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Martin Keller zwischen Kunststoffbahn und Fußballplatz

Die Jagd nach schnellen Zeiten ist für Martin Keller nicht alles. Seit drei Jahren gibt der Leipziger Sprinter auch als Schiedsrichter auf Sachsens Fußballplätzen den Ton an. Ob an der Linie oder auf dem Platz, der 28-Jährige hat bisher etwa 150 Spiele geleitet. Geprägt hat ihn sein erstes Spiel im Männerbereich. „Ich habe gemerkt, dass du dir nicht von den Spielern auf der Nase herumtanzen lassen darfst, sonst läuft das Spiel aus dem Ruder. Deswegen versuche ich mit den Akteuren freundlich, aber direkt zu kommunizieren.“
Sandra Arm

Als Schiedsrichter sei er ein Pedant. „In meinem letzten Spiel, in dem ich auch beobachtet wurde, gab es zehn gelbe Karten. Das Spiel war nicht unfair. Wenn es Regeln gibt, bin ich Pedant genug, um dem Einhalt zu verschaffen“, sagt Martin Keller über sich.

Er sprach angesichts der Fülle an Karten von einer Ausnahme unter erschwerten Bedingungen, der Regen hatte den Rasen aufgeweicht und lud zum Rutschen und zur einen oder anderen Grätsche ein. „Wenn es sein muss, ziehe ich die Karte. In der Regel sind es zwei, drei pro Spiel. Ich arbeite auch gern mal mit einer Ermahnung. Und meistens funktioniert das auch gut.“

Unfaires Verhalten wird bestraft

Was bei ihm nicht funktioniert sind Unsportlichkeiten. Darauf reagiere er allergisch. Und untermauert seine Worte auch gleich an einem Beispiel. So stand es in einer Partie zehn Minuten vor Schluss 4:3, einige spielten auf Zeit. „Das läuft bei mir nicht. Das ist unsportliches Verhalten.“ Gern zieht er dann Parallelen zum Handball. Ertönt der Pfiff, legen die Spieler den Ball sofort auf das Parkett. „Das fasziniert mich so am Handball, dass es funktionieren kann. Ich werde jetzt die Kreisligaspieler nicht dahin erziehen können. Ich setze Maßstäbe für mich und ziehe sie durch.“

Auch die diesjährige Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, die er vor dem Fernseher verfolgte, bot in gewissen Situationen guten Anschauungsunterricht. Viel sei nämlich über Entscheidungen gleich zu Beginn des Turniers diskutiert worden. Vor allem über manche Karten, die nicht gezogen wurden. Für sich selbst hat Martin Keller daraus Lehren gezogen, nämlich „rücksichtslose Spielweisen frühzeitig zu unterbinden“.

Entscheidung: Fußball oder Leichtathletik?

Fußball begeistert den deutschen Sprintstar schon seit Kindertagen. Mit acht Jahren fing Martin Keller mit dem Kicken an. Beim Heimatverein in Wechselburg, einer Gemeinde etwa 25 Kilometer nördlich von Chemnitz gelegen. Was hat ihn dazu bewogen? Sein Bewegungsdrang. „Meine Mutter wollte, dass er sich irgendwo entlädt.“ Entladen hat er sich vorerst beim Fußball - ganz vorn auf Rechtsaußen. „Ich habe auf der Position gespielt, auf der ich mit meiner Schnelligkeit punkten konnte.“ Doch das allein reichte nicht, um mit der Konkurrenz mitzuhalten. Zu klein, zu jung – meist war mit der Halbzeit für ihn Schluss. Er wurde ausgewechselt.  

Nicht so in der Leichtathletik. „Meine Grundschullehrerin war Übungsleiterin der Leichtathletikabteilung in dem Verein, in dem ich auch Fußball spielte.“ So kam es, dass er eine zeitlang beides machte. Irgendwann sollte er sich für eine Sportart entscheiden. Die Wahl fiel sehr schnell: „Weil ich immer der Kleinste und der Jüngste in der Mannschaft war, der nicht so oft spielten durfte, habe ich mich für die Leichtathletik entschieden.“ Und noch eine Kleinigkeit trug zur schnellen Entscheidungsfindung bei – die Medaillen. „Beim Fußball gab es für den Sieg immer einen Pokal, vom dem ich nichts hatte. In der Leichtathletik durfte ich die Medaille behalten.“

Im ersten Spiel flogen drei Spieler vom Platz

Seine Schiedsrichter-Laufbahn begann im Jahr 2002 mit zwei Einsätzen als Schiedsrichterassistent zur Probe. „Es war damals so, dass die zweite Mannschaft meines Vereins bei Heimspielen die Schiedsrichterassistenten selber stellen musste. Das habe ich ein-, zweimal gemacht, fand es gut und besuchte anschließend einen Lehrgang“, erinnert sich Martin Keller zurück. Nur noch schwach kann er sich an sein erstes Spiel, „irgendwas im Nachwuchsbereich“, erinnern. Einprägsamer da schon sein erster Einsatz im Männerbereich.

In den niederen Klassen war es damals so, dass der Heimverein den Schiedsrichter selbst stellte. Also wurde der Neuling in einer Partie seiner Mannschaft in Wechselburg eingesetzt. Vergessen hat er die Begegnung nie. „Ich habe gleich drei Spieler, einen von meinem, zwei vom anderen Verein, vom Platz geschickt.“ Inzwischen pfeift er für die Nachbargemeinde Rochlitz.

Verletzung bremst ihn aus

Mit seiner damaligen Leistung hatte diese Entscheidung weniger zu tun.  „In Wechselburg war das Soll an Schiedsrichtern erfüllt, in Rochlitz nicht“, begründet Martin Keller den Wechsel. In der Saison muss er auf mindestens 15 Einsätze für seinen Verein kommen. Das Soll hat er bereits erfüllt, meist sind es im Jahr zwischen 20 und 25 Partien.

Fast schon fließend geschieht der Übergang vom Ende der Leichtathletik-Saison zum Fußball. Seine Tätigkeit abseits der roten, gelegentlich auch mal blauen Laufbahn ist für ihn mehr als ein schöner Ausgleich. „Wenn ich am Wochenende mit Fußball beschäftigt bin, tritt die Leichtathletik in den Hintergrund, und ich gehe Montag wie neu in die Woche.“

Fast wäre der Sprintkarriere parallel eine zweite als hochklassiger Schiedsrichter gefolgt - wenn ihn 2006 nicht eine Verletzung ausgebremst hätte. „Nach zweieinhalb Jahren habe ich aufgehört, und habe erst vor drei Jahren wieder angefangen zu pfeifen.“ Die damalige Einstufung als Jungschiedsrichter in der Kreisoberliga, mit der Perspektive nach weiter oben, fiel nach der langen Pause weg. Geblieben aber ist sein Ehrgeiz, mit dem er sich nun langsam wieder bis in die Kreisliga B arbeitete.

Bereit für die nächsten Schritte

Der nächste Schritt wäre der Aufstieg in die Mittelsachsen-Klasse, denkbar nach der Halbserie. Und vielleicht auch mal die Landesklasse oder Landesliga. Der Traum von einer noch höheren Liga scheint nicht mehr möglich. „So komisch wie es klingt: Für die großen Aufgaben bin ich mit 28 Jahren zu alt“, sagt der bekennende Sympathisant des Zweitligisten RB Leipzig und des Bundesligisten Borussia Dortmund.

Der Ausflug in eine andere Welt scheint Martin Keller mehr als gut zu tun. „Die Tätigkeit als Schiedsrichter hat mich menschlich weitergebracht und geprägt. Man lernt sich durchzusetzen, was einem jetzt im allgemeinen Leben und im Sport zugutekommt.“ Passt ihm etwas nicht oder bekommt er einen Spruch eines Spielers von der Seite, dann weiß er sich zunächst sprachlich gut durchzusetzen. „Ich ermahne, und wenn der Spieler das nicht verstanden hat, dann kommt irgendwann der Karton aus der Hosentasche.

Ein willkommener Neben-Effekt der Schiedsrichter-Einsätze: inbegriffen ist immer auch ein leichtes Lauftraining. „Mir fällt es leicht, dem Spiel zu folgen. Man rennt nicht im Vollsprint hin und her. Eher intervallmäßig, alle Minute mal 60 Meter.“ Im vergangenen Jahr machte er sich sogar den Spaß und maß mit der GPS-Uhr seine zurückgelegte Strecke auf dem Platz: „Das waren knapp acht Kilometer in 90 Minuten.“ Aber deutlich langsamer als im Vollsprint über 100 Meter.

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