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Christin Hussong und die Geschichte hinter ihrer bisher besten Saison

Auf dem Weg zu den Heim-Europameisterschaften in Berlin präsentiert sich Speerwerferin Christin Hussong in bestechender Form. Beim „3. Internationalen Speerwurfmeeting“ in Jena am vergangenen Samstag sicherte sich die 24-Jährige souverän den Tagessieg. Es ist die Bestätigung ihres Entwicklungsprozesses, der einige Besonderheiten mit sich bringt.
Lars-Henrik Wacker

Christin Hussong hat einfach einen Lauf – und das nicht nur beim Sport. Überrascht zeigte sich die 24-Jährige, als ihr Name bei einer Verlosung fiel und sie einen neuen Nordic Sport Speer gewann. Es war das i-Tüpfelchen auf einem gelungenen Tag, denn zuvor hatte sich die Werferin vom LAZ Zweibrücken mit 63,64 Metern und einem neuen Meeting-Rekord den Tagessieg beim Speerwurf-Meeting in Jena gesichert.

„Ich bin super zufrieden mit meiner 63-Meter-Weite. Klar hätte es noch ein bisschen weiter gehen können. Wenn ich ein paar technische Fehler weniger gemacht hätte, dann hätte das auch geklappt“, erklärte Hussong selbstkritisch und betonte: „Bis zum drittletzten Schritt bin ich wirklich schon groß und kann meine Länge des Arms ausspielen. Aber bei den letzten beiden Schritten mache ich noch ein paar Fehler, weshalb es noch nicht so regelmäßig über die 66 Meter geht.“

Christin Hussongs persönliche Bestleistung liegt bei 66,41 Meter, aufgestellt in Kassel 2016. In dieser Saison flog der Speer schon auf 66,36 Meter. Die EM-Norm hat die Studentin seit dem Winterwurf-Europacup im März in der Tasche, während andere Speerwerferinnen wie Ex-Weltmeisterin Katharina Molitor (TSV Bayer 04 Leverkusen) noch um eine Teilnahme bangen. „Es war bisher die beste Saison meiner Karriere. Wir haben einfach die technischen Fehler aus dem letzten Jahr geändert, sodass ich die Power konstant auf den Speer bringen kann“, sagt Christin Hussong.

Umstellung in der Technik

Die 24-Jährige hat im Winter an ihrer Körperposition beim Wurf gearbeitet und es geschafft, das Gewicht mehr auf ihr rechtes Stemmbein zu verlagern, statt auf das linke Bein zu fallen. Athletisch war Hussong schon im vergangenen Jahr stark, ohne es aber entscheidend auf den Speer zu bringen.

Zudem hat sich die U23-Europameisterin von 2015 aus ihrem Tief herausgekämpft. Das Aus in der Qualifikation bei der Weltmeisterschaft in London 2017 ist passé. „Ich habe seitdem viel mit meinem Vater [Anm. der Red: Trainer Udo Hussong] gearbeitet und auch mit den Männern trainiert. Eigentlich habe ich nicht viel falsch gemacht, es waren nur Kleinigkeiten. Und es gibt immer mal schlechte Jahre, das hat jeder Sportler schon einmal mitgemacht“, betont die Rheinland-Pfälzerin.

Nach dem schlechten Vorjahr suchte die gebürtige Zweibrückerin nach neuen Impulsen und fand sie in Südafrika. Während der Wintervorbereitung arbeitete sie mit den Männern zusammen. Sie holte sich das Feedback von Bundestrainer Boris Obergföll, schaute den Top-Stars wie Thomas Röhler (LC Jena) und Johannes Vetter (LG Offenburg) bei deren Würfen über die Schulter. Doch hinter ihnen verstecken möchte sich Christin Hussong keineswegs. „Ich bin nicht mehr die Kleine, die nichts kann. Und letztendlich sind es auch nur Menschen, mit allen Höhen und Tiefen, die genauso im Training kämpfen müssen, wie ich“, stellt sie klar.

Vater Udo eine entscheidende Stütze

Doch die wichtigste Bezugsperson von Christin Hussong ist Trainer und Vater in Personalunion: Udo Hussong. Seit der Jugend, in der sie sich regelmäßig auch im Kugelstoßen versucht hat, wird sie von ihrem Vater in der Leichtathletik betreut. Gemeinsam mit ihrem Papa hat die 24-Jährige, die seit 2012 auf das Speerwerfen setzt, alles erlebt. Ein anderer Trainer kommt für die 1,86-Meter-Athletin nicht in Frage.

„Auf dem Sportplatz ist er eben mein Trainer und nicht mein Vater. Wir haben ein besonderes Verhältnis, aber so ist es perfekt. Ich bin es auch nicht anders gewohnt“, erklärt Hussong. Und auch wenn es einmal Meinungsverschiedenheiten gibt, finden die Beiden schnell wieder zusammen: „Spätestens wenn man sich zuhause sieht, oder am nächsten Tag, dann ist wieder alles okay. Und Mama sorgt dafür, dass das Zuhause auch Zuhause ist.“

Hussong ist ein Heimat-Mensch

Ein weiterer Trumpf der Werferin mit den langen blonden Haaren ist die Verbundenheit zur Heimat. Sie ist ein Kind der Pfalz, lebt gemeinsam mit ihrem Freund in der 800-Seelen-Gemeinde Herschberg, rund 20 Kilometer von ihrem Trainingsort Zweibrücken. Dass ihre Mitmenschen nichts mit dem rheinland-pfälzischen Zweibrücken anfangen können, kommt schnell vor. „Gerade den internationalen Leuten muss ich das schon sehr genau erklären, weil es nur die wenigsten kennen. Und dann ist es noch ganz wichtig, dass ich nicht aus dem Saarland komme“, betont Hussong mit einem Lachen.

Wobei eine enge Verbindung ins Saarland dann doch besteht: Christin Hussong studiert Gesundheitsmanagement in Saarbrücken an der „DHfPG“ (Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement) und schließt ihr Studium im kommenden Jahr ab. „Es läuft wirklich sehr gut. Ich bekomme dort sehr viel Unterstützung und nächstes Jahr mache ich meinen Bachelor. Ich denke, dass es dann weiter geht.“

Mit kühlem Kopf nach Berlin

Bis es aber soweit ist, stehen noch andere Pläne auf dem Programm. Vor allem die <link>Heim-Europameisterschaften in Berlin (6. bis 12. August) sind das Ziel der 24-Jährigen. „Auf jeden Fall muss man erst einmal die Qualifikation überstehen. Ich habe es ja auch leider schon erlebt, dass es nicht ganz so einfach ist, wenn man als Favoritin hinfährt“, erklärt Christin Hussong.

Zugleich betont die zurzeit beste deutsche Speerwerferin: „Wenn ich die Qualifikation überstehe, dann möchte ich auf jeden Fall um eine Medaille mitkämpfen, auch wenn es in Europa einige drauf haben. Aber entscheidend wird die Tagesform sein.“ Dass es die Athletin vom LAZ Zweibrücken kann, hat sie in dieser Saison schon vielfach unter Beweis gestellt. Der große Wurf im Berliner Olympiastadion ist möglich. Für die einstige U18-Weltmeisterin, die 2011 vom Weltverband IAAF sogar als beste Nachwuchsathletin zum "Rising Star" gekürt wurde, wäre das Treppchen von Berlin der endgültige Durchbruch in den Kreis der allerbesten Werferinnen der Welt.

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