| Saisonvorbereitung

Thomas Röhler und der Traum vom deutschen Rekord

Mit 89,27 Metern hat Speerwerfer Thomas Röhler (LC Jena) im letzten Jahr schon an den 90 Metern gekratzt und zudem bei der WM in Peking (China) in einem denkwürdigen Finale eine Medaille nur knapp verpasst. Jetzt will der drittbeste deutsche Speerwerfer aller Zeiten Weiten jenseits der 90 Meter attackieren und international um die Medaillen kämpfen.
Anja Herrlitz

Von Rekorden spricht Speerwerfer Thomas Röhler vom LC Jena eigentlich nicht so gern. Aber jetzt kommt er wohl nicht drum herum. Vor 21 Jahren, am 21. Juli 1995, warf Raymond Hecht 92,60 Meter weit. Bis heute ist das deutscher Rekord. Nur Hecht selbst kam im Jahr darauf mit 92,28 und 91,50 Metern noch einmal sehr nah an diese Marke heran. Geht es nach Thomas Röhler, wird er den Rekord im Olympiajahr angreifen.

Aber nicht weil er den Rekord will, sondern weil er einfach muss, „um Wettkämpfe erfolgreich zu bestreiten“. Schon 2015 zeigte sich, auf welch hohem Niveau sich der Männer-Speerwurf derzeit befindet. Röhler warf bei den Weltmeisterschaften fünfmal über 86 Meter, zwei Würfe davon waren sogar weiter als 87 Meter, der weiteste 87,41 Meter. Eine unglaubliche Serie, die trotzdem „nur“ zu Rang vier reichte.

90 Meter das Maaß der Dinge

Vor ihm lagen der Kenianer Julius Yego (92,72 m), der Ägypter Ihab Abdelrahman (88,99 m) und der Finne Tero Pitkämäki (87,64 m). „Was gerade international abgeht, ist crazy“, meint Thomas Röhler. Und er rechnet nicht damit, dass das im Olympiajahr anders wird. „Mein Trainer und ich gehen davon aus, dass vielleicht sogar fünf Leute 90 Meter werfen können. Das heißt 90 Meter werden nicht reichen, um bei Olympia zu gewinnen.“

Den Kopf in den Sand stecken wird Thomas Röhler deswegen aber nicht. Er sieht es pragmatisch: Er müsse sich dann halt etwas einfallen lassen, um auch weiter zu werfen. Die 90 Meter will er auf jeden Fall knacken. Im Vorjahr war er mit 89,27 Metern schon ganz nah dran. Weiter geworfen haben in Deutschland nur der deutsche Rekordler Raymond Hecht und der heutige Bundestrainer Boris Obergföll (90,44 m), der damals noch Henry mit Nachnamen hieß. Er war auch der letzte Deutsche, der am 9. Juli 1997 die 90-Meter-Marke übertraf. Weltweit haben in der Geschichte erst 14 Athleten weiter als 90 Meter geworfen.

EM-Quali auf dem Museumplein

Nicht nur bei Olympia will Thomas Röhler wie im vergangenen Jahr bei der WM vorne mitmischen. Auch für die EM in Amsterdam (Niederlande) hat er sich hohe Ziele gesetzt. „Die Konkurrenz wird stark sein. Top Fünf ist ein realistisches Ziel, aber das ist bei der EM nicht mein Anspruch. Es soll aufs Treppchen gehen“, gibt er das Ziel selbstbewusst aus. Dabei wartet in Amsterdam eine besondere Herausforderung auf den 24-Jährigen: Die Qualifikation soll auf dem Museumplein stattfinden, einem Platz mit einer Rasenfläche.

Zum Finale geht es dann ins Olympiastadion. „Eine coole Idee“, findet Thomas Röhler. Allerdings stellt es die Werfer auch vor ein kleines Problem: „Ich habe noch nie in Amsterdam im Stadion geworfen. Deshalb ist es schon eine Herausforderung, die Quali draußen zu werfen und dann für das Finale ins Stadion zu kommen. Ich hoffe, dass wir mindestens eine Begehung bekommen, damit man sich wenigstens ein bisschen auf die Bedingungen einstellen kann.“

"Perfekter" Vorbereitungsverlauf

Momentan arbeitet Thomas Röhler noch daran, fit für den Saisoneinstand zu sein. Vom 17. bis 27. April feilt er im Trainingslager noch einmal an der Wurftechnik, für den 14. Mai ist dann beim Diamond League-Meeting in Shanghai (China) der Saisoneinstieg geplant. Bislang läuft bei Thomas Röhler alles nach Plan. „Nahezu perfekt“, sagt er, „obwohl man das Wort perfekt im Sport ja eigentlich nicht benutzt.“ Von Verletzungen blieb er verschont, das Training kann er voll durchziehen.

Und das braucht er auch für eine Saison, in der er sich viel vorgenommen hat – und in der er sich erst einmal gegen die starke nationale Konkurrenz durchsetzen muss. Den Mannheimer Andreas Hofmann und Johannes Vetter aus Offenburg, die beide im vergangenen Jahr weiter als 85 Meter geworfen haben, hat er besonders auf der Rechnung. „Und Lars Hamann ist auch eine Wundertüte, der kann auch richtig weit werfen“, weiß er. Wer sich dann aber national durchsetzt – und noch die 90 Meter knackt – der sollte bei Olympia gute Karten haben.

Würfe deutscher Athleten über 90 Meter*:

92,60 m - Raymond Hecht (21.7.1995; Oslo/NOR)
92,28 m - Raymond Hecht (14.8.1996; Zürich/SUI)
91,50 m - Raymond Hecht (1.9.1996; Gengenbach)
90,44 m - Boris Henry (9.7.1997; Linz/AUT)
90,20 m - Raymond Hecht (10.8.1996; Monaco/MON)
90,06 m - Raymond Hecht (12.2.1994; Eschenbach)
90,06 m - Raymond Hecht (25.5.1996; Jena)

*nach Einführung des neuen Speers mit verändertem Schwerpunkt im Jahr 1986

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