21 Jahre hatte Weltrekordler Javier Sotomayor (Kuba) mit 2,40 Meter den Platzrekord in Eberstadt inne. Am Freitag sprang Mutaz Essa Barshim (Katar) einen Zentimeter höher und deutete an: auch der Weltrekord (2,45 m) ist wohl bald fällig!
Über dem Kleinsportfeld inmitten der Eberstädter Weinberge hatte sich so etwas wie ein emotionaler Teppich ausgebreitet.
Drei Männer lagen sich in den Armen, 1.200 Menschen sorgten für Standing Ovations. Mutaz Essa Barshim hatte gerade mit 2,41 Metern den 21 Jahre alten Meetingrekord von Eberstadt um einen Zentimeter überboten.
„I am happy, I am the winner“, ließ der 23-Jährige cool verlauten. Für die Meetingmacher Peter Schramm und Günter Eisinger war ein großer Traum in Erfüllung gegangen. Das Mekka der Hochspringer ist mit diesem Sprung zurück in der Szene, nachdem es in den letzten Jahren unter schlechten Witterungsbedingungen gelitten hatte.
Wie Rückenwind
„Die heutige Veranstaltung ist wie Rückenwind, denn wir kämpfen um jeden Meter“, kommentierte Peter Schramm sichtlich erleichtert diesen historischen Tag.
1.200 Zuschauer bildeten eine herrliche Kulisse - nach vielen Jahren war mal wieder richtig Eberstadt-Stimmung. Musik dröhnte aus den Boxen, Klatschen im Stakkato, jubelnde Springer, euphorische Zuschauer. So ist Eberstadt in den Achtziger und Neunziger Jahren zum weltbesten Hochsprung-Meeting aufgestiegen.
Kein Weltklasse-Hochspringer, der nicht in den Eberstädter Weinbergen seine Visitenkarte abgegeben hätte. Zwei Weltrekorde durch den Polen Jacek Wszola (2,35 m) 1980 und den Chinesen Zhu Jianhua (2,39 m) 1984. Klangvolle Namen wie der des Schweden Patrick Sjöberg (2,38 m / 1985), des Polen Artur Partyka (2,38 m / 1996), des schwedischen Olympiasiegers Stefan Holm (2,36 m / 2004) und natürlich des kubanischen Weltrekordlers Javier Sotomayor als fünfmaliger Eberstadt-Sieger (1991, 1992, 1994, 1995, 1997) mit dem Platzrekord von 2,40 Meter am 10. Juli 1994 hatten sich in die Siegerliste eingetragen.
Mutaz Essa Barshim mag Eberstadt
Und mitten drin auch die Deutschen Dietmar Mögenburg, Gert Nagel und Carlo Thränhardt, die 1979 die Eberstädter Fluggesellschaft mit deutschen Rekorden zum Fliegen brachten. Carlo Thränhardt siegte dreimal und wurde dafür standesgemäß als „Ehrenwengerter“ (mit lebenslanger Weinlieferung?) ausgezeichnet.
Und jetzt dieser gazellenhafte Springer aus Katar, der als jüngster Sieger von Eberstadt (2011) bereits zweifacher Sieger ist. „Tolle Atmosphäre, ich mag den Platz hier“, sagte Mutaz Essa Barshim und blickte noch einmal über die Anlage.
Welche Ziele gibt es da für ihn noch? Vor den Weltrekord setzte er in Eberstadt den Asienrekord. Zweimal scheiterte er knapp an den 2,43 Metern. Die Experten aber sind sich sicher, an diesem Tag bereits Sprünge über den Weltrekord gesehen zu haben. Die Biomechaniker freuen sich schon auf die Auswertung der Sprünge des Eberstadt-Siegers.
Für den Weltrekord muss alles passen
„Für einen Weltrekord müssen schon viele Dinge stimmen, dieser benötigt eine Vorbereitungsphase“, erklärte Mutaz Essa Barshim. Mit seiner Lockerheit, seinem Lächeln und seiner Bereitschaft, mit zwölf Sprüngen zum Eberstadt-Rekord zu kommen, hat er sich in die Herzen der Zuschauer gesprungen.
Keine Frage: Solche Typen bringen die Leichtathletik voran. Am Morgen danach: einen schnellen Tee und ein Müsli im Stehen im Hotel und ab geht’s mit dem Flieger von Frankfurt nach Birmingham. Dort steht das ersehnte Duell mit Bogdan Bondarenko, dem ukrainischen Gegenspieler über der Latte, an. Weltklasse-Hochspringer sind Trendsetter.
Derweil träumen Schramm, Eisinger und Co. vom dritten Auftritt des umjubelten Höhenjägers unterm Eberfürst. „Who we be“ - wer wir sind - hatte Mutaz Essa Barshim als Begleitmusik in der Eberfürstarena laufen lassen. Hochspringer der außergewöhnlichen Art sind sie, diese Zirkusartisten.