Er hat sich aus einem Tief zurückgekämpft und ist wieder mittendrin in der Weltspitze: Stabhochspringer Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken) hat am Montag bei der WM in Peking (China) Silber geholt und steht damit nach seinem Titel in Moskau zum zweiten Mal auf einem WM-Podest. Wie er den Nerven-Krimi erlebt hat, was er zum neuen Weltmeister Shawnacy Barber (Kanada) zu sagen hatte und was der Erfolg für Olympia in Rio bedeutet, verriet er anschließend in der Mixed Zone.
Raphael Holzdeppe, vor dem letzten Versuch über 5,90 Meter hieß es: alles oder nichts. Was ging Ihnen da durch den Kopf?
Raphael Holzdeppe:
Da ist mir das Herz ganz schön in die Hose gerutscht! Es war ein ziemlich unruhiger Wettkampf von mir. Ich war extrem nervös. Normalweise ist das bei mir nur vorher so und nach dem ersten Versuch geht die Nervosität weg, weil ich das Gefühl habe, ich bin im Wettkampf angekommen. Aber dieses Mal ist sie dageblieben, dadurch kamen auch die Fehlversuche zustande.
Sie sind gleich mit einem Fehler bei 5,80 Metern in den Wettkampf eingestiegen. Mit 5,90 Meter im Ersten hätten sie aber wieder vorlegen können…
Raphael Holzdeppe:
Ich war erst einmal froh, dass ich im Zweiten über 5,80 Meter gekommen bin, der Versuch war wirklich gut. Dann habe ich gemerkt, dass die Konkurrenz schwächelt, und wollte daher unbedingt im Ersten über 5,90 Meter. Da hätte ich relativ früh das Podium sichern können und war vielleicht ein bisschen zu fixiert darauf, wollte es erzwingen. Mein Trainer hat es geschafft, mich vor dem dritten Versuch wieder etwas runterzubringen, damit ich den in Ruhe durchziehen kann. Dann war ich einfach nur glücklich, dass ich drüber gesprungen bin.
Was hat Ihr Trainer Andrei Tivontchik zu Ihnen gesagt?
Raphael Holzdeppe:
Er hat einfach die richtigen Worte gefunden. Ich wollte mit aller Macht drüber und unbedingt die Medaille sicher machen. Aber mit Gewalt geht in dem Sport einfach nichts. Er hat es geschafft mich zu beruhigen, damit ich den dritten Sprung so angehe wie den zweiten über 5,80 Meter. Und auf einmal hat’s wieder funktioniert.
Gold hätten Sie sicher gehabt, wenn Sie im dritten Anlauf über sechs Meter gesprungen wären. Was haben Sie vor dem Sprung gedacht?
Raphael Holzdeppe:
Ich habe nur darauf gehofft drüber zu springen. Aber ich habe in dem Moment schon gemerkt: Eigentlich ist nicht mehr drin in meinem Körper. Ich habe alles, was ich hatte, schon vorher auf den Tisch gelegt. Natürlich probiert man es trotzdem und versucht, sich noch mal zu pushen und irgendwo noch Reserven herzuholen… Ach, im Endeffekt bin ich aber wirklich voll zufrieden. Shawnacy hat einen beeindruckenden Wettkampf geliefert, er hat heute verdient gewonnen.
Was ist das für ein Gefühl, Renaud Lavillenie zu schlagen und dann kommt ein anderer um die Ecke?
Raphael Holzdeppe:
Weltmeisterschaften haben ihren eigenen Charakter. 2011 hätte niemand mit Wojciechowski gerechnet. Dieses Jahr hat ein Kanadier gewonnen, der aber die gesamte Saison schon nicht schlecht gesprungen ist. Er hat sehr viele Wettkämpfe gewonnen, in London ist er mit 5,93 Metern Bestleistung gesprungen. Er hat zum Kreis der Medaillenkandidaten dazu gehört. Dass er so einen Wettkampf abliefert bei seiner allerersten großen Meisterschaft ist schon beeindruckend. Aber man muss mit allem rechnen.
Shawn Barber springt mit sehr langen Stäben...
Raphael Holzdeppe:
Er springt Stäbe, die länger sind als alle, die andere Athleten zuvor jemals gesprungen sind. Allerdings muss man das auch können. Er hat einen Sprungstil entwickelt, der das zulässt. Wenn ich seinen Stab nehmen würde, ich wüsste nicht, ob ich über die Latte kommen würde. Jeder hat seinen eigenen Sprungstil. Renaud hat einen Sprungstil, der sehr viel Biegung hat, andere springen mit relativ wenig Biegung, zum Beispiel der US-Amerikaner Sam Kendricks. Jeder muss versuchen, seinen eigenen Sprungstil zu optimieren.
Eigentlich gehört zum Stabhochsprung ja auch das Pokern mit ausgelassenen Höhen dazu. Das war heute mit Steigerungen von 5,65 auf 5,80 und 5,90 Meter schwierig.
Raphael Holzdeppe:
Das Pokern wurde uns heute abgenommen. Ich glaube die Veranstalter haben gemerkt, dass die Qualifikationshöhe von 5,70 Metern zu niedrig war. Das haben sie dann versucht im Finale wieder gutzumachen, mit einer rapiden Steigerung der Höhen. Aber ich wäre wohl auch nicht anders gesprungen, wenn die Steigerung nicht so vorgegeben gewesen wäre. Jedenfalls hätte ich „Keine 95“ gesagt, wenn man mich vorher gefragt hätte. Im Wettkampf hätte ich mich aber darüber gefreut.
Sie haben ein schwieriges Jahr 2014 mit vielen Verletzungen hinter sich. Gab es seitdem einen bestimmten Moment, an dem Sie gemerkt haben: Der Knoten ist geplatzt, die WM kann gut werden?
Raphael Holzdeppe:
Das ging eigentlich Schritt für Schritt. Aber so richtig geplatzt ist der Knoten bei meinem dritten Meeting in diesem Sommer in Eugene. Da bin ich mit 5,80 Metern wieder Höhen gesprungen, mit denen man in der Welt vorne mitspringen kann. Das war der Moment in dem ich gemerkt habe: Das Kämpfen hat sich gelohnt, ich bin auf einem richtigen Weg, ich bin wieder in der Weltspitze angekommen. Wenn das einmal passiert ist, laufen die Wettkämpfe ganz anders. Man geht sie anders an, alles ist ein bisschen einfacher.
Was bedeutet der Erfolg in Peking für das kommende Jahr mit den Olympischen Spielen in Rio?
Raphael Holzdeppe:
Die Silbermedaille ist die Bestätigung dafür, dass ich auf einem richtigen Weg bin. Für die Olympischen Spiele war dieses Jahr ein sehr, sehr wichtiges. Alles, was in diesem Jahr gut läuft, kann man als Schwung mitnehmen ins nächste Jahr. Bis Rio kann aber noch viel passieren – man kann einen Sprung nach vorne machen, aber man kann sich auch verletzen. Nach Prognosen können Sie in einem Jahr noch mal fragen.
Welche Note würden Sie Ihrer Saison nach diesem Erfolg geben?
Raphael Holzdeppe:
Ich bin voll zufrieden. Ich würde ihr wirklich eine Eins geben. Ich bin Bestleistung gesprungen. Ich habe bei der WM alles rausgeholt, was für mich heute körperlich drin war.
Haben Sie ein Lieblingsgetränk? Womit wird heute Abend angestoßen?
Raphael Holzdeppe:
Ach, da bin ich eigentlich relativ offen heute (lacht).
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