| Porträt

Alina Reh: Neuer Trainer, neue Wege, gewohnt rasante Zeiten

Ein Trainerwechsel zu Beginn der Olympia-Saison: Ein Wagnis, das für Alina Reh nach der Olympia-Verschiebung auch zu einer Chance wurde. Die Zusammenarbeit mit ihrem neuen Coach André Höhne läuft bestens, die ersten Top-Leistungen hat die 23-Jährige bereits abgeliefert. Mit einem Training "als wären Olympische Spiele" soll der Grundstein für ein erfolgreiches Abschneiden in Tokio 2021 gelegt werden.
Katrin Brewka

Video-Beitrag: Alina Reh und André Höhne in Kienbaum auf der langen #RoadToTokyo

Alina Reh (SSV Ulm 1846) läuft auf dem Trainingsgelände des Olympischen und Paralympischen Leistungszentrums für Deutschland in Kienbaum ihre Runden, immer unter wachsamen Augen ihres Trainers Andre Höhne. Mit verschränkten Armen beobachtet er haargenau seinen Schützling.

Alina Reh kommt von einem 200 Meter-Sprint zurück und schaut ihn fragend an. Er sieht auf seine Uhr und beäugt sie kritisch. „War das Wettkampfgeschwindigkeit?“ Er lacht. Sie grinst breit und macht sich bereit für die nächsten 200 Meter. Herausforderung angenommen.

Trainerwechsel und Fahrplanänderung

Eigentlich sollte die Langstrecklerin jetzt ganz woanders sein, in einem Trainingslager in Südafrika, mitten in der Wettkampfsaison, doch es herrscht Umbruchstimmung bei Alina Reh. Angefangen mit ihrem Trainer, denn seit Anfang des Jahres wird sie nicht mehr von Jürgen Austin-Kerl betreut, sondern trainiert mit dem einstigen Weltklasse-Geher André Höhne aus Berlin, der als Bundestrainer den Langstrecken-Kader der Männer betreut.

Austin-Kerl konnte der 23-Jährigen aufgrund familiärer Verpflichtungen nicht mehr in dem gewohnten und benötigten Umfang zur Verfügung stehen. Andre Höhne betreute sie bereits während der Weltmeisterschaften in Doha (Katar) 2019. Schon Ende des vergangenen Jahres fuhren sie für zehn Tage gemeinsam ins Skilager im Allgäu, gefolgt von einem Trainingslager in Südafrika.

Vor allem in den ersten gemeinsamen Monaten arbeiteten die Beiden eng zusammen. Alina lernt die neuen Trainingsreize kennen, ist kaum zuhause. Das Team Reh/Höhne beginnt, sich einzupendeln. Doch dann kommt Corona. Die Pandemie hat die gemeinsame Jahresplanung von Trainer und Athletin ordentlich durcheinandergebracht.

Einfach weiterlaufen, trotz Corona

Im Februar lief die mehrmalige Deutsche Meisterin auf den Langstrecken noch einen Halbmarathon in Barcelona (Spanien) und belegte in 70:08 Minuten den 6. Platz. Das Trainingslager in Südafrika im März musste dann abgebrochen werden. Innerhalb eines Tages ging es mit dem Flieger zurück nach Deutschland.

Zu einem kompletten Stillstand kam es nicht, denn auch in dieser Zeit lief Alina Reh einfach weiter. Immer in Bewegung zu sein – das braucht sie, auch jetzt im Trainingslager, wo die die meisten Trainingseinheiten im Freien stattfinden. Wann oder wie es "normal" weitergehen kann, das sei jedoch momentan sehr schwer zu planen, erklärt die Langstrecklerin.

"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben"

Alina Reh hofft auf jeden Wettkampf, den sie wahrnehmen kann, und plant von Woche zu Woche. Das größte Ziel, die Olympischen Spiele in Tokio (Japan), wurden zwar um ein Jahr verschoben. Doch ein bisschen Olympia-Feeling soll es trotzdem geben, zumindest was die Gestaltung des Trainings betrifft: „Wir ziehen das Jahr so durch, als wären die Olympischen Spiele“, sagt Andre Höhne.

Alina  Reh nimmt die Olympia-Verschiebung auf 2021 locker. Diese Entscheidung habe den Druck etwas rausgenommen. „Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben und ich hoffe, dass der Traum von Olympia nächstes Jahr Realität wird“, sagt sie und lächelt verschmitzt. „Wenn ich an der Startlinie stehe, dann will ich 100 Prozent geben, ich will mir zum Schluss nichts vorwerfen müssen.“

Zwischen Fern-Coaching und gemeinsamen Trainingslagern

Dafür trainiert die U23-Europameisterin über 10.000 Meter derzeit mit ihrer neuen Trainingsgruppe im Leistungszentrum in Kienbaum. Nach den ersten Tagen hat sie sich bereits gut eingelebt, zahlreiche gemeinsame Einheiten sind absolviert. „Es ist toll, sich mit Gleichaltrigen über den Sport auszutauschen", sagt Alina Reh, die es gewohnt ist, viel alleine zu trainieren. Die Stimmung ist gut und ausgelassen, niemand lässt sich durch Corona die Laune vermiesen.

Dass Alina Reh und André Höhne gemeinsam auf der Bahn oder auf der Straße stehen, ist nicht alltäglich. Normalerweise trennen die Beiden knapp 600 Kilometer. Während der Trainer in Berlin ansässig ist und dort mit seiner Gruppe um Geher Leo Köpp (LG Nord Berlin) sowie den Mittelstrecken- und Hindernisläuferinnen Nele Weßel, Thurid Gers und Liane Weidner (SCC Berlin) arbeitet, ist Alina Reh in Laichingen auf der Schwäbischen Alb zuhause und startet für den SSV Ulm 1846 in Baden-Württemberg.

Bemerkenswerte Zeiten zum Saison-Einstieg

Doch die räumliche Distanz scheint das Gespann nur noch mehr zusammenzuschweißen. „Ich war am Anfang etwas skeptisch, da ich nie ein „Satellitenathlet' sein wollte. Aber wir telefonieren jeden Tag und tauschen uns aus“, sagt das Langstrecken-Ass über die ungewohnte Zusammenarbeit mit ihrem Trainer. Zuhause spult Alina Reh ihre Einheiten ab, führt Trainingstagebuch und absolviert Läufe unter Wettkampfbedingungen. Hin und wieder begleitet sie ihr Bruder Noah. Meist läuft sie ganz alleine, auf der Straße, im Wald, über Wiesen oder auf einer leeren Bahn gegen eine tickende Uhr.

So wie zuletzt Anfang Mai bei einem bemerkenswerten Solo über 5.000 Meter, bei dem sie in 15:18 Minuten sogar schneller war als im Vorjahr bei der DM in Berlin. Und auch über die doppelte Distanz konnte Alina Reh schon unter Beweis stellen, dass die Form stimmt: Beim „Berlin 10k Invitational“ rannte die 23-Jährige am Sonntag ebenfalls im Alleingang zu einer Zeit von 31:26 Minuten, zur Bestzeit fehlten lediglich um 3 Sekunden.

„Sie ist eine Kämpferin und macht keine Kompromisse. Darauf kommt es an“, lobt André Höhne seinen neuen Schützling. Derweil macht sich Alina bereit für einen weiteren 200-Meter-Tempolauf. Sie rennt, ist wie im Tunnel. Fokussiert. Als sie zurückkommt, sieht sie ihren Trainer fragend an.Der grinst. „Der Durchgang war besser als der letzte.“ Sie lächelt erfreut, geht zurück zum Start und macht sich gleich bereit für die nächsten 200 Meter.

Video-Beitrag: Alina Reh und André Höhne in Kienbaum auf der langen #RoadToTokyo

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