| Interview der Woche

Thomas Schmitt: „Die Steigerung war nicht unrealistisch“

Drehstoß-Techniker Thomas Schmitt (LT DSHS Köln) hat am Samstag bei einem Provinz-Sportfest in Übach-Palenberg bei Aachen die Kugel auf 21,35 Meter katapultiert – und damit seine Bestleistung buchstäblich pulverisiert. Mit der Aufwertung um 2,28 Meter (!) steht der 2,02 Meter große und 140 Kilogramm schwere Kugelstoßer in der „ewigen“ deutschen Bestenliste nun auf Position acht. Im Interview spricht der 26-Jährige unter anderem über sein Training, seine Ziele und seine motorischen Probleme als Kind.
Harald Koken

Thomas Schmitt, werten Sie ihre Steigerung eher als Achtungszeichen oder als Ausrutscher?

Thomas Schmitt:

Das war in meinen Augen ein Ausrutscher nach oben, der nicht direkt wieder reproduziert werden kann. Es war ein sehr gut gelungener Versuch. So ein gutes Gefühl hatte ich bisher noch nie. Aber: Dass sich Drehstoßer derart steigern, wie es mir gelungen ist, ist nicht unrealistisch. Ich sehe es auch als Bestätigung dafür, dass es der richtige Schritt war, als ich Ende 2010 auf die Drehstoßtechnik umgestellt habe.

Wie waren die Reaktionen auf Ihren Erfolg?

Thomas Schmitt:

Viele meiner Freunde haben mir gratuliert, mein Telefon steht gar nicht mehr still. Und sogar Bundestrainer Sven Lang hat mich angerufen und mich beglückwünscht. Er hat gesagt, dass er sich sehr sehr freue, dass ich jetzt aber Ruhe bewahren solle. Ich möge mir als Ziel setzen, mich um 20 Meter herum zu stabilisieren. Er hat mir geraten, mich mit der Nationalen Anti-Doping Agentur [NADA] in Verbindung zu setzen, damit ich in den Kontrollpool aufgenommen werde. Ich habe der NADA sofort geschrieben und um eine Kontrolle gebeten. Auch damit ich keine Probleme mit der Anerkennung dieser Leistung bekomme. Und um zu vermeiden, dass ich die WM deshalb vor dem Fernseher verfolgen muss.

Die DLV-Norm für Peking liegt bei 20,60 Metern. Ist die WM-Teilnahme für Sie ein Thema?

Thomas Schmitt:

Ich versuche das zurzeit noch auszublenden. Bestätigen muss ich die Leistung noch, zumal der Werfertag in Übach-Palenberg ja kein Norm-Wettkampf war. Aber ich will es auf jeden Fall versuchen, nach Peking zu kommen. Denn dass die Möglichkeit da ist, weiß ich jetzt.

Wie haben Sie es empfunden, dass in Übach-Palenberg Ihre Tasche untersucht und Ihre Kugel gewogen wurde?

Thomas Schmitt:

Das fand ich komplett richtig. Denn nur so kann man das Ganze nach außen hin verkaufen und zeigen: Da ist nicht betrogen worden, da wurde nichts manipuliert, das war eine Leistung, die Hand und Fuß hat, die wirklich erzielt wurde. Ohne Trickserei.

Wenn eine Urinprobe gezogen worden wäre, ...

Thomas Schmitt:

...dann hätte man, das kann ich guten Gewissens sagen, nichts gefunden.

Haben Sie Ihre Gelenkverletzung noch gespürt?

Thomas Schmitt:

Ich hatte vor dem Wettkampf noch Schmerzen, aber zur Bekämpfung eine Tablette Ibuprofen genommen. Soweit ich weiß, ist das nicht verboten.

War die Verletzung auch der Grund, warum Sie in diesem Winter in der Halle nicht in Erscheinung getreten sind?

Thomas Schmitt:

Ich wollte ich meine Hand schonen und die Verletzung auskurieren, anstatt eine Hallensaison zu bestreiten. Damit hätte ich riskiert, dass das Dilemma wieder von vorn beginnt. Dann hätte ich nichts gewonnen. Stattdessen habe ich mehr Athletiktraining gemacht und ein bisschen mehr auf die Feinheiten in der Technik geachtet. Das scheint sich gelohnt zu haben.

Wie geht es jetzt weiter?

Thomas Schmitt:

Ich versuche erst einmal das Ganze zu verarbeiten. Mein nächster Wettkampf ist für Mitte Mai geplant. Und zwar bei den Deutschen Hochschul-Meisterschaften.

Sabrina Werrstein, die Sie im vergangenen Jahr trainiert hat, ist aus beruflichen Gründen nach Leipzig gezogen. Wer wird Sie in Zukunft betreuen?

Thomas Schmitt:

Im Moment trainiere ich alleine. Ab und zu schaut eine Trainingskameradin zu. Sie hat es geschafft, mir Ruhe beizubringen. Früher war ich zu Beginn der Bewegung zu hektisch. Jetzt kontrolliere ich mich diesbezüglich selbst und rufe somit auch kontrollierbare Bewegungen hervor. Sabrina Werrstein will sich mit Helge Zöllkau in Verbindung setzen, damit ich meine Technikeinheiten vielleicht bei ihm unterbringe.

Wie ist der Kontakt zu Ihrem langjährigen Coach Edvard Harnes?

Thomas Schmitt:

Ich habe ihn am Samstag angerufen und ihm vom Wettkampf erzählt. Er wollte sich unbedingt das Video des Versuchs anschauen, das mein Vater gedreht hat. Auch um zu sehen, wo der Unterschied zwischen den 19 Metern von vor zwei Jahren liegt. Das <link https: www.youtube.com _blank link zum youtube-video vom>Video befindet sich ja mittlerweile auch im Internet, aber die Analyse durch Edvard Harnes steht noch aus.

Weshalb ist er nicht mehr Ihr Trainer?

Thomas Schmitt:

Nach Auffassung meines Vereins hat er, was das Techniktraining für talentierte Athleten angeht, recht eigenwillige Vorstellungen. Weil keine Einigung erzielt werden konnte, wurde die Zusammenarbeit beendet. Ein zweiter Aspekt ist aber auch leider Edvards gesundheitlicher Zustand. Ohne das zermürbende Hin und Her scheint es ihm mittlerweile aber wieder besser zu gehen.

Wie lange betreiben Sie schon Leichtathletik?

Thomas Schmitt:

Schon ewig. Als Kind hatte ich tierische Probleme sowohl mit der Grob- als auch mit der Feinmotorik. Da hat ein Arzt meinen Eltern geraten, mich unbedingt Sport machen zu lassen. Mit sechs Jahren haben sie mich beim TuS Buir angemeldet. Mit zehn Jahren bin ich dann in die Gruppe von Rudolf Bell gekommen, der lange mein Trainer war. Da habe ich gelernt, wie man vernünftig läuft, habe innerhalb kürzester Zeit viel an Beweglichkeit gewonnen, und er hat auch früh mit mir angefangen, Kugelstoßtraining zu machen. Er hat mein Talent erkannt.

Zufall oder Fügung - Sie wollten am Samstag im Rahmen Ihres Physikstudiums mit der Masterarbeit anfangen, haben sich kurzfristig dann aber für den Wettkampf entschieden. Wird die Arbeit nun längerfristig verschoben?

Thomas Schmitt:

Nein. Ich bin bald sechs Jahre an der Uni. Da wird es Zeit, mit dem Master abzuschließen. Ich habe inzwischen angefangen ein paar Sätze zu schreiben und auf dem PC notwendige Programme installiert. Der Titel der Arbeit steht noch nicht ganz fest, wird aber vermutlich so ähnlich lauten wie „Absorptionsspektroskopie von Iso-Blausäure“. Die Arbeit ist auch eine gute Möglichkeit, sich von der aktuellen sportlichen Entwicklung abzulenken. Andererseits bin ich sicher, dass man mir im Falle des Falles mehr Zeit einräumen wird, sollte es aufgrund sportlicher Herausforderungen bis zum Abschluss etwas länger dauern.

Und nach dem Studium?

Thomas Schmitt:

Ich möchte meine Dissertation schreiben und den Doktortitel erwerben. Danach möchte ich in die Forschung gehen und vielleicht auch in die Lehre. Aber das ist Zukunftsmusik. Darüber muss ich mir erst später Gedanken machen. Insgesamt gilt hier wie im Sport: Ich lasse mich nicht davon abbringen, meine Ziele zu verfolgen. Auch wenn es schwer wird.

Mehr:

<link news:40039>Thomas Schmitt mit sensationeller Steigerung

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