Zum 50. Mal steigt am Wochenende in Götzis in Vorarlberg das hochklassigste Mehrkampf-Meeting der Welt: Im Möslestadion versammeln sich zum Jubiläum und zum Auftakt in den Mehrkampf-Sommer eine Vielzahl der Medaillen-Anwärter:innen für die WM im September in Tokio. Besonders das Zehnkampf-Feld hat es in sich. Hier können mit Leo Neugebauer und Niklas Kaul auch zwei deutsche Athleten vorne mitmischen.
Es ist ein Zehnkampf-Feld, das es wohl in einer Masse mit dieser Klasse noch nie gegegeben hat. Während bei internationalen Meisterschaften die Teilnehmerzahl mittlerweile auf 24 beschränkt ist, werden am Samstag und Sonntag 34 Athleten den 50. Zehnkampf des Hypomeetings in Götzis (Österreich) in Angriff nehmen. Unter ihnen 31, die bereits in einem Männer-Wettbewerb die 8.000-Punkte-Marke überboten haben, elf mit Bestmarken jenseits von 8.500 Punkten – und an der Spitze thronen Olympiasieger, Weltmeister, Hallen-Europarekordler und Hallen-Weltmeister.
Auch aus deutscher Sicht ist Hochspannung angesagt, denn fünf DLV-Zehnkämpfer haben einen Startplatz in Götzis ergattert, und mit dem Olympia-Zweiten Leo Neugebauer (VfB Stuttgart) sowie dem Weltmeister von 2019 Niklas Kaul (USC Mainz) befinden sich unter ihnen auch zwei der elf Athleten, die mit Bestmarken deutlich jenseits der 8.500 Punkte anreisen. Fast schon ein Heimspiel ist der Start für die Ulmer Manuel Eitel (PB 8.351 pt) und Tim Nowak (8.282 pt), der bereits zum sechsten Mal in Götzis dabei ist. Vor seinem ersten Männer-Zehnkampf steht U20-Europameister Amadeus Gräber (Eintracht Frankfurt).
Mit Wetter-Prognosen, die pünktlich zum Wochenende wieder Sonne und warme Temperaturen versprechen, fachkundigem Publikum, das sich dicht an dicht ums Rund drängen wird, dem eigens für das Jubiläum komponierten Meeting-Song und vielen Gästen aus der langen Historie des Hypomeetings ist vor malerischer Bergkulisse alles angerichtet für ein Mehrkampf-Erlebnis der Extraklasse. Dafür sorgt Jahr um Jahr auch ein großes ehrenamtliches Team mit Meeting-Chefin Alexandra Giesinger und Athleten-Manager Walter Weber an der Spitze.
Zwei vielversprechende Premieren
Der Deutsche Rekordhalter (PB 8.961 pt) Leo Neugebauer fiebert seit Monaten auf seine Götzis-Premiere hin. Die ersten Wettkampf-Tests absolvierte er zwar noch nicht auf dem Niveau des Vorjahres – doch der Trend zeigt nach oben, und die Chancen, dass die einzigartige Atmosphäre im Möslestadion den begeisterungsfähigen Athleten schnell in ihren Bann zieht und zu neuen Höchstleistungen anspornt, stehen gut. Niklas Kaul hat zuletzt mit starken Einzel-Wettkämpfen Selbstvertrauen getankt. Eine neue Zehnkampf-Bestleistung liegt seit Langem in der Luft: 2019 beim WM-Titel war es, als der heute 27-Jährige mit 8.691 Zählern seinen aktuellen Hausrekord aufstellte.
Um am Wochenende vorne mitzumischen, müssen beide ihr volles Potenzial ausschöpfen. 2015 konnte mit Kai Kazmirek letztmals ein deutscher Zehnkämpfer in Götzis gewinnen, damals reichten 8.462 Punkte. Seitdem stand siebenmal der Olympiasieger von 2021 Damian Warner (Kanada) ganz oben auf dem Podest. Nur 2023 wurde er von seinem Landsmann Pierce Lepage bezwungen, der später in dem Jahr auch Weltmeister wurde. Mit Bestleistungen von 9.018 (Warner) und 8.909 Punkten (Lepage) zählen sie zu den besten Zehnkämpfern der Geschichte und auch in diesem Jahr wieder zu den Götzis-Favoriten. Dasselbe gilt für den Olympia-Dritten Lindon Victor (Grenada; 8.756 pt), der in einer Pressekonferenz zu Protokoll gab, er würde lieber seine eigene Hochzeit verpassen als einen Start im Möslestadion.
Herausgefordert werden sie von der nächsten Zehnkampf-Generation mit Hallen-Europarekordler Sander Skotheim (Norwegen; PB 8.635 pt) an der Spitze, der am Samstag seinen 23. Geburtstag feiert. Weitsprung-Ass Simon Ehammer (Schweiz; PB 8.465 pt), Wurf-Hüne Karel Tilga (Estland; 8.681 pt) oder der schnellste Athlet auf der Stadionrunde Ayden Owens-Delerme (Puerto Rico; 8.732 pt) wollen nicht nur in ihren Spezialidisziplinen glänzen. Aus deutscher Sicht wird mit Spannung der erste Männer-Zehnkampf von U20-Europameister Amadeus Gräber (PB U20: 8.209 pt) erwartet, der nach krankheitsbedingt verpasster U20-WM im Wettstreit mit U20-Weltmeister Tomas Järvinen (Tschechien; PB U20: 8.425 pt) die Rangordnung der stärksten Nachwuchs-Zehnkämpfer der Welt wieder zurechtrücken kann.
Anna Hall die Favoritin
25 Athletinnen finden sich auf der Startliste für den Jubiläums-Siebenkampf von Götzis. Ausgerechnet die an Position eins gesetzte Katarina Johnson-Thompson musste jedoch am Donnerstagvormittag ihren Start absagen. Die amtierende Weltmeisterin und Olympia-Zweite aus Großbritannien (PB 6.981 pt) hat sich am vergangenen Wochenende eine Verletzung zugezogen und vom Arzt ein Startverbot erhalten. So rückt die Olympia-Fünfte und Vize-Weltmeisterin Anna Hall (USA; PB 6.988 pt) in die Rolle der Favoritin. Sie hatte 2023 mit ihrer noch immer gültigen Bestleistung triumphiert und war damit in der Liste der besten Ergebnisse beim Hypomeeting an der Deutschen Rekordhalterin Sabine Braun (6.985 pt) vorbei auf Platz zwei gestürmt.
Mit Olympiasiegerin Nafissatou Thiam, der Olympia-Dritten Noor Vidts (beide Belgien) oder der zweimaligen Götzis-Siegerin Anouk Vetter, (Niederlande) fehlen einige weitere Podiumsanwärterinnen. Zu beachten ist dafür umso mehr die Olympia-Vierte Annik Kälin (Schweiz; PB 6.639 pt), die sich zuletzt in der Hallensaison auf den Weitsprung konzentriert hat und mit mehreren Sprüngen in Richtung der Sieben-Meter-Marke sowie Silber bei Hallen-EM und Hallen-WM auch hier in die Weltspitze vorgestoßen ist. Mit der Götzis-Siegerin von 2021 Xénia Krizsán (Ungarn; 6.651 pt) oder der Olympia-Sechste Sofie Dokter (Niederlande; PB 6.452 pt) sind weitere Athletinnen genannt, die aufs Podium hoffen können.
Serina Riedel erstmals in Götzis dabei
Zu den prominenten Absagen zählen in diesem Jahr leider auch drei deutsche Athletinnen: Sophie Weißenberg (TSV Bayer 04 Leverkusen) arbeitet nach ihrem Achillessehnen-Riss am Comeback, Ratingen-Siegerin Sandrina Sprengel (LG Steinlach-Zollern) hat sich beim Test-Wettkampf in Neuwied eine muskuläre Verletzung im Oberschenkel zugezogen, und die Vierte der Hallen-WM Vanessa Grimm (Königsteiner LV) musste zuletzt aufgrund einer kleineren Verletzung ebenfalls ihren Verzicht verkünden.
So rücken mit Marie Dehning (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Serina Riedel (SV Halle) zwei U23-Athletinnen in den Fokus, die mit Bestleistungen knapp unter sowie knapp über 6.000 Punkten für den Anschluss an die internationale Spitze arbeiten. Ein Zwischenziel für das Wochenende: Die U23-EM-Norm von 5.750 Punkten, die für beide jedoch nur Formsache sein dürfte.