| Historische Serie

Deutsche EM-Gesichter V: Ruth Fuchs – Die erste Olympiasiegerin im Bundestag

Die Leichtathletik-EM 2018 vom 7. bis zum 12. August im Berliner Olympiastadion wird 2018 das größte Sportereignis auf deutschem Boden. Die Europameisterschaften haben seit ihrer Premiere 1934 in Turin eine große Tradition. In unserer zweiten historischen Serie präsentieren wir deutsche EM-Gesichter vergangener Titelkämpfe. Heute: Speerwerferin Ruth Fuchs (SC Motor Jena), die zweimalige Olympiasiegerin und Europameisterin ist eine außergewöhnliche Athletin der deutschen Leichtathletik-Geschichte.
Ewald Walker

Nicht nur wegen ihrer überragenden sportlichen Erfolge als zweimalige Olympiasiegerin, zweimalige Europameisterin und sechsmalige Weltrekordlerin sticht Ruth Fuchs heraus. Nach ihrer Karriere war die ehemalige Speerwerferin politisch aktiv: Sie saß 1990 für die PDS in der ersten und letzten frei gewählten Volkskammer der DDR, gehörte danach dem Deutschen Bundestag und dem Thüringer Landtag an.

Ihre sportliche Karriere war herausragend. „Man hat mir als Jugendliche den Speer in die Hand gedrückt und gesagt 'Wirf mal!'", erinnert sie sich an die Anfänge. Erfolge ließen die Beziehung zum Wurfgerät zu einer großen Liebe werden. 1967 wurde sie erstmals DDR-Meisterin und warf 1970 als erste ostdeutsche Speerwerferin über 60 Meter. Mit einer Bronzemedaille bei den Europameisterschaften in Helsinki (Finnland) 1971 begann ein erfolgreiches Jahrzehnt. "Mit der Ausreise in den Westen erlebte ich meinen ersten sportpolitischen Höhepunkt“, sagt Fuchs im Rückblick.

Erster Triumph 1972 in München

Bei den Olympischen Spielen in München 1972 wurde sie erstmals 0lympiasiegerin. „Es waren schöne Olympische Spiele, aber es war natürlich Klassenkampf Ost-West, die Auseinandersetzung der Systeme im Sport“, lautet ihre Einordnung. Da hatte Gold doppelte Bedeutung. Die EM in Rom (Italien) war für Ruth Fuchs neben ihrem ersten EM-Titel auch wegen der Rahmenbedingungen besonders interessant. „Wir haben die Kulturstätten wie das Kolosseum geradezu aufgesogen“, erinnert sie sich.

1976 in Montreal (Kanada) wiederholte Ruth Fuchs ihren Olympiasieg und verteidigte zwei Jahre später in Prag auch ihren EM-Titel. Zwar warf sie 1980 mit 69,96 Metern ihren sechsten Weltrekord, der dritte Olympiasieg blieb ihr aber versagt. „Wenn das Siegen-Müssen größer ist als das Siegen-Können sollte man aufhören“, ordnet sie das Ende ihrer Karriere ein. Fuchs zerbrach in Moskau an der hohen Erwartungshaltung. Sie ist dennoch zufrieden mit ihre sportlichen Karriere („Ich habe jeden Sieg erkämpft und bin stolz auf mich“), die insgesamt 23 Jahre gedauert hat.

Politisch gebildete Sportlerin

Der Sport war für die politisch gebildete Sportlerin, die als Medizinisch-Technische Assistentin und später in der Lehrerausbildung tätig war, immer Teil der sozialistischen Ideologie. Sie war als Vize-Präsidentin des DDR-Leichtathletik-Verbands (DVfL) und in der Frauen-Kommission der IAAF auch als Funktionärin tätig. Sie pflegt heute einen offenen Umgang mit dem Staatsdoping in der DDR und ihrer eigenen Situation darin. „Man kann doch die Geschichte nicht leugnen, wenn man in den Spiegel schauen will“, sagt Ruth Fuchs.

Der Sport habe viel zur Charakterbildung beigetragen, sie würde ihn deshalb wieder betreiben. Die Frage, ob der Leistungssport heute eher den Anspruch Markt oder Tempel erfülle, hält sie zugunsten der Entwicklung hin zum Kommerz für beantwortet. Sie hält dennoch an den linken politischen Werten der ehemaligen DDR fest, hat jedoch eine ganz pragmatische Einstellung eingenommen: „Wer den Untergang der DDR nicht bedauert, hat kein Herz, wer sie Wiederhaben will, hat keinen Verstand“, sagt das Idol des DDR-Sports.

Als Mitglied des Sportausschusses war die heute 71-Jährige elf Jahre im Bundestag und ist damit bisher die einzige Olympiasiegerin im höchsten deutschen Parlament.

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