Bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden haben im Sommer elf Athletinnen und Athleten erstmals einen nationalen Einzeltitel in der Aktivenklasse gewonnen. Einige gehören schon länger zur nationalen Spitze, andere feierten in diesem Sommer ihren Durchbruch. Wir stellen die neuen Deutschen Meisterinnen und Meister vor, heute 800-Meter-Läuferin Smilla Kolbe.
Smilla Kolbe
Eintracht Frankfurt
Bestleistung:
800 Meter: 1:59,02 min (2025)
Erfolge:
Fünfte World University Games 2025
Deutsche Meisterin 2025
Mit einer 800-Meter-Bestzeit von 2:11,96 Minuten und ohne genau zu wissen, was auf sie zukommt, hat die damals 19-jährige Smilla Kolbe 2022 ein Studium inklusive Sportstipendium in den USA aufgenommen. Innerhalb von drei Jahren entwickelte sie sich dort zu einer Athletin von internationalem Format. Im zurückliegenden Sommer steigerte die Athletin von Eintracht Frankfurt ihre Bestzeit bis auf 1:59,02 Minuten, startete bei der Team-EM erstmals im Nationaltrikot, holte sich in Dresden ihren ersten deutschen Meistertitel und nahm in Tokio (Japan) an ihrer ersten WM teil.
„Die Saison war aufregend, aber auch wunderschön“, erzählt die Aufsteigerin. „Für meinen Trainer und mich kam die Leistungsentwicklung gar nicht so überraschend. Ich fühle mich wohl, jetzt auch international dabei zu sein. Ich habe das Gefühl: Da gehöre ich hin.“ Großen Anteil an ihrer Unbeschwertheit und Freude, mit der sie den Sport, aber auch das Leben insgesamt angeht, hat die gebürtige Niedersächsin von ihren Eltern mit auf den Weg bekommen. Ihr Umfeld in den USA um Trainer Jeff Pigg hat dazu beigetragen, diese Herangehensweise noch weiter zu entfalten.
Nach dem bevorstehenden Abschluss ihrer College-Zeit möchte die 23-Jährige die nächste Stufe in ihrer sportlichen Karriere zünden. Großes Ziel sind die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles (USA).
Karrierestart mit Bambiniläufen
Aufgewachsen ist Smilla Kolbe in Brelingen bei Hannover. Ihre Mutter nahm regelmäßig an Halbmarathonläufen teil und meldete ihre Tochter dort bei den Kinderrennen im Rahmenprogramm an. „Da bin ich immer freudestrahlend durchs Ziel gerannt, auch mal als Erste und sogar vor den Jungs“, erzählt die heutige Leistungssportlerin, die gemeinsam mit einer Freundin beim TK zu Hannover mit dem Leichtathletiktraining begann, zunächst einmal pro Woche. „Ich habe aber auch noch Tennis gespielt“, blickt Smilla Kolbe auf ihre sportlichen Anfänge zurück.
Mit der Zeit kamen weitere Trainingseinheiten in der Leichtathletik dazu. Und obwohl das Laufen schon am besten klappte, mochte die junge Athletin alle Disziplinen. „Ich habe Siebenkampf gemacht und fand das toll. Dass die Mittelstrecke zu mir passen könnte, hat sich aber schon gezeigt. Mein Schritt hat dazu gepasst und ich hatte viel Energie.“ Auch in der Gruppe zu trainieren, machte der Schülerin so viel Spaß, dass der Sport zum festen Bestandteil des Alltags wurde.
Vom Mehrkampf über den Langsprint zur Mittelstrecke
Ein erster Erfolg war als W15-Athletin Platz zwölf im Siebenkampf (3.578 pt) bei der Mehrkampf-DM im Jahr 2017 mit sehr ausgeglichenen Leistungen in allen Disziplinen wie 12,93 Sekunden über 80 Meter Hürden, 1,52 Meter im Hochsprung oder 2:31,84 Minuten über 800 Meter. Die Krönung dieses Tages war der Titel in der Mannschaftswertung mit dem TK zu Hannover zusammen mit Lara Siemer (3.876 pt) und Apolline Mekok (3.607 pt). „Ich habe den Sport damals zum Spaß gemacht und mich vom Flow tragen lassen. Ohne dieses Ziel verbissen zu verfolgen, habe ich aber schon im Hinterkopf gehabt, dass einmal mehr daraus werden könnte.“
Ein Kreuzband- und Meniskusriss sorgten dann allerdings erst einmal für eine Zwangspause und machten Mehrkampftraining unmöglich. Nach überstandener Verletzung rückte im zweiten U18-Jahr nach einem Wechsel zum VfL Eintracht Hannover die Laufbahn in den Mittelpunkt. „Ich war in einer 400-Meter-Trainingsgruppe und bin zum Spaß auch mal 800 Meter gelaufen.“
Auf Landesebene war Smilla Kolbe vorne dabei. Im zweiten U20-Jahr gewann sie dann die NLV-Meisterschaften (2:13,68 min) und qualifizierte sich für ihre erste Jugend-DM, wo es in einem taktischen Vorlauf aber knapp nicht fürs Finale reichte. Obwohl noch keine Mittelstrecken-Programme auf dem Trainingsplan standen, steigerte die damals 19-Jährige ihre Bestzeit noch bis auf 2:11,96 Minuten. Das war im Sommer 2021, in dem sie mit dem Abitur auch die Schule abgeschlossen hatte.
USA eher eine spontane, aber nachhaltig gute Entscheidung
Nach dem Schulabschluss in die USA zu gehen, war kein langfristig verfolgter Plan. „Ich wollte gern mit dem Sport weitermachen und etwas erleben“, erzählt Smilla Kolbe. „Darauf gekommen, in die USA zu gehen, bin ich über eine Freundin. Dann hat sich alles eher spontan ergeben. Mein Visum habe ich erst einen Tag vor meinem Abflug bekommen.“ Was genau auf sie zukommt oder was NCAA-Meisterschaften sind, wusste die Abiturientin zu diesem Zeitpunkt noch nicht. „Ich bin meiner Intuition gefolgt. Meine Eltern haben mir Selbstvertrauen und Optimismus beigebracht, dass ich das schon hinkriegen werde. Ich habe mich gefreut und bin allein auf einen anderen Kontinent gezogen“, so die Mittelstrecklerin.
Zuerst in Hattiesburg an der University of Southern Mississippi und nach drei Semestern schließlich in Jacksonville an der University of North Florida studierte die Athletin Psychologie und setzte ihr Mittelstreckentraining fort, mit dem sie schon vor ihrer Abreise im Januar 2022 begonnen hatte. Und schon die erste Hallensaison nur wenige Wochen nach ihrer Ankunft zeigte mit einer Steigerung bis auf 2:07,71 Minuten, dass ihr Potenzial gerade erst begann, sich zu entfalten.
„Es gibt ja viele Bereiche, an denen ich bisher noch nicht viel gearbeitet hatte. Ich habe mich auch über 400 Meter und 1.500 Meter verbessert. Ich mag einfach das harte Training, in dem ich meine ganze Energie rauslassen kann“, erzählt die Studentin. „Und ich liebe Herausforderungen und lerne gerne von jedem, mit dem ich zusammen trainiere.“
Kontinuierliche Steigerung
Und so nahm die Leistungsentwicklung ihren Lauf. Jahr für Jahr steigerte sich die Mittelstrecklerin um weitere Sekunden, 2023 bis auf 2:04,60 Minuten, 2024 bis auf 2:01,63 Minuten. Um an Deutschen Meisterschaften, auch in der U23, teilzunehmen, reiste Smilla Kolbe im Sommer regelmäßig nach Deutschland. Seit 2023 startet sie für Eintracht Frankfurt. Im vergangenen Jahr stand schon ein vierter Platz bei der DM in Braunschweig zu Buche.
Überlastet wurde der Körper trotz teilweise vieler Rennen nie. „Ich bin sehr offen und habe immer angesprochen, wenn ich das Gefühl hatte, nicht bereit für ein Rennen zu sein. Meine Trainer sind dabei immer auf mich eingegangen“, erzählt die Mittelstrecklerin. „Auf der anderen Seite kam es auch vor, dass ich an einem Wochenende mit Vor-, Endläufen und Staffeln sechsmal am Start war. Aber das habe ich auch genossen und konnte es ab.“
Zu dieser Entwicklung beigetragen hat Trainer Jeff Pigg. „Ihm und dem ganzen Umfeld an meiner Uni habe ich viel zu verdanken. Die Zeit dort hat mich bereit fürs Leben als professionelle Athletin gemacht. Das Umfeld war der Schlüssel, damit ich meine Fröhlichkeit und Leichtigkeit, die immer in mir steckten, noch mehr rauslassen kann.“
Anschluss an die internationale Klasse
So kam es in diesem Jahr zum nächsten Leistungsschritt, der den Anschluss an die internationale Spitze mit sich brachte. Schon in der Hallensaison erreichte die 23-Jährige mit Bestzeit (2:01,44 min) das Finale der US-Collegemeisterschaften der NCAA Division I und wurde dort Fünfte. Beim zweiten Rennen der Freiluftsaison fehlten mit einer Steigerung auf 1:59,02 Minuten nur zwei Hundertstel zur direkten WM-Norm. Ihre College-Saison beendete sie als Sechste (2:00,37 min) der NCAA-Meisterschaften.
Es folgten der erste Start im Nationaltrikot bei der Team-EM in Madrid (Spanien) als Siebte (2:00,91 min), der Fünfte Platz bei den World University Games in Wattenscheid (2:01,42 min) und auch getragen davon, dass ihre Familie und Freunde im Heinz-Steyer-Stadion in Dresden live dabei waren, der erste DM-Titel in der Frauenklasse (2:02:57 min). Den Schlusspunkt einer langen Saison setzte der Start im WM-Vorlauf (2:01,74 min). „Das war ein Mega-Jahr, in dem ich wahnsinnig viel Spaß hatte.“
Und es soll erst der Anfang der internationalen Karriere gewesen sein. Ihr Studium in den USA hat Smilla Kolbe erfolgreich abgeschlossen. Mitte Dezember wird ihr das Bachelor-Zeugnis übergeben. Sie hat auch schon einen Plan, in welchem Umfeld es sportlich weiter gehen soll. Da noch Unterschriften fehlen, steht die öffentliche Bekanntgabe noch aus. Klar ist aber: „Ich möchte mich sportlich weiterentwickeln. Eine kurze Hallensaison ist geplant und im nächsten Jahr möchte ich zur EM nach Birmingham.“ Langfristig sind die Olympischen Spiele 2028 das große Ziel.
Video-Interview: Smilla Kolbe: "Going for gold – ich war so im Flow!"
Video: Smilla Kolbe macht ihren ersten Titel klar
| Das sagt DLV-Teamleiter Lauf Werner Klein: |
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Smilla war bei der Team-EM erstmals in der Nationalmannschaft dabei und sofort eine große Bereicherung. Sie geht mit Freude und Leichtigkeit an ihre Aufgaben und Rennen heran, trotzdem hat sie einen klaren Fokus. Ihre Entwicklung gerade auch in diesem Jahr spricht für sich, auch wie sie sich bei den Deutschen Meisterschaften nach einer schon langen Saison den Titel geholt hat. Auch von ihren Erfahrungen bei der WM in Tokio wird sie in Zukunft profitieren.
Sie bringt von mentaler Stärke bis Tempohärte alles mit, was für die 800 Meter wichtig ist. Auch die Steigerung ihrer Bestzeit bis auf 1:59,02 Minuten steht schon für eine hohe Qualität. Wenn sie ihre Unbeschwertheit behält, traue ich ihr noch weitere Leistungssprünge zu.