Am Dienstag geht für das deutsche Leichtathletik-Team der Flieger nach Bergen. Dort werden für die Talente der Jahrgänge 2003 bis 2005 von Donnerstag bis Sonntag die Medaillen der U23-Europameisterschaften vergeben. Das DLV-Aufgebot ist mit 96 Nominierten ebenso groß wie leistungsstark: 19 der deutschen Athletinnen und Athleten gehen in den Top Drei der Meldeliste an den Start.
Das Fana Stadion von Bergen in Norwegen empfängt in dieser Woche Europas größte Talente der U23-Altersklasse: Erstmals seit der Team-EM 2010 wird dort wieder eine internationale Leichtathletik-Meisterschaft ausgetragen: Vom 17. bis zum 20. Juli fallen bei den U23-Europameisterschaften in insgesamt 44 Wettbewerben die Medaillen-Entscheidungen.
Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat in der zurückliegenden Wochenende 96 Athletinnen und Athleten für die Meisterschaften nominiert und ist in fast allen der Entscheidungen vertreten, in vielen Wettbewerben konnten sich sogar drei und mehr Athlet:innen für die Meisterschaften qualifizieren. Doch das DLV-Team ist nicht nur groß, sondern auch konkurrenzfähig: 19 DLV-Starter:innen haben sich mit ihren bisherigen Saisonleistungen in den Top Drei der Meldeliste platziert, weitere 29 haben in den Top Acht Europas gute Finalchancen, hinzu kommen vier Staffeln über 4x100 und 4x400 Meter.
Medaillenhatz im Diskusring
Besonders vielversprechend ist aus deutscher Sicht die Ausgangslage im Diskuswurf der männlichen U23: Mit Mika Sosna (TSG Bergedorf; 70,05 m), Steven Richter (LV 90 Erzgebirge; 69,61 m) und Marius Karges (Eintracht Frankfurt; 63,92 m) stellt der DLV die Nummer eins, zwei und vier der Meldeliste und drei von insgesamt acht 60-Meter-Werfern im Feld. Einen deutschen Sweep könnte wohl am ehesten der Grieche Dimitrios Pavlidis mit einer Bestleistung von 65,11 Metern verhindern.
Sogar die Plätze eins, zwei und drei in Europas U23 in diesem Jahr belegen die deutschen 10.000-Meter-Läuferinnen – allen voran Lisa Merkel (LAV Stadtwerke Tübingen; 31:46,53 min). Sie musste ihren Start in Bergen jedoch kurzfristig verletzungsbedingt absagen, es rückt Nele Heymann (LG Brillux Münster) ins Team. Mit Bestzeiten von 33:05,14 und 33:06,40 Minuten können jedoch auch Carolina Schäfer (TG Schwalbach) und Kira Weis (KSG Gerlingen) ganz vorne mitlaufen. Nur die Doppel-Europameisterin der U20 über 3.000 und 5.000 Meter Agate Caune (Lettland) bringt eine Bestzeit unter 32 Minuten mit, hat in diesem Jahr allerdings bisher erst eine 33er Zeit erzielt.
Heiko Gussmann und Aileen Kuhn: konstant auf Top-Niveau
Mit konstant starken Leistungen haben weitere deutsche Talente ihre Medaillen-Ambitionen untermauert: Heiko Gussmann (Sprintteam Wetzlar) bringt neben seiner Bestzeit von 10,15 Sekunden auch Zeiten von 10,17 und 10,19 Sekunden mit nach Bergen, allein Gabriel Maia (Portugal; 10,17 sec) ist in diesem Jahr ebenfalls schon unter 10,20 Sekunden gesprintet. Aileen Kuhn (Eintracht Frankfurt; 72,48 m) ist eine von drei 70-Meter-Hammerwerferinnen im Feld, sie hat diese Marke in diesem Jahr schon in sechs Wettbewerben überboten.
Weniger stabil waren zuletzt die Leistungen von Kugelstoßerin Nina Ndubuisi (SG Schorndorf 1846), die mit 18,91 Metern dem Rest des Feldes um fast anderthalb Meter voraus ist. Doch die 21-Jährige ist ein echter Wettkampf-Typ, hat ihre letzten internationalen Auftritte immer mit einer Bestleistung beendet und wird in Bergen nur schwer zu schlagen sein. Das erklärte Ziel von Tizian Lauria (VfL Sindelfingen) ist spätestens seit seinem ersten 20-Meter-Stoß die Verteidigung seines Titels aus Espoo (Finnland). So weit kam bisher noch keiner seiner Konkurrenten, die 19,71 Meter des Moldawiers Alexandr Mazur stammen aus der Hallensaison, im Freien hat er sich zuletzt auf 19,60 Meter gesteigert.
Serina Riedel von Saga Vanninen gefordert
Hochspannung ist über 400 Meter Hürden der männlichen U23 angesagt, wo Owe Fischer-Breiholz (Königsteiner LV) mit seiner Bestzeit von 48,76 Sekunden Europas Spitze dieser Altersklasse erobert hat. Weitere drei Athleten sind die Stadionrunde mit Hürden jedoch ebenfalls schon in unter 49 Sekunden gerannt. Und auch über 800 Meter dürfte es äußerst eng zugehen: Alexander Stepanov (VfL Sindelfingen; 1:44,17 min) ist der erste von acht Athleten mit Bestzeiten unter 1:45 Minuten. Doch während der Sindelfinger diese Marke erst einmal unterbieten konnte, haben einige Konkurrenten das schon mehrfach geschafft – zum Beispiel der Italiener Francesco Pernici und der Brite Justin Davies.
Im Siebenkampf ist die wohl aussichtsreichste Athletin ganz unten in der Liste zu finden: Saga Vanninen (Finnland) hat in diesem Jahr noch keinen Siebenkampf bestritten. Dafür drei phänomenale Hallen-Fünfkämpfe, mit denen sie neben einem Meeting-Sieg auch die Titel bei der Hallen-EM und der Hallen-WM abräumen konnte. Ob sie diese Form mit in den Sommer gebracht hat, wird sich am Wochenende zeigen. Klar ist dagegen, dass Serina Riedel (SV Halle) als Nummer eins der Meldeliste in Topform ist: Nach ihren glänzenden 6.322 Punkten von Götzis (Österreich) legte sie zuletzt in Ulm eine Hürden-Bestzeit nach und sprang dicht an ihre Weitsprung-PB heran.
Weltklasse-Athlet:innen auf dem Weg nach Tokio
Neue Bestleistungen und den Rückenwind von Top-Drei-Platzierungen bringen aus deutscher Sicht auch die Speerwerfer Nick Thumm (VfB Stuttgart) und Mirja Lukas (TSV Bayer 04 Leverkusen), die Hindernisläufer Robin Müller (LC Top Team Thüringen) und Adia Budde (LAV Stadtwerke Tübingen) sowie Milina Wepiwé (TSG Wehrheim; Diskus), Holly Okuku (GSV Eintracht Baunatal; 200 m), Vanessa Mikitenko (SSC Hanau-Rodenbach; 5.000 m) und Rosina Schneider (TV Sulz; 100 m Hürden) mit nach Bergen.
Ein Blick lohnt sich auch auf das internationale Teilnehmerfeld. Denn dort tummeln sich mehrere Athletinnen und Athleten, die schon jetzt das Leistungsniveau haben, um in der Aktivenklasse international vorne mitzumischen. Zum Beispiel der Olympia-Sechste über 1.500 Meter Niels Laros (Niederlande), der über 800 und 5.000 Meter an den Start geht. Die Dritte der Hallen-WM über 400 Meter Henriette Jaeger (Norwegen; 200/400 m). Die Vierte der Hallen-WM über 800 Meter Audrey Werro (Schweiz). Die Vize-Europameisterin im Hochsprung Angelina Topic. Oder die zweimalige Vize-Europameisterin im Speerwurf Adriana Vilagos (beide Serbien).
Die U23-EM in Bergen sehen Sie live auf Eurovision Sport. In Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Leichtathletik-Verband (ÖLV) und Swiss Athletics bietet der DLV dort einen deutsch kommentierten Livestream an, in dem die Athletinnen und Athleten der drei Verbände im Fokus stehen werden. Live-Ergebnisse finden Sie bei European Athletics.