| Interview der Woche

Julian Howard: „Jetzt ist meine Zeit!“

Hallen-Bestleistung und Hallen-EM-Norm: Weitspringer Julian Howard von der LG Region Karlsruhe hat sich am Samstag beim Indoor Meeting mit 8,04 Metern an die Spitze der deutschen Bestenliste gesetzt. Was ihm das bedeutet, wo er sich allgemein im deutschen Weitsprung der Männer einsortiert und warum der Auftritt in der Karlsruher Messehalle für ihn mehr Heimspiel war denn je, das verriet er anschließend im Interview.
Silke Morrissey

Julian Howard, Sie haben der Konkurrenz gleich im zweiten Versuch eine ordentliche Marke vorgesetzt – war das der Plan?

Julian Howard:

Ich hatte mir vorgenommen, hier acht Meter zu springen. Der erste Sprung ist zurzeit bei mir immer recht verhalten, weil ich Beugerprobleme hatte und noch vorsichtig bin. In Glasgow bin ich zum Beispiel mit 7,50 Metern eingestiegen. Hier kamen im ersten Versuch 7,84 Meter  raus – da wusste ich: Ok, heute kann es weit gehen. Das habe ich gleich im zweiten Versuch umgesetzt. Dann war ein bisschen die Luft raus. Ich wollte nichts riskieren, eigentlich hatten wir vorher gesagt, dass ich aus dem Wettkampf rausgehe, sobald ich die Norm habe. Aber das kann man natürlich auch nicht bringen…

Sie waren schließlich das Postermotiv des Indoor Meetings!

Julian Howard:

Genau, ich bin hier auf den Plakaten, die Leute stehen hinter mir, es sind so viele gekommen um mich springen zu sehen. Da kann man das nicht machen. Daher habe ich ein wenig taktiert, mal ein paar Sprünge ausgelassen, meinem Beuger zuliebe, und geschaut, was die Konkurrenz macht. Nachdem Caceres die 8,16 Meter gesprungen ist, habe ich noch mal voll attackiert, aber leider übertreten. Trotzdem bin ich mit einem Lächeln aus dem Wettkampf gegangen.

Das Gefühl des Heimspiels ist also in der Messehalle kein anderes als zuvor in der Europahalle?

Julian Howard:

Es war für mich mehr Heimspiel als je zuvor! Mit dem ganzen Drumherum schon im Vorfeld, mit der Präsentation, der Vermarktung, dass ich da mit einbezogen wurde, dass das in Karlsruhe so gepusht wurde…

Wie zufrieden waren Sie denn mit Ihrem Satz auf 8,04 Meter?

Julian Howard:

Ich bin gelandet, habe nach hinten geschaut und gedacht: Verdammt, du hast wieder 20 Zentimeter bei der Landung verloren. Naja, 20 vielleicht nicht ganz, aber… Mein Trainer sagt gerade, es waren zehn. Und dass der Sprung dann doch 8,04 Meter war, war einfach fantastisch.

Sie hatten schon den Hallen-Länderkampf in Glasgow angesprochen. Dort sind Sie bei 7,81 Metern gelandet, in Karlsruhe ging es ganze 23 Zentimeter weiter. Was ist in der Woche dazwischen passiert?

Julian Howard:

Eigentlich gar nichts. In Glasgow habe ich viel verschenkt, beim Absprung und bei der Landung. Hier ging’s einfach 23 Zentimeter weiter, weil der Anlauf zum Brett hin besser gepasst hat. Ganz viel dazu beigetragen haben auch die Stimmung, der Druck und die Motivation. Das saugt man auf  jeden Fall auf, wenn man hier antritt. Wenn ich mich ein bisschen mehr getraut hätte, hätte es auch noch weiter gehen können.

Wie wichtig ist Ihnen der eine Zentimeter, den Sie auf die deutsche Jahresbestweite von Max Heß draufgepackt haben? Bedeutet der Ihnen etwas?

Julian Howard:

Auf jeden Fall! Wenn ich jetzt in die Bestenliste schaue, stehe ich ganz vorne, vor Max. Schon vor Glasgow wurde ich gefragt, was ich springen will. Da war meine erste Antwort: Nah an die Norm. Dann habe ich ganz kurz gezögert und gedacht: Nee, wieso eigentlich? Ich will ganz oben stehen in der Bestenliste! Und jetzt hat’s geklappt. Fragt sich, wie lange. Aber es ist ein schönes Gefühl.

Haben Sie die Entwicklung von Max Heß mitverfolgt? Sein deutscher U20-Rekord kam doch sicher auch für Sie überraschend…

Julian Howard:

Das war eine starke Leistung von ihm, Hut ab! Er ist ja auch in einer tollen Trainingsgruppe, mit Kristin Gierisch, er macht super starke Mehrfach-Sprünge, ist ja eigentlich Dreispringer. Ich habe ihn auf Teneriffa im Trainingslager gesehen, da hat er schon einen echt tollen Eindruck gemacht. Wir haben zwar nicht zusammen trainiert, aber zeitgleich, und ich habe gesehen, was er drauf hat. Dass er die 8,03 auspackt war natürlich ein Ding. Es ist, glaube ich, auch gar nicht so einfach für ihn. Das generiert ja eine Erwartungshaltung bei den Leuten und schafft Druck. Aber ich freue mich sehr für ihn. Und für den Weitsprung kann es nur gut sein, wenn die Konkurrenz hoch ist. Dann ist die Disziplin für die Zuschauer attraktiv, dann wird sie in Meetings gezeigt, und davon profitiere ich letztendlich auch.

Im Weitsprung der Männer präsentiert sich zurzeit ohnehin eine neue Konstellation, ohne Christian Reif, der seine Karriere beendet hat, ohne Sebastian Bayer, der die Hallensaison auslässt, mit einigen neuen Gesichtern. Wo würden Sie sich hier einordnen?

Julian Howard:

Es war bisher immer so, dass ich in der zweiten Reihe rumgekrebst bin. Nur Insider wussten, dass es weit gehen kann, wenn ich wirklich fit bin und was auf die Bahn oder aufs Brett kriege. Ich habe mich oft genug selbst enttäuscht, weil das nicht funktioniert hat, sei es aufgrund muskulärer Probleme oder aufgrund anderer Dinge, wie zum Beispiel des Studiums. Ich habe nicht den Luxus wie andere, die des Öfteren zweimal am Tag trainieren können und sonst nichts machen, weil sie bei der Bundeswehr oder Bundespolizei sind. Ich absolviere ein vollwertiges Studium, ich studiere Mathe und Sport auf Lehramt. Und ich habe ein abgeschlossenes Maschinenbau-Studium. Ich hatte immer viel neben dem Sport zu tun. Jetzt will ich meine Chance nutzen, nachdem Christian aufgehört hat und ich mich über die letzten Jahre nach vorne gekämpft habe. Jetzt hat der Weitsprung bei mir Priorität und ich versuche, alles andere darum herum zu arrangieren. Jetzt ist meine Zeit, und die will ich genießen!

Das Ticket für die Hallen-EM in Prag scheint ja nun so gut wie sicher…

Julian Howard:

Naja, sicher ist das noch lange nicht! Ich habe mit Alyn Camara gesprochen, der startet nächste Woche in die Hallensaison, und bei Fabian Heinle hat man heute auch gesehen, dass er gut springen kann. Von daher ist noch relativ viel offen. Das finde ich spannend, das hält den Druck hoch. Ich will mich nicht zurücklehnen und mir sagen: Ach, jetzt brauche ich nicht mehr zu trainieren. Ich weiß natürlich, dass ich mit den 8,04 Metern gute Karte habe, und gehe selbstbewusst an die Sache ran. Aber ich schreibe die anderen noch nicht ab.

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