Koordinations- und Schnelligkeitstraining für Mittelstreckler
DLV-Akademie, Wolfgang Killing, Videos H. Hommel, unter Mitarbeit von Beate Conrad und Henning von Papen
Inhalt:
Einordnung
Mittelstreckenlaufen findet konditionell gesehen am Schnittpunkt von Ausdauer und Schnelligkeit statt. Das eine hat ohne das andere keinen Wert, ist doch die Tempohärte, also Schnelligkeitsausdauer und Spurtschnelligkeit, am Ende eines Rennens im schon ermüdeten Zustand die leistungsbestimmende Komponente des Mittelstrecklers.
Da sich der Mittelstreckler primär als Läufer und nicht als Sprinter versteht, wird das reine Schnelligkeitstraining nicht selten zugunsten von Dauer- und Tempoläufen vernachlässigt bzw. die Trainer meinen, mit Tempoläufen auf den Unterdistanzen (400 bis 600 m) dem Schnelligkeitstraining genüge getan zu haben. Dabei hat das Schnelligkeitstraining nicht nur einen Wert an sich, indem es die Grundschnelligkeit entwickelt, sondern wirkt über eine Verbesserung der Laufkoordination auch positiv auf die Laufökonomie und damit die bessere Ausnutzung der konditionellen Fähigkeiten. Eine interessante Erfahrung soll das belegen:
Bei schnellen Läufen über flache Hindernisse wird dem Sportler eine Schrittgestaltung von kurzem zum optimal langen, d.h. nicht übermäßig langem Schritt "aufgezwungen". Dies hat zur Folge, dass einige Sportler über 30-m-fliegend-Distanzen schnellerer Zeiten über die kleinen Hürden hatten als ohne. - Das betraf übrigens auch Läufer mit deutschem Spitzenniveau. Hier hat also das "normale" Mittelstreckentraining schon zu einer erheblichen negativen Veränderung der Sprintleistung geführt. Dem kann durch entsprechende, nachfolgend gezeigte Übungen entgegengewirkt werden. Dieses qualitativ hochwertige Koordinations- und Schnelligkeitstraining ist für eine optimale individuelle Leistung im Mittel- (und Langstrecken-)Lauf unverzichtbar.
Zielgruppe(n)
Das Koordinations- und Schnelligkeitstraining eignet sich für alle Altersklassen ab dem Schüleralter bis zum mittleren Erwachsenenalter.
Übungen der allgemeinen Laufschule
Fußgelenkarbeit
- Achten Sie auf einen technisch sauberen Fußaufsatz und ein sauberes Abrollen!
- Ist dieses gegeben, kann der Sportler - wie bei allen nachfolgenden Übungen - frequenzbetont arbeiten.
- Variationen: Nach je 7 oder 10 Schritten eine Vierteldrehung ausführen, ohne dass die Bewegungsrichtung aufgegeben wird (Fußgelenkarbeit mit Drehungen). Auch können einzelne Schritte betont werden: Z.B. jeden 5. Schritt wechselseitig ein Bein stärker nach oben und wieder aktiv zum Boden führen
Stech- bzw. Schlagschritt
- Die Beine werden aus der Hüfte im Knie gestreckt und mit nach oben angezogener Fußspitze nach vorn geschlagen.
- Anschließend werden sie aktiv nach hinten-unten zum Boden geführt, um den Körperschwerpunkt zu treffen.
- Die Schrittlänge allmählich steigern.
- Variation: Veränderung der Armarbeit/-haltung, z. B. werden die Arme nach unten gestreckt, zur Seite, nach vorne oder über den Kopf gehalten (um die Hüftachse stabilisieren zu lernen und die Körperspannung aufzubauen).
Kombinierte Laufschul-Übungen
Knieheben kombiniert mit Anfersen
- Das linke Bein führt eine Kniehebe-, das rechte eine Anfersbewegung aus (Seitenwechsel).
Einseitiger Kniehub
- Jeder linke (oder rechte) Schritt wird mit hohem Knieanreißen ausgeführt.
Einseitiger Sprunglauf
- Jeder linke (oder rechte) Schritt wird als Sprunglauf ausgeführt, mit dem anderen Bein wird ein flacher Übergangsschritt ausgeführt.
Übergang in den Steigerungslauf
- Beginnend mit Fußgelenkarbeit wird der Knieeinsatz über Skippings zum Knieheben gesteigert, dies kurz beibehalten und in einen Steigerungslauf überführt.
Frequenzläufe über niedrige Hindernisse
Kniehebelauf aus dem Stand über niedrige Schaumstoffblöcke
- 1. Abstand der Schaumstoffblöcke: 2,5 Fuß, 2. Abstand: 3 Fuß, 3. Abstand und alle folgende Abstände: 3,5 Fuß
- Gesamtlänge: 15 m
- Laufbeginn aus dem Stand: reaktiv druckvoll beginnen mit hohem Knieeinsatz und hohem Ballenstand
- Auf kurze Bodenkontakte achten ("Heiße Herdplatte")!
- 3 bis 4 Läufe
- Abstände vergrößern: 4,5 - 5 - 5,5 Fuß (3 bis 4 Läufe)
Kniehebelauf aus kurzem Anlauf über Mini-Hürden
- Abstände: 4,5 - 5 - 5,5 Fuß für Läuferinnen (Läufer jeweils einen Fuß mehr)
- Aus kurzem Anlauf mit hohem Knieeinsatz über 15 Minihürden sprinten - entspricht ca. 30 m.
- Auf guten Abdruck und energischen Arm- und Schwungbeineinsatz achten!
- Variation: Höhere Geschwindigkeiten werden durch eine Anlaufverlängerung (20 m) erreicht. 12 bis 15 Minihürden oder Schaumstoffblöcke stehen hierbei in Abständen von 6 bis 6,5 Füße bei Läuferinnen (sehr schnelle bei 7 bis 7,5 Füße) und bei Läufern von 7,5 bis 8 Füße (sehr schnelle bei 8 bis 8,5 Füße).
- 6 bis 10 Läufe
Sprints über Minihürden mit variablen Abständen
- Über Minihürden mit zunächst konstantem, dann größerem und schließlich wieder kürzeren Abständen sprinten.
Durchführung
Das Schnelligkeitstraining ist ein Techniktraining. Um optimal zu wirken, muss man es im frischen Zustand möglichst zu Trainingsbeginn absolvieren, stark ermüdende Belastungen in der vorangehenden Einheit sollten vermieden werden. Nach dem Aufwärmen durch Einlaufen und nach ausführlichem Dehnen beginnt man mit einfachen Übungen der Laufkoordination bzw. des Lauf-ABCs.
Belastungsparameter für das Schnelligkeitstraining | |||
Übung | Anzahl | Streckenlängen | Pausen |
10 Übungen des Lauf-ABC | 10 x 1 | 30 m | 1' |
Rhythmusschulung: Stand, zunehmender Abstand | 2 x 3 bis 4 | 15 m | 1,5' |
Frequenzwechsel | 3 bis 4 | 30 m | 2' |
Frequenzläufe mit Anlauf, individuelleAbstände | 6 bis 10 x | 20 + 30 + Auslauf | 3' |
Einordnung in die Trainingseinheit
Wie schon ausgeführt, sollte die Schnelligkeitsarbeit am Anfang der Trainingseinheit direkt nach dem Aufwärmen absolviert werden. Im Anschluss kann ein weiteres Lauftraining, z. B. als kurze Tempoläufe (Schnelligkeitsausdauer; dann aber mit reduzierter Anzahl der Frequenzläufe), durchgeführt werden. Zusätzlich können noch einige Übungen zur Rumpfstabilität, z. B. Medizinballübungen, die Trainingseinheit abrunden. Auslaufen und Dehnen beenden die Trainingseinheit.
Einordnung in die Trainingswoche
Grundsätzlich sollte die Haupttrainingseinheit zur Schnelligkeit am Anfang der Woche liegen, da hier noch ein ausgeruhter Zustand vorliegt. Weitere kleine Schnelligkeitsreize können im Wochenverlauf als Vorbereitung von Tempoläufen oder Nachbereitung lockerer Dauerläufe gesetzt werden.
Bedeutung und Veränderungen im Jahresverlauf
Schnelligkeit wird ganzjährig trainiert! Beginnend mit technisch-kordinativen Abläufen im submaximalen Bereich werden zunehmend höhere Umfänge im submaximalen Bereich absolviert. Dabei wird der maximale Bereich nicht gänzlich vernachlässigt, bleibt allerdings gering.
Im weiteren Jahresverlauf erhöhen sich die maximalen Intensitäten zu Lasten der submaximalen Läufe und zwar sowohl in der Vorbereitung der Hallenmeisterschaften als auch der Freiluftsaison. Dabei wird aber der submaximale Anteil nicht gänzlich heruntergefahren, um immer wieder die koordinative Komponente zu stabilisieren.
Aufgrund der nervalen Ermüdung liegt der Umfang der maximalen Schnelligkeit dabei immer deutlich unter dem, was vorher im submaximalen Bereich trainiert wurde!
Exemplarische Wochentrainingspläne
Wochentrainingsplan in der allgemeinen VP | ||||||
Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So |
Aufwärmen Schnelligkeits- Stabilisation Auslaufen | Aufwärmen GA2: 10 x 200 m Auslaufen | Aufwärmen Gymnastik Spiel | GA1-DL Spiel Schwimmen | Aufwärmen Kreistraining Spiel | GA1-DL (lang) Gymnastik Auslaufen | Pause |
Wochentrainingsplan in der speziellen VP | ||||||
Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So |
Aufwärmen Schnelligkeits- Stabilisation Auslaufen | Aufwärmen GA1-DL Gymastik Auslaufen | Aufwärmen GA2-TL: Auslaufen | GA1-DL Kreistraining Auslaufen | GA1-DL Gymnastik Auslaufen | Aufwärmen Cross-Wettkampf Auslaufen | Pause |
Wochentrainingsplan in der Wettkampfphase | ||||||
Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So |
GA1-DL Gymnastik Auslaufen | Aufwärmen Schnelligkeits- Auslaufen | Aufwärmen GA2-TL Auslaufen | GA1-DL Gymnastik | Ruhe | Aufwärmen Wettkampf: Auslaufen | Pause |
Legende: SA = Schnelligkeitsausdauer (Geschwindigkeit größer 100% des Leistungszieles, in Richtung Wettkampfphase bis 120%)