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Nadine Gonska macht Ernst

Nadine Gonska (MTG Mannheim) hat in diesem Sommer die deutsche Sprintszene aufgemischt. Noch vor Kurzem war sie nur Insidern bekannt – im Sommer stand sie auf einmal im Aufgebot der deutschen EM-Staffel. Ein WM-Start 2015 in Peking (China) ist in Reichweite.
Philip Häfner

Sie gewann zwar keine Medaille, sie kam als Ersatzläuferin der 4x100-Meter-Staffel noch nicht einmal zum Einsatz – trotzdem durfte sich Nadine Gonska im Kreis der deutschen EM-Starter als Gewinnerin fühlen. Als einzige Athletin im DLV-Team schaffte die Mannheimerin den Sprung nach Zürich, obwohl sie noch nicht einmal dem B-Kader angehört, sondern bislang lediglich dem baden-württembergischen Landeskader.

Bei den Europameisterschaften musste sie dann von der Tribüne aus mit ansehen, wie der Medaillentraum der DLV-Mädels schon im Vorlauf platzte. Nach einem Wechselfehler bei der zweiten Übergabe von Rebekka Haase (LV 90 Erzgebirge) auf Tatjana Pinto (LG Brillux Münster) schieden die Titelverteidigerinnen aus.

EM-Norm bei zu viel Wind

Ihr Ticket zu den Europameisterschaften hatte sich Nadine Gonska mit starken Leistungen bei den nationalen Titelkämpfen verdient. In Ulm wurde die 24-Jährige über 200 Meter in neuer persönlicher Bestzeit von 23,27 Sekunden Zweite, ganz knapp hinter Siegerin Rebekka Haase (23,24 sec). Und wenn auf den letzten 80 Metern nicht ihre Wade gezwickt hätte, wäre vielleicht sogar der Titel möglich gewesen. „Ich bin trotzdem überglücklich“, sagte sie nach ihrem Rennen. „Es war ein Super-Wochenende für mich.“

Bereits im Vorlauf hatte Gonska geglänzt und mit 23,09 Sekunden sogar die EM-Einzelnorm unterboten, allerdings bei etwas zu starkem Rückenwind von 2,8 Metern pro Sekunde. „Als ich die Zeit gesehen habe, habe ich erst einmal einen kleinen Schreck gekriegt. Ich habe dann aber ziemlich schnell mitbekommen, dass der Wind zu stark nachgeholfen hat.“

Bundestrainer traut ihr noch schnellere Zeiten zu

Immerhin weiß sie jetzt, wie es sich anfühlt so schnell zu laufen. „Ich traue mir eine solche Zeit auch ohne Wind zu“, sagt Nadine Gonska. Das sieht Bundestrainer Ronald Stein, der seit Kurzem auch bei den Frauen für die kurzen Sprintstrecken verantwortlich ist, genauso: „Nadine Gonska hat sicher noch weiteres Steigerungspotenzial und mit Rüdiger Harksen einen kompetenten Trainer an ihrer Seite. Für mich gehört sie zum Kreis der Kandidaten für einen Olympiastart 2016 in Rio de Janeiro. Ich traue ihr sogar Zeiten unter 23 Sekunden zu.“

Als letzte deutsche 200-Meter-Sprinterin hatte Cathleen Tschirch (TSV Bayer 04 Leverkusen) eine 22er-Zeit angeboten; sie lief 2007 22,97 Sekunden und 2012 noch einmal 22,98 Sekunden. Inzwischen hat Tschirch die Spikes jedoch an den Nagel gehängt und arbeitet in Baden-Württemberg als Trainerin.

Prioritäten verschoben

Dass sie einmal als ihre Nachfolgerin gehandelt werden würde, daran hätte Nadine Gonska bis vor Kurzem noch nicht einmal im Traum gedacht. Bis 2011 war sie Freizeitsportlerin beim kleinen Verein MTV Bad Kreuznach – dort verdiente sich auch Ex-Speerwurfweltmeister Matthias de Zordo sein ersten sportlichen Meriten –  in Rheinland-Pfalz, selbst Deutsche Meisterschaften waren mit einer Bestzeit von 26,18 Sekunden über 200 Meter damals eine Nummer zu groß für sie.

Dann aber zog sie nach dem Abitur nach Heidelberg, um dort Grundschullehramt zu studieren. Sie wechselte zur MTG Mannheim – allerdings nicht in die Elitegruppe um Verena Sailer bei Trainer Valerij Bauer, sondern zu Andrzej Kedzierski, dem Vater der mehrfachen Deutschen Vizemeisterin Johanna Kedzierski. „Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich neben dem Studium ein bisschen mit Leichtathletik weitermache“, erzählt sie, aber dann hätten sich die Prioritäten verschoben. Zum ersten Mal in ihrer Karriere ging sie die Sache mit dem Sprinten ernsthaft an.

Wechsel zu Rüdiger Harksen

Mittlerweile trainiert sie sechsmal die Woche, seit dem Frühjahr bei Rüdiger Harksen, weil Andrzej Kedzierski sein Amt niedergelegt hat. „Die Bedingungen in Mannheim sind hervorragend. In Bad Kreuznach hatten wir im Winter noch nicht einmal eine Leichtathletikhalle mit Kunststoffbahn, sondern lediglich eine Schulturnhalle“, sagt Nadine Gonska.

2013 wurde sie schon DM-Dritte, doch erst in diesem Jahr stürmte sie endgültig in die deutsche Spitze. Binnen eines Jahres steigerte sie sich dabei gleich um exakt eine halbe Sekunde auf 23,27 Sekunden. Ein ähnlicher Leistungssprung könnte ihr im kommenden Jahr das Ticket zur WM nach Peking (China) bescheren - wo sie dann vielleicht nicht mehr zusehen muss, sondern selbst in Aktion treten draf.

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