mit 1,98 Metern eine neue Bestleistung. Erst 2,00 Meter waren in Heilbronn zu hoch für die 31-Jährige. Damit rangiert sie in der Tokio-Meldeliste auf Rang sechs. Bereits zum Saisonauftakt in Essen hatte sie 1,97 Meter gemeistert. Damit startet ein DLV-Duo aussichtsreich in Tokio. Überstehen beide die Qualifikation, könnte im Finale mit möglichst wenig Fehlversuchen bei niedrigen Höhen viel möglich sein.

Titelverteidigerin: Yaroslava Mahuchikh (Ukraine; 2,01 m)
Jahresbeste: Nicola Olyslagers (Australien; 2,04 m)
DLV-Teilnehmerinnen: Christina Honsel (TV Wattenscheid 01), Imke Onnen (Hannover 96)


Stabhochsprung

Zentimeter-Krimi in luftiger Höhe

Die Stabhochsprung-Entscheidung verspricht eine große Portion Spannung. Denn eine echte Top-Favoritin hat sich in diesem Jahr noch nicht herauskristallisiert. Ohne Druck tritt auf jeden Fall Katie Moon an. Die US-Amerikanerin holte 2021 den Olympiasieg und wurde in den beiden Folgejahren Weltmeisterin. Die 34-Jährige weiß also, wie man sich bei großen Meisterschaften behauptet. Außerdem ist in diesem Sommer mit 4,85 Metern keine andere WM-Starterin höher gesprungen als Katie Moon.

Dieselbe Saisonbestleistung bringt Molly Caudery mit nach Tokio. Regelmäßig meisterte die Britin außerdem Höhen von 4,80 Metern. Deutlich inkonstanter sind die Leistungen bei Amanda Moll (USA) gewesen. Mit erst 20 Jahren ist das auch nicht verwunderlich. Zu welchen Leistungen der Youngster fähig ist, bewiese sie in der Hallensaison mit 4,91 Metern. Auch mit Fünf-Meter-Springerin Sandi Morris (USA) ist immer zu rechnen.

Eine Medaillenkandidatin für die Schweiz ist Angelica Moser. Die 27-Jährige reist mit einer Saisonbestleistung von 4,80 Metern nach Tokio. Allerdings wechseln sich bei ihr mit schöner Regelmäßigkeit stärkere und schwächere Wettkämpfe ab. Nicht ins Rennen um die Medaillen wird Nina Kennedy eingreifen. Die Olympiasiegerin und Mit-Titelverteidigerin aus Australien, die sich den Titel 2023 in Budapest mit Katie Moon teilte, hat bereits die komplette Saison mit Verletzungsproblemen zu kämpfen. Da Russland weiterhin von internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen ist, wird die Weltjahresbeste Polina Knoroz (4,86 m) nicht in Tokio starten.

Titelverteidigerin: Katie Moon (USA), Nina Kennedy (Australien; beide 4,90 m)
Jahresbeste: Polina Knoroz (Russland; 4,86 m)
DLV-Teilnehmerin: keine


Weitsprung

Malaika Mihambo fordert Tara Davis-Woodhall

Mit besten Erinnerungen reist Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) zur WM nach Tokio. 2021 feierte sie im Olympiastadion den größtmöglichen sportlichen Triumph. Vor vier Jahren gewann sie dort mit 7,00 Metern Olympia-Gold. Auch 2025 ist die 31-Jährige wieder in Sieben-Meter-Form. Zweimal übertraf sie die prestigeträchtige Marke. Mit 7,07 Metern in der Halle und Anfang Juli bei der Diamond League in Eugene (USA) mit 7,01 Metern. Damit ist die zweimalige Weltmeisterin eine von fünf Sieben-Meter-Springerinnen in der Sommersaison, vier davon starten in Tokio.

Ihre größte Konkurrentin ist die Olympiasiegerin von 2024: Tara Davis-Woodhall. Die US-Amerikanerin flog bei den US-Trials auf 7,12 Meter. Auch bei ihren Diamond-League-Siegen in Stockholm (Schweden; 7,05 m) und Eugene (7,07 m), als sie Malaika Mihambo im letzten Versuch noch abfing, lieferte die 26-Jährige Weltklasseweiten ab und bestätigte ihr extrem hohes Niveau. Allerdings bestritt die Olympiasiegerin in den vergangenen sechs Wochen keine Wettkämpfe. Die wenigen Starts sind aber kein Resultat einer Verletzung, sondern ihr kompakter Fahrplan Richtung WM in Tokio.

Neu im Sieben-Meter-Klub ist seit Ende Mai Larissa Iapichino. Die Europameisterin aus Italien steigerte sich auf 7,06 Meter. Damit fehlen ihr nur noch fünf Zentimeter zum Landesrekord ihrer Mutter Fiona May. Dass auch in der Spätphase der Saison die Form stimmt, bewies die 23-Jährige mit dem Diamond-League-Gesamtsieg Ende August in Zürich mit 6,93 Metern und einem Zentimeter Vorsprung auf Malaika Mihambo. Erstmals weiter als sieben Meter flog Ende Mai auch die Französin Hilary Kpatcha (7,02 m). Aufsteigende Form bewies zuletzt Natalia Linares. Die 22-jährige Kolumbianerin steigerte sich auf 6,92 Meter und könnte für eine Überraschung in Tokio sorgen. Titelverteidigerin Ivana Spanovic (Serbien) ist nur für den Dreisprung gemeldet.

Titelverteidigerin: Ivana Spanovic (Serbien; 7,14 m)
Jahresbeste: Tara Davis-Woodhall (USA; 7,12 m)
DLV-Teilnehmerin: Malaika Mihambo (LG Kurpfalz)


Dreisprung

Eine große Unbekannte und eine deutsche Aufsteigerin

Zwei Jahre lang konnte Yulimar Rojas nach einem Achillessehnenriss keine Wettkämpfe bestreiten. In Tokio will die Weltrekordlerin und Titelverteidigerin aus Venezuela ihr Comeback geben und im optimalen Fall ihren fünften WM-Titel in Folge gewinnen. Natürlich wird der Weg zum Titel durch die lange Verletzungspause nicht einfach, aber der Ausnahmespringerin, die im Freien (15,67 m) und in der Halle (15,74 m) die Weltrekorde hält, ist es auf jeden Fall zuzutrauen. Keine ihrer Konkurrentinnen konnte in diesem Jahr die 15-Meter-Marke übertreffen. Zum Vergleich: Die Durchschnittsweite von Yulimar Rojas zehn besten Wettkämpfen liegt bei beachtlichen 15,49 Metern.

Ist Yulimar Rojas noch nicht wieder in Top-Form, kommen die ersten Gold-Kandidatinnen aus Kuba: Leyanis Pérez (14,92 m) und Liadagmis Povea (14,84 m) führen die WM-Startliste an. Dahinter rangieren drei weitere Springerinnen mit Saisonbestweiten von mehr als 14,50 Metern. Bereits dahinter folgt Caroline Joyeux (LG Nord Berlin). Die Deutsche Meisterin und Siegerin der Team-EM steigerte sich in diesem Jahr auf 14,45 Meter. Bei drei weiteren Wettkämpfen übertraf die 24-Jährige die 14-Meter-Marke deutlich.

Gelingt das Caroline Joyeux in der WM-Qualifikation, winkt ein Platz im Finale. Die letzte deutsche Dreispringerin in einem WM-Finale war Kristin Gierisch 2017 in London (Großbritannien), dort wurde die Chemnitzerin mit 14,33 Metern Fünfte. Mit Jessie Maduka (Cologne Athletics) startet eine zweite deutsche Dreispringerin in Tokio. Mit einer Freiluft-Saisonbestleistung von 13,89 Metern gehört die 29-Jährige nicht zu den ersten Final-Anwärterinnen. Doch mit einer Steigerung zum richtigen Zeitpunkt könnte sie in der Qualifikation für eine Überraschung sorgen.

Titelverteidigerin: Yulimar Rojas (Venezuela; 15,08 m)
Jahresbeste: Leyanis Pérez (Kuba; 14,92 m)
DLV-Teilnehmerinnen: Caroline Joyeux (LG Nord Berlin), Jessie Maduka (Cologne Athletics)


Kugelstoß

20-Meter-Sextett verspricht hochklassiges Finale

Die Disziplin hat 2025 einen wahren Leistungsschub erfahren. Fünf Kugelstoßerinnen übertrafen in diesem Sommer bisher die prestigeträchtige 20-Meter-Marke. Bezieht man die Hallensaison ein, kommt noch eine Athletin hinzu: Olympiasiegerin Yemisi Ogunleye (MTG Mannheim). Die 26-Jährige beförderte ihr vier Kilogramm schweres Arbeitsgerät bei der Hallen-DM in Dortmund auf 20,27 Meter und damit weiter als jemals zuvor in ihrer Karriere. Im Freien ging es mit 19,67 Metern nicht ganz so weit. Doch Yemisi Ogunleye hat sich ein stabiles Niveau erarbeitet, um der starken Konkurrenz Paroli zu bieten.

Diese wird angeführt von US-Rekordlerin Chase Jackson. Die zweimalige Weltmeisterin würde in Tokio zu gern ihren Titel-Hattrick perfekt machen. Die Zeichen dafür stehen gut. Denn die 31-Jährige hat in diesem Sommer bei 13 Starts gleich zwölfmal die 20-Meter-Marke überboten und führt mit 20,95 Metern die Weltjahresbestenliste an. Zudem gehen die sieben besten Weiten des Jahres aufs Konto von Chase Jackson.

Hinter der Gold-Favoritin warten Jessica Schilder (Niederlande; 20,47 m), Sarah Mitton (Kanada; 20,39 m), Jaida Ross (USA; 20,13 m) und Maddison-Lee Wesche (Neuseeland; 20,06 m) auf einen Ausrutscher der Konkurrentin. Mit Katharina Maisch (LV 90 Erzgebirge; 19,25 m) und Alina Kenzel (VfB Stuttgart; 18,91 m) wollen zwei weitere deutsche Kugelstoßerinnen ihre Finalchance nutzen. Dafür müssen sie in der Qualifikation wahrscheinlich schon Richtung Bestleistung stoßen.

Titelverteidigerin: Chase Jackson (USA; 20,43 m)
Jahresbeste: Chase Jackson (USA; 20,95 m)
DLV-Teilnehmerinnen: Alina Kenzel (VfB Stuttgart), Katharina Maisch (LV 90 Erzgebirge), Yemisi Ogunleye (MTG Mannheim)
 


Diskuswurf

Valarie Allmann will endlich den Titel

Seit Jahren dominiert Valarie Allmann (USA) die Diskus-Konkurrenzen scheinbar nach Belieben. Doch ausgerechnet bei Weltmeisterschaften wollte es für die zweimalige Olympiasiegerin noch nicht mit dem goldenen Wurf klappen. Nach Bronze 2022 in Eugene (68,30 m) musste sie sich in Budapest (Ungarn) mit 69,23 Metern und 26 Zentimetern Rückstand ihrer Landsfrau Laulauga Tausaga geschlagen geben.

Es war der letzte Wettkampf, den sie nicht als Siegerin beendete. Es folgten 28 Siege in Folge und Mitte April in Ramona (USA) mit 73,52 Metern ein neuer Amerika-Rekord. Als Zweite feierte Laulauga Tausaga dort ihre 70-Meter-Premiere (70,72 m). Auch die Nummer drei der Meldeliste, Veronica Fraley, kommt aus den USA. Jayden Ulrich (69,39 m) schaffte es bei den US-Trials nicht ins WM-Team, dafür Gabi Jacobs (68,21 m). Damit führt ein US-Quartett das Tokio-Feld an und peilt den „Sweep“ an.

Direkt dahinter hat sich mit Shanice Craft (SV Halle; 68,10 m) und Kristin Pudenz (OSC Potsdam; 67,61 m) ein DLV-Duo aussichtsreich positioniert. Beide bringen viel Erfahrung mit und standen schon in zahlreichen großen Finals. Speziell Kristin Pudenz hat beste Erinnerungen ans Stadion in Tokio, 2021 gewann sie dort hinter Valarie Allmann Olympia-Silber. Mit 65,64 Metern liegt Marike Steinacker (TSV Bayer 04 Leverkusen) zwar etwas hinter ihrer nationalen Konkurrenz, doch die Deutsche Meisterin liefert konstant Weiten um 65 Meter ab.

Immer auf der Rechnung muss man Sandra Elkasević haben. Die Kroatin, mittlerweile 35 Jahre alt, gewann jeweils zweimal Olympia- und WM-Gold. Dazu kommen sieben EM-Titel seit 2010. Ihre Saisonbestleistung steht bei 66,97 Metern. Geschichte könnte Mélina Robert-Michon in Tokio schreiben. Die 46-jährige Französin steht vor ihrem elften WM-Start, mehr hat keine andere Leichtathletin auf der Welt. Ihre WM-Premiere feierte sie 2001 in Edmonton (Kanada) mit Rang 19 in der Qualifikation.

Titelverteidigerin: Laulauga Tausaga (USA; 69,49 m)
Jahresbeste: Valarie Allman (USA; 73,52 m)
DLV-Teilnehmerinnen: Shanice Craft (SV Halle), Kristin Pudenz (OSC Potsdam), Marike Steinacker (TSV Bayer Leverkusen)
 


Hammerwurf

Weltspitze ganz dicht zusammen

Die Hammerwurf-Entscheidung in Tokio verspricht Spannung pur. Die besten neun WM-Starterinnen trennen nur zweieinhalb Meter. Ganz vorn rangiert mit Brooke Andersen (USA) die Weltmeisterin von 2022, die Mitte Mai das Vier-Kilo-Gerät auf 79,29 Meter beförderte. Doch der letzte WM-Test Mitte August in Chorzów (Polen) lief mit 69,99 Metern nicht wie gewünscht.

Deutlich leistungsstabiler zeigte sich zuletzt Olympiasiegerin und Titelverteidigerin Camryn Rogers (Kanada) mit einer Saisonbestleistung von 78,88 Metern. In den letzten sechs Wettkämpfen übertraf die 26-Jährige stets die 75-Meter-Marke. Auch das US-Duo Rachel Richeson (78,80 m) und DeAnna Price (78,53 m) lieferte in diesem Sommer 78er-Weiten ab.

Top-Leistungen gingen zuletzt auch auf das Konto der  DLV-Starterinnen Aileen Kuhn und Samantha Borutta (beide Eintracht Frankfurt). WM-Debütantin Aileen Kuhn steigerte ihre Bestleistung als U23-Europameisterin auf 72,53 Meter. Doch nicht nur in der Top-Weite hat sie einen großen Schritt gemacht. Mittlerweile stammen die besten zehn Wettkämpfe von Aileen Kuhn aus diesem Jahr. Ein Beleg für Konstanz auf hohem Niveau. Samantha Borutta verpasste ihre Bestleistung mit 71,60 Metern nur um einen halben Meter. Die 25-Jährige ist nach 2022 zum zweiten Mal bei einer WM dabei und würde nur zu gern ihr Ergebnis aus Eugene (25. in der Qualifikation) deutlich verbessern. Bei der enormen Leistungsdichte in der Spitze ist für ein WM-Finalplatz wahrscheinlich eine Weite klar über 70 Meter in der Qualifikation gefragt.

Titelverteidigerin: Camryn Rogers (Kanada; 77,22 m)
Jahresbeste: Brooke Andersen (USA; 79,29 m)
DLV-Teilnehmerinnen: Samantha Borutta (Eintracht Frankfurt), Aileen Kuhn (Eintracht Frankfurt)


Speerwurf

Offenes Rennen um Gold

Für die bisherige Saison der weltbesten Speerwerferinnen findet sich ein passendes Wort: Inkonstanz. Auf Weltklasseweiten um 65 Meter oder darüber folgten bei vielen Athletinnen in schöner Regelmäßigkeit Wettkämpfe, mit denen das Ausscheiden in der WM-Qualifikation garantiert wäre. Bestes Beispiel ist Veronica Hudson. Die österreichische Medaillenhoffnung steigerte Ende Juni ihren Landesrekord um anderthalb Meter auf 67,76 Meter. Weiter kam keine andere Speerwerferin weltweit in diesem Jahr. Die WM-Generalprobe in Lausanne (Schweiz) vor drei Wochen – zugegebenermaßen bei lausigem Wetter – beendete die 29-Jährige mit gerad einmal 53,92 Metern.

Ein ähnliches Bild bei Haruka Kitaguchi (Japan): Die Olympiasiegerin und Titelverteidigerin siegte in Oslo (Norwegen) mit 64,63 Metern, in Lausanne ging es für sie wenige Wochen später nicht über 50,93 Meter hinaus. Trotzdem ist mit der Japanerin bei ihrem „WM-Heimspiel“ auf jeden Fall zu rechnen. Schließlich weiß die 27-Jährige genau, wie man auf der großen Bühne überzeugt.

Extrem konstant präsentierte sich in diesem Sommer hingegen U23-Europameisterin Adriana Vilagos. Schon im April steigerte die Serbin den Landesrekord auf 67,22 Meter. Acht weitere Wettkämpfe mit Weiten von 62 Metern oder mehr folgten. Ein Beleg für das konstant hohe Niveau der 21-Jährigen. Auch Sigrid Borge (Norwegen; 65,66 m) und die Diamond-League-Gesamtsiegerin Elina Tzenggo (Griechenland; 64,90 m) wollen ein Wörtchen bei der Medaillenvergabe mitreden. 

Das wäre auch dem Top-Talent Yan Ziyi zuzutrauen gewesen. Doch die im Mai 17 Jahre jung gewordene Chinesin wird nicht in Tokio starten. Dass sie die Besten der Welt schlagen kann, bewies sie am Samstag mit ihrem Sieg beim Meeting in Peking (64,46 m). Einen Monat zuvor hatte sie ihren im März aufgestellten U20-Weltrekord um einen Meter auf 65,89 Meter gesteigert. Bleibt sie gesund, zählt Yan Ziyi zu den Goldanwärterinnen bei ihrer „Heim-WM“ 2027 in Peking (China).

Titelverteidigerin: Haruka Kitaguchi (Japan; 66,73 m)
Jahresbeste: Victoria Hudson (Österreich; 67,76 m)
DLV-Teilnehmerin: keine


Siebenkampf

Hinter Anna Hall ist vieles offen

In kaum einer anderen Disziplin ist bei der WM die Favoritenrolle laut Vorleistungen so klar vergeben wie im Siebenkampf. Mit 7.032 Punkten führt Anna Hall (USA) die Weltbestenliste mit fast 500 Punkten Vorsprung an. Dahinter folgen mit Sofie Dokter (Niederlande; 6.576 pt.), Saga Vanninen (Finnland; 6.563 pt.) und Taliyah Brooks (USA; 6.526 pt.) drei 6.500-Punkte-Siebenkämpferinnen. Alles andere als der erste große Titel für Anna Hall wäre daher eine riesengroße Überraschung. Bei ihrem Götzis-Sieg Anfang Juni offenbarte die 24-Jährige keinerlei Schwächen und veredelte einen perfekten Mehrkampf zum Abschluss mit starken 2:01,23 Minuten über 800 Meter.

Allerdings beinhaltet Anna Halls „Gold-Rechnung“ noch drei Unbekannte. Denn die dreimalige Olympiasiegerin Naffisatou Thiam (Belgien; Bestleistung: 7.013 Punkte) und die zweimalige Weltmeisterin und Titelverteidigerin Katarina Johnson-Thompson (Großbritannien; Bestleistung: 6.981 pt.) haben in diesem Jahr keinen Siebenkampf bestritten. Gleiches gilt für die Olympia-Dritte von 2021, Emma Oosterwegel (Niederlande; Bestleistung: 6.590 pt.). Das Trio ist für Tokio gemeldet und hat in diesem Sommer nur Einzeldisziplinen bestritten. Die Ergebnisse waren dabei in Ordnung, favorisiert bleibt Anna Hall jedoch trotzdem.

Mit Sandrina Sprengel (LG Steinlach-Zollern) und Vanessa Grimm (Königsteiner LV) haben sich zwei DLV-Siebenkämpferinnen den WM-Start gesichert. Sandrina Sprengel nutze dafür Anfang August den DM-Mehrkampf in Dresden, als sie mit neuer Bestleistung von 6.315 Punkten triumphieren konnte. Die U20-Europameisterin von 2023 kann dabei auf einen starken zweiten Tag bauen und mit einem starken Schlussspurt Punkte und Plätze in der Gesamtwertung gutmachen. Vanessa Grimm überzeugte bereits im Winter mit Rang vier bei der Hallen-WM im Fünfkampf. Ende Juli steigerte sie ihre Saisonbestleistung auf 6.249 Punkte. Kann die 28-Jährige ihre Form konservieren, ist eine Leistung im Bereich ihres Hausrekords (6.323 Punkte) in Reichweite.

Titelverteidigerin: Katarina Johnson-Thompson (Großbritannien; 6.740 pt.)
Jahresbeste: Anna Hall (USA; 7.032 pt.)
DLV-Teilnehmerinnen: Vanessa Grimm (Königsteiner LV), Sandrina Sprengel (LG Steinlach-Zollern)


4x100 Meter

Deutsche Sprinterinnen bereit für nächsten Coup

Am WM-Schlusstag gehören die Finals in den Sprintstaffeln zu den Höhepunkten. Über die rasanten 4x100 Meter kann viel passieren. Schließlich müssen zunächst drei Wechsel gemeistert werden, um den Stab sicher und schnell ins Ziel zu bringen. So wie 2024 das deutsche Quartett, das in 41,97 Sekunden sensationell zu Olympia-Bronze in Paris (Frankreich) stürmte. Von den vier Sprinterinnen aus dem Olympia-Finale fehlt lediglich Alexandra Burghardt (Cologne Athletics), Lisa Mayer bei ihrem Abschied von der Leichtathletikbühne, Rebekka Haase (beide Sprintteam Wetzlar) und Gina Lückenkemper (SCC Berlin) sind genauso dabei wie die im Olympia-Vorlauf eingesetzte Sophia Junk (LG Rhein-Wied). Dazu kommen Sina Mayer (LAZ Zweibrücken) und Jolina Ernst (TV Wattenscheid 01). Die Generalprobe lief jedenfalls nach Maß. Anfang August in Lausanne siegte der deutsche „Vierer“ bei widrigen Bedingungen mit 42,53 Sekunden.

Eine solche Zeit wird das Quartett im WM-Vorlauf wahrscheinlich anbieten müssen, um eine Chance aufs Finale zu haben. Denn viele Nationen sind in der Lage, an die 42-Sekunden-Marke heranzulaufen. So auch die stark verbesserten Spanierinnen, die bei der Team-EM den Landesrekord auf 42,11 Sekunden steigerten, die Niederländerinnen waren an selber Stelle mit 42,02 Sekunden (ebenfalls Landesrekord) sogar noch ein wenig flotter. Die deutsche Staffel folgte ohne die Deutsche Meisterin Gina Lückenkemper mit 42,52 Sekunden.

Und dann gibt es ja noch drei Nationen, die deutlich unter der 42-Sekunden-Marke bleiben wollen. Von der individuellen Klasse her sollten die Titelverteidigerinnen aus den USA kaum zu schlagen sein, doch auch die US-Sprinterinnen müssen den Stab erst einmal ins Ziel bringen. Damit hatten auch die Jamaikanerinnen schon oft ihre Probleme. Mit 41,69 Sekunden legte das britische Quartett Mitte Juli in London eine Top-Zeit hin. Speziell in der Breite sind die Sprinterinnen um Dina Asher-Smith stark aufgestellt und könnten den Sprint-Nationen USA und Jamaika vielleicht sogar Paroli bieten.

Titelverteidigerinnen: USA (41,03 sec)
Weltjahresbeste: Großbritannien (41,69 sec)
DLV-Teilnehmerinnen: Jolina Ernst (TV Wattenscheid 01), Rebekka Haase (Sprintteam Wetzlar), Sophia Junk (LG Rhein-Wied), Gina Lückenkemper (SCC Berlin), Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar), Sina Mayer (LAZ Zweibrücken)


4x400 Meter

Deutsche Staffel will Chance aufs WM-Finale nutzen

Mit einer starken Vorstellung bei den World Relays Mitte Mai in Guangzhou (China) sicherten sich die deutschen Langsprinterinnen frühzeitig das WM-Ticket. Einen Monat später folgte in Regensburg die Steigerung um zwei Sekunden auf 3:26,87 Minuten. Damit ist das DLV-Quartett mittendrin im Rennen um einen Platz im WM-Finale. Eileen Demes (TV 1861 Neu-Isenburg), Annkathrin Hoven (TSV Bayer 04 Leverkusen), Jana Lakner (LG Telis Finanz Regensburg), Elisa Lechleitner (LAZ Ludwigsburg), Johanna Martin (1. LAV Rostock) und Skadi Schier (SCC Berlin) werden im Vorlauf alles geben, um einen Top-Acht-Platz und damit eine Bahn im WM-Finale am Schlusstag zu ergattern. Läuferisch haben die DLV-Langsprinterinnen 2025 einen Schritt nach vorn gemacht. Denn alle sechs liefen in den vergangenen Wochen neue Bestzeiten über die Stadionrunde, wobei Eileen Demes die 400 Meter mit Hürden so schnell wie noch nie zurücklegte.

Die Konkurrenz ist allerdings groß. Zwar hat die Weltjahresbestenliste über 4x400 Meter vor dem Saisonhöhepunkt noch keine Aussagekraft, doch lohnt ein Blick auf die Einzelzeiten. Dort sind – wie fast immer – die USA deutlich vorn. Gleich fünf US-Langsprinterinnen konnten 2025 schon die 50-Sekunden-Marke unterbieten. In die Nähe dieser Leistungsdichte kommen lediglich die Jamaikanerinnen. Und welche Nation darf man seit einigen Jahren bei großen Meisterschaften nicht unterschätzen? Genau, die Niederlande. Die Frauen in Oranje starten, angeführt von Superstar Femke Bol, als Titelverteidigerinnen. Allerdings werden die USA und Jamaika alles daransetzen, um die Kräfteverhältnisse im WM-Finale wieder geradezurücken.

Titelverteidigerinnen: Niederlande (3:20,72 min)
Weltjahresbeste: Captain Athletes (USA; 3:23,24 min)
DLV-Teilnehmerinnen: Eileen Demes (TV 1861 Neu-Isenburg), Annkathrin Hoven (TSV Bayer 04 Leverkusen), Jana Lakner (LG Telis Finanz Regensburg), Elisa Lechleitner (LAZ Ludwigsburg), Johanna Martin (1. LAV Rostock), Skadi Schier (SCC Berlin)

Mixed-Wettbewerb


4x400 Meter Mixed

Ein Spiel mit vielen Unbekannten

Zum vierten Mal wird die Mixed-Staffel über 4x400 Meter bei Weltmeisterschaften ausgetragen. Naturgemäß sind die USA durch ihr läuferisches Potenzial klar favorisiert. Sie starten als Titelverteidiger in Tokio, auch wenn das US-Quartett 2023 in Budapest von Femke Bols Sturz profitierte, der die Niederlande den Titel kostete. Natürlich ist auch das Quartett um die Langhürdenspezialistin im Nationalstadion erneut Medaillenkandidat. Gleiches gilt für die schnellen Staffeln aus Polen und Großbritannien.

Und wie sieht es mit der deutschen Staffel aus? Die würde zu gern wie 2023 in Budapest ins WM-Finale laufen. Vor zwei Jahren reichten dafür 3:13,25 Minuten. Gut möglich, dass man in Tokio ein Stück schneller sein muss. Der Deutsche Rekord steht seit den Olympischen Spielen 2021 an selber Stelle bei 3:12,94 Minuten.

Vor vier Jahren zählte Manuel Sanders mit zum Rekord-Quartett. Der Wattenscheider ist auch in diesem Jahr dabei, dazu kommen Emil Agyekum (SCC Berlin) und Florian Kroll (LG Osnabrück). Bei den Frauen sind Jana Lakner (LG Telis Finanz Regensburg), Elisa Lechleitner (LAZ Ludwigsburg) und Johanna Martin (1. LAV Rostock) für die Mixed-Staffel nominiert. Das Potenzial für einen Platz im WM-Finale am Auftakttag von Tokio hat das Sextett in jedem Fall, das haben einige starke Bestzeiten im Laufe der Saison bewiesen.

Titelverteidiger:innen: USA (3:08,80 min)
Weltjahresbeste: Polen (3:09,43 min)
DLV-Teilnehmer:innen: Jana Lakner (LG Telis Finanz Regensburg), Elisa Lechleitner (LAZ Ludwigsburg), Johanna Martin (1. LAV Rostock), Emil Agyekum (SCC Berlin), Florian Kroll (LG Osnabrück), Manuel Sanders (TV Wattenscheid 01)

WM Tokio 2025

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