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Owe Fischer-Breiholz – Durchgestartet bis auf Platz zwölf in der Welt

© Gladys Chai von der Laage
Bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden haben elf Athletinnen und Athleten erstmals einen nationalen Einzeltitel in der Aktivenklasse gewonnen. Einige gehören schon länger zur nationalen Spitze, andere feierten in diesem Sommer ihren Durchbruch. Wir stellen die neuen Deutschen Meisterinnen und Meister vor, heute 400-Meter-Hürden-Läufer Owe Fischer-Breiholz.
Jan-Henner Reitze

Owe Fischer-Breiholz
Königsteiner LV

Bestleistung:

400 Meter Hürden: 48,01 sec (2025)

Erfolge:

U23-Europameister 2025
Vierter U20-EM 2023
Deutscher Meister 2025

Was ist möglich, wenn sich ein junger, talentierter und motivierter Athlet einer funktionierenden Trainingsgruppe anschließt, die sich in den vergangenen Jahren an die Weltspitze herangearbeitet hat? Das hat Owe Fischer-Breiholz demonstriert.

2024 jubelte der 400-Meter-Hürden-Läufer aus Mecklenburg-Vorpommern über DM-Silber mit der Bestzeit von 49,52 Sekunden, Platz 91 in der Weltjahresbestenliste. Danach folgte der Wechsel in die Frankfurter Trainingsgruppe von Christian Kupper. 2025 steigerte sich der 21-Jährige bis auf 48,01 Sekunden, Platz zwölf in der Welt, gewann Gold mit Meisterschaftsrekord bei der U23-EM, den DM-Titel in Dresden (48,41 sec) und qualifizierte sich für seine erste WM. Die endete mit einem Dämpfer: Im Vorlauf zog es im Oberschenkel, der Athlet vom Königsteiner LV lief das Rennen dennoch in 48,81 Sekunden durch, sicherte sich einen Platz im Halbfinale, auf das er dann aber verzichten musste. 

„Das hat mich sehr beschäftigt. Vor allem die Frage, wie es dazu kommen konnte und wie ich so eine Situation in Zukunft vermeiden kann“, erklärt der U23-Europameister. „Trotzdem war es eine Megasaison, in der ich viel umsetzen konnte. Ich habe zehn Schritte nach vorne gemacht und bei der WM leider einen zurück.“ In den kommenden Jahren möchte er sein Potenzial weiter ausschöpfen und auch bei großen Meisterschaften unter Beweis stellen.

Einzelsportart passt besser als Fußball

In seiner Kindheit in Wittenburg bei Schwerin begann Owe Fischer-Breiholz im Alter von fünf Jahren im Verein Fußball zu spielen. „Ich war aber nicht besonders gut und habe die Schuld daran eher woanders als bei mir selbst gesucht“, erinnert sich der heutige Leistungssportler. „Da hat eine Einzelsportart besser gepasst.“ So begann der damalige Grundschüler parallel zum Fußball auch mit dem Leichtathletik-Training, zuerst in seinem Heimatort Wittenburg und dann beim Hagenower SV bei Trainer Fred Bahr. Im Alter von elf Jahren hörte er endgültig mit Fußball auf. „In der Leichtathletik hatte ich etwas gefunden, was ich gut konnte. Meine ersten Wettkämpfe über 800 Meter habe ich gleich gewonnen. Und ich mochte auch das intensive Training.“

Die Freude am Sport und die Motivation dafür waren so groß, dass er im Alter von 14 Jahren im Herbst 2018 aufs Sportinternat nach Schwerin wechselte, wo Thomas Schuldt die sportliche Betreuung übernahm und das Talent seines neuen Schützlings für die Langhürden erkannte, obwohl die technischen Hürden-Fähigkeiten noch alles andere als ausgereift waren.

Trotzdem zeigten sich schon im ersten Jahr der Zusammenarbeit deutliche Fortschritte. Als M15-Athlet legte der Schüler die 80 Meter Hürden in 11,20 Sekunden zurück, die 300 Meter Hürden in 40,99 Sekunden und die 800 Meter in 2:04,40 Minuten. Bei der U16-DM reichte es im Vorlauf (41,09 sec) über 300 Meter Hürden aber noch nicht ganz für das Finale.

Nach Corona geht es in die Nachwuchsspitze

Der Corona-Sommer 2020 fühlte sich dann wie ein verlorenes Jahr an. Da der damalige U18-Athlet nicht im Bundeskader war, konnte er keine Trainingsstätten nutzen. Es war keine gezielte Vorbereitung möglich und damit fielen auch Wettkämpfe aus. Dem Ärger darüber folgte eine Trotzreaktion nach dem Motto: Jetzt erst recht! „Als ich endlich wieder trainieren konnte, habe ich richtig Gas gegeben und wollte angreifen.“ Das Ergebnis war der Titel bei der Jugend-DM 2021 über 400 Meter Hürden (52,18 sec). „Damit fiel für mich auch die Entscheidung, dass ich den Sport intensiver verfolgen möchte.“ 

In seiner U20-Zeit lief Owe Fischer Breiholz mehrfach aufs Treppchen bei Deutschen Jugendmeisterschaften, auch in der Halle über 400 Meter flach. Bei seiner Premiere im Nationaltrikot bei einer internationalen Nachwuchsmeisterschaft lief er ins Halbfinale der U20-WM 2022. Krönender Abschluss in dieser Altersklasse war Platz vier bei der U20-EM 2023 in Jerusalem (Israel) mit der Bestzeit von 50,49 Sekunden. 

Im vergangenen Jahr machte der Nachwuchsathlet sein Abitur. Sportlich ging die Entwicklung mit dem Titel bei der U23-DM und Silber bei den Deutschen Meisterschaften in der Männerklasse mit PB (49,52 sec) erfolgreich weiter. „Das habe ich meinem Trainer Thomas Schuldt zu verdanken“, so der damalige Athlet des Schweriner SC, der sich für den nächsten Karriereschritt entschied. Er zog im Herbst 2024 nach Frankfurt, um sich der Trainingsgruppe von Christian Kupper anzuschießen, und wechselte zum Königsteiner LV. Neben dem Sport nahm er ein Fernstudium in Agrarmanagement auf.

Steigerung hat verschiedene Ursachen

Das Umfeld in Frankfurt mit ärztlicher Betreuung, Physiotherapie und allem, was sonst noch dazu gehört, ist in den vergangenen Jahren schon speziell auf die 400 Meter Hürden ausgerichtet worden. Mit Emil Agyekum (SCC Berlin) und Joshua Abuaku (Eintracht Frankfurt) standen zwei Athleten der Trainingsgruppe schon im WM-Finale, Eileen Demes (TV 1861 Neu-Isenburg) ist aktuell die nationale Nummer eins. „Da hat jedes Training eine ganz andere Qualität“, erzählt Owe Fischer-Breiholz, für den es auch eine Umstellung war, dass nur noch einmal pro Tag trainiert wurde. „Damit hatte ich mehr Zeit für Regeneration. Das hat mir gutgetan.“

Fortschritte zeigten sich auf allen Ebenen. „Meine Stärke, die Ausdauer, hat sich noch weiter gesteigert, auch die Laktattoleranz.“ Verbesserungen bemerkte der zum Königsteiner LV gewechselte Athlet auch in der Hürdentechnik und im Sprint. „Auch wenn ich keinen Sprintwettkampf oder Test im Training absolviert habe. Diese Belastung wollten wir nicht riskieren.“

Gleich das erste Saisonrennen Anfang Juni brachte eine Bestzeit (49,06 sec). Der ersten Zeit unter 49 Sekunden beim Sieg bei der U23-DM (48,76 sec) folgte beim Saisonhöhepunkt, der U23-EM in Bergen (Norwegen), der Goldlauf mit Meisterschaftsrekord von 48,01 Sekunden, den vorher kein Geringerer als Weltrekordler Karsten Warholm (Norwegen; 48,37 sec) gehalten hatte. Mit dieser Zeit steht der DLV-Athlet außerdem auf Rang drei der ewigen deutschen Bestenliste und erfüllte die Direkt-Norm (48,50 sec) für seine erste WM-Teilnahme. „Es war ein extrem gutes Rennen, auch wenn ich weiß, dass vielleicht sogar noch etwas mehr gegangen wäre.“ Schon vor der Ziellinie jubelte der Sieger über seine Leistung.

Zwei Wochen nach diesem Triumph ließ der Youngster bei seinem Sieg bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden (48,41 sec) seine Trainingspartner Emil Agyekum (48,91 sec) und Joshua Abuaku (49,25 sec) hinter sich und stürmte zu seinem ersten DM-Titel in der Männerklasse. Erst bei der WM in Tokio (Japan) klappte nicht mehr alles wie am Schnürchen. Der Beuger machte im Vorlauf (48,81 sec) Probleme. Owe Fischer-Breiholz konnte zum Halbfinale nicht mehr antreten. Dort war es Emil Agyekum, der in 47,83 Sekunden ins Finale und an Position zwei der ewigen DLV-Bestenliste hinter Harald Schmid (47,48 sec) lief.

Ziel: Keine Trainingseinheit auslassen müssen

Untersuchungen im Nachhinein ergaben, dass der Muskel des U23-Athleten doch in Mitleidenschaft gezogen worden war. Unterstützt durch Rehaübungen ist die Verletzung inzwischen so gut wie ausgeheilt, das Training für die kommende Saison wieder angelaufen. Die Belastbarkeit der Muskulatur sieht der 21-Jährige weiterhin als eine Baustelle - durch Faserrisse im Beuger war er in der Vergangenheit schon mehrfach ausgebremst worden.

Das soll sich ändern, um auch bei großen Meisterschaften der Männerklasse topfit am Start zu stehen, wie etwa im kommenden Jahr bei der EM in Birmingham (Großbritannien; 10. bis 16. August), für die er die Norm (49,00 sec) schon in der Tasche hat.

„Ich möchte in allen Bereichen noch ein bisschen besser werden und meine Schwächen ausmerzen. Alle vorgesehenen Einheiten im Training will ich durchziehen können und keine auslassen müssen“, erklärt der Aufsteiger. „Ich möchte ein stückweit unzerstörbar werden.“ Und auch wenn sich Owe Fischer-Breiholz selbst nicht mit dem Weltrekordler vergleicht, dessen U23-Meisterschaftsrekord er im Sommer gebrochen hat, sondern seinen eigenen Weg gehen will: Diese Aussage könnte auch von Karsten Warholm stammen.

Vide: U23-Meister Owe Fischer-Breiholz auch bei den "Großen" nicht zu schlagen
Video-Interview: Owe Fischer-Breiholz: "Das ist eine Saison wie ein Traum"

Das sagt Bundestrainer Volker Beck:

Owe hat seinen Wechsel nach Frankfurt langfristig geplant. Er hat in Schwerin ohne Trainingspartner und schon sehr selbstständig trainiert. Mit seinem Umzug hat er seine Komfortzone verlassen, wie auch schon die Gruppe, die sich in Frankfurt zusammengefunden hat. Alle profitieren voneinander. Owe ist sehr gut vorbereitet angekommen, was Muskulatur und Belastungsverträglichkeit angeht. Dieser sehr guten Basis wurde noch etwas mehr Struktur gegeben. Dass alles gleich nach dem Wechsel direkt so gut funktioniert hat, war unerwartet und für alle Beteiligten erfreulich.

Owe hat seine Stärke auf der Überdistanz. Der zweite Teil seines Rennmodells funktioniert sehr gut. Reserven hat er in der Schnelligkeit. Wenn man seine Zeiten an der fünften Hürde mit 21,3 bis 21,5 anschaut, deutet das nicht auf eine 48,0 hin. Aber er wird einfach nicht langsamer. Unter 48 Sekunden wären in Bergen schon möglich gewesen, aber 48,01 stehen und sind ein sehr guter Wert. Er hat die Möglichkeit noch schneller zu laufen und wie Emil unter 48 Sekunden zu bleiben.

Owe ist sehr zielorientiert. Er hat einen hohen Anspruch an sich selbst. Es gibt wenige Trainingseinheiten, in denen er sagt: Das war perfekt. Das gilt auch für Wettkämpfe. Er sieht immer Dinge, die er noch verbessern möchte. Das ist bei einem jungen Athleten nicht selbstverständlich und zeichnet ihn aus.

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