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Björn Otto - Zwischen Gelassenheit und Angriffslust

Die praktische Pilotenprüfung ist erfolgreich absolviert, die Karriere nach der Karriere längst eingeleitet. Stabhochspringer Björn Otto blickt gelassen in die Zukunft. Noch will der deutsche Rekordhalter die Stäbe aber nicht zur Seite legen. Olympia in Rio könnte der Abschluss seiner Karriere werden – wenn der Körper mitspielt.
Silke Morrissey

Björn Otto steht auf dem „Zuckerhut“ und beobachtet den regen Luftverkehr über Rio de Janeiro: Gleitschirm-Flieger genießen den einmaligen Blick über die brasilianische Metropole; Helikopter fliegen Touristen zu exponierten Aussichtsflächen; Flugzeuge nehmen Kurs auf zwei verschiedene Flughäfen. In Gedanken fliegt Björn Otto mit. Schon bald könnte der Stabhochspringer vom ASV Köln selbst am Steuer eines der Flugzeuge sitzen. Seine praktische Pilotenprüfung hat er Ende September erfolgreich absolviert. Nun steht die Jobsuche bevor, die Karriere nach dem Sport liegt in greifbarer Nähe.

Die Reise nach Rio aber zählte noch zu seiner Karriere als Leistungssportler. Björn Otto war Anfang Oktober Teil einer Delegation des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV), die anlässlich der Feierlichkeiten zu 25 Jahren Deutsche Einheit vom deutschen Generalkonsulat in die Olympia-Stadt von 2016 eingeladen worden war.

Eine willkommene Gelegenheit für Björn Otto, sich schon einmal dort umzusehen, wo im Idealfall seine lange Karriere ihren Abschluss finden soll. Und eine Gelegenheit für einen Blick über den Tellerrand. Denn von Rio ging es weiter nach São Luís, wo er sich ein Bild von Brasilien abseits weißer Sandstrände, Samba und Caipirinha machte. Gemeinsam mit dem Kinderhilfswerk <link>Plan International Deutschland, Charity-Partner des DLV, besuchte er Projekte zur Förderung von Kindern und Jugendlichen in strukturschwachen und benachteiligten Gemeinden.

„Olympia verändert alles“

Geht es nach Björn Otto, wird für Ausflüge dieser Art im kommenden Jahr keine Zeit sein. Der Traum von Olympia – er lebt. Erst einmal zuvor wurde er für den Stabhochspringer zur Wirklichkeit. Und dann gleich mit einem Platz auf dem Treppchen: Silber 2012 in London (Großbritannien). „Das verändert alles“, sagt Björn Otto. „Das und ein Auftritt bei Stefan Raab“, fügt er lachend hinzu. Und natürlich der deutsche Rekord von 6,01 Meter, mit dem er 2012 eine herausragende Saison gekrönt hatte. Er weiß, wovon er spricht. Schließlich kann er als Vergleich auch Bronze und Silber bei Welt- und Europameisterschaften heranziehen.

Der Weg zu seinen zweiten Olympischen Spielen wird ein steiniger, im Kampf gegen starke nationale Konkurrenz und gegen die eigene Achillesferse – genauer gesagt gegen einen Sporn an der rechten Ferse. Bei hoher Belastung führt dieser regelmäßig zu Reizungen, im schlimmsten Fall zu einem Längsriss der Achillessehne, passiert zuletzt im Januar 2014, beim bis dato letzten Wettkampf von Björn Otto.

Seit fünf Wochen im Aufbautraining

So ist es ruhiger geworden um den Aufsteiger des Jahres 2012. „Du probierst was aus, dann geht’s zwei Tage, dann wieder nicht… Das ist immer ätzend“, blickt Björn Otto, der Mitte Oktober 38 Jahre alt geworden ist, auf seine Leidenszeit zurück. „Aber das Sitzfleisch musst du haben, wenn du ein Ziel hast!“ Fragen zu Comeback-Plänen und Gesundheitszustand ließ er lange unbeantwortet. Jetzt verkündet er: „Ich bin seit fünf Wochen im Aufbautraining, und bisher sieht es gut aus.“ Will heißen: Die Ferse macht keine Probleme.

Dass das schnell wieder anders aussehen kann, weiß er selbst. In den wettkampffreien Monaten hatte er im Training immer mal wieder Sprünge absolviert und die Saison nie ganz abgeschrieben. Doch stets meldete sich bei zu hoher Belastung die Ferse wieder. Aber Björn Otto weiß auch, dass im Stabhochsprung vieles möglich ist. Schließlich hat er schon insgesamt drei Achillessehnenrisse überstanden. Und er fühlt sich nach wie vor fit für den Leistungssport. „Technik und Kraft sind gar kein Problem“, sagt er. „Klar, die Sprintfähigkeit nimmt ab, aber das kann man ganz gut kompensieren.“

In den Startlöchern für Traumjob Nummer zwei

Selbst wenn es nicht noch einmal mit Olympia klappen sollte – Björn Otto hat längst vorgesorgt für die Zeit nach dem Sport, zunächst mit dem Abschluss seines Diplom-Studiums der Biologie, jetzt mit der Pilotenausbildung.

Für den Leistungssport hatte Björn Otto den Traum vom Fliegen einst hintenan gestellt. Das Studium war leichter mit dem Stabhochspringen vereinbar. Nun hat ihm der sportliche Erfolg erst die kostspielige Pilotenausbildung ermöglicht. „Heute kann ich sagen: Ich habe alles richtig gemacht“, bilanziert der Olympia-Zweite.

Rund 200 offizielle Flugstunden im Flugsimulator und in ein- bis zweimotorigen Maschinen liegen hinter dem 38-Jährigen, der gut und gern als „flugverrückt“ bezeichnet werden kann. Schon als Kind besaß er alles, was fliegen kann. Heute kann der passionierte Gleitschirmflieger stundenlang mit leuchtenden Augen über Flugzeugmodelle, Flüge mit und ohne Sicht, Luftströme, Navigationsinstrumente oder den Landeanflug referieren.

„Ich bin bereit“

Olympia-Silber, deutscher Rekord, fertiges Diplom-Studium, Traumjob in greifbarer Nähe – kein Wunder, dass Björn Otto seiner Zukunft gelassen entgegenblickt. Die Prioritäten haben sich mittlerweile verschoben. „Wenn ich ein Jobangebot als Pilot bekomme, muss ich zuschlagen“, sagt er. Mit dem Job folgt dann auch die Einweisung auf einen bestimmten Flugzeug-Typ – der letzte Schritt auf dem Weg zum Berufspiloten. Er hofft auf einen schnellen Einstieg, muss aber möglicherweise einmal mehr Geduld beweisen: Ungefähr jeder zehnte Pilot ist in Deutschland zurzeit arbeitslos.

Die „realistische Option“ ist also, dass der Sport für Björn Otto noch eine Weile im Fokus stehen wird, und mit ihm das Projekt Olympische Spiele in Rio. Eine Warteschleife auf dem Weg ins Cockpit. Ende November geht’s ins DLV-Trainingslager nach Stellenbosch in Südafrika. Eine komplette Hallensaison ist „kein Must-Have“, spätestens im Sommer will Björn Otto endlich wieder auf gewohnt hohem Niveau Wettkämpfe bestreiten. „Ich bin bereit“, sagt er – mit einer Einschränkung: „Ob mein Fuß bereit ist, werden wir sehen.“

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