Kugelstoß: Drei junge Athletinnen – drei Techniken
Von Klaus Schneider und Peter Salzer
Die Lehrbildreihen zeigen die drei Erstplatzierten im Kugelstoßen der weiblichen Jugend bei den Deutschen Jugendhallenmeisterschaften 2010. Dort sicherte sich die B-Jugendliche Shanice Craft mit 14,89 Meter den Titel. Im Sommer 2010 erreichte dann U18-Weltmeisterin Lena Urbaniak mit 15,80 Meter die größte Weite aller drei Athletinnen.
Die drei Athletinnen zeigen drei verschiedene Technikvarianten: Das Angleiten (Shanice Craft) stellt die "klassische" Lösungsvariante im Kugelstoßen der weiblichen Jugend bzw. der Frauen dar. Die Wechselschritt-Technik (Kristin Zaumsegel) wird seit einigen Jahren von immer mehr Athletinnen, vor allem im Nachwuchsbereich, genutzt. Die Drehstoßtechnik (Lena Urbaniak) hingegen ist in der weiblichen Jugend und auch in der Aktivenklasse eher selten zu sehen. Lediglich im US-amerikanischen Raum wenden viele Athletinnen diese Technik an.
Shanice Craft


Die Lehrbildreihe zeigt Shanice Craft bei ihrem Siegstoß bei den Deutschen Jugendhallenmeisterschaften 2010. Die Hauptdisziplin von Shanice Craft ist das Diskuswerfen. Ihre Leistungen belegen, dass die Kombination beider Disziplinen im Schüler- und Jugendalter praktikabel und im Sinne der vielseitigen Ausbildung sogar wünschenswert ist. Der Abdruck für das Angleiten wird von Shanice Craft entsprechend der Zielvorstellung über die Ferse realisiert (s. Bilder 3 und 4), der Angleitweg könnte etwas länger sein. Die weitere Arbeit mit dem Druckbein (rechts) erfolgt noch nicht ausreichend. Der Fuß sollte etwas weiter eingedreht aufgesetzt werden (s. Bild 5). Mit dem Oberkörper arbeitet Shanice Craft gut, sie hält ihn relativ ruhig und auch der Kopf ist entsprechend lange nach hinten orientiert.
In der Stoßauslage zeigt Shanice Craft eine gute Aktivität der Beine (sprunghafter Ausstoß) und eine gute Körperspannung (s. Bild 9). Sie sollte jedoch ein noch aktiveres Weiterarbeiten mit dem rechten Fuß anstreben (s. Bilder 6 bis 8), um das Eindrehen und die Druckentwicklung nach vorn-oben auf die rechte Hüftseite zu unterstützen. Der sprunghafte Ausstoß ist positiv zu bewerten. Im Zusammenwirken mit der guten Beinarbeit im Sinne der Streckung und einer stabilen linken Körperseite gelingt ihr ein explosiver, langer Ausstoß.
Klassische Angleit-Technik von Shanice Craft
Kristin Zaumsegel


Die Bildreihe zeigt den besten Versuch von Kristin Zaumsegel bei den Deutschen Jugendhallenmeisterschaften als sie Zweite wurde. Die Jenaerin stößt aus dem Wechselschritt. In der Ausgangsposition (s. Bild 1) steht Kristin Zaumsegel gut über dem rechten Bein. In der folgenden Abdruck- und Wechselphase entscheidet sich im hohen Maße die Qualität des Rhythmus. In diesem Versuch gelingt es ihr, durch einen aktiven Impuls vom linken Fuß eine gute, zur Kreismitte gerichtete Bewegung zu realisieren, ohne dabei den Oberkörper zu stark anzuheben und den Hüftgelenkswinkel zu öffnen. Allerdings sollte die Abdruckrichtung vom linken Fuß noch flacher gestaltet werden.
In der Wechselphase gelingt es ihr gut, den Schultergürtel locker und geschlossen zu halten. Der Kopf wird lange gegen die Stoßrichtung fixiert. Beides verhindert ein zu frühes Aufdrehen mit dem Oberkörper. Mit der Arbeit des linken Arms unterstützt sie zunächst die Abdruckbewegung (s. Bilder 2 und 3) und in der Folge das Zurückhalten des Oberkörpers (s. Bilder 4 bis 6), was zu einem guten Spannungsaufbau zwischen Schulter- und Beckenachse führt.
In der Stoßauslage sind die größten Reserven von Kristin Zaumsegel zu erkennen. Gelingt es ihr in den Bildern 8 bis 10 noch relativ gut, den rechten Fuß, das rechte Knie und die rechte Hüfte nach vorn zu drücken, umso negativer muss dann die Beinarbeit im Sinne der Streckung betrachtet werden. Die Kniegelenkswinkel (s. Bilder 8 bis 12) verändern sich kaum. So erreicht Kristin Zaumsegel eine nur sehr geringe Stemmwirkung mit dem linken Bein, woraus wiederum ein zu geringer finaler Impuls für einen sprunghaften Ausstoß resultiert.
Wechselschritt-Technik von Kristin Zaumsegel
Lena Urbaniak


Die Lehrbildreihe zeigt Lena Urbaniak bei einem ihrer weitesten Stöße ihrer Karriere: Lena Urbaniak stößt mit der Drehstoßtechnik. Sie beginnt die Stoßbewegung mit einer weiten Ausholbewegung des Schwungarms, führt danach aber den Ellenbogen des Stoßarms etwas zu hoch über der Schulterachse. Vorbildlich ist dagegen das aktive Andrehen im Fußgelenk des Druckbeins (s. Bild 2). Durch eine weite Ausholbewegung des Dreh-/Druckbeins (s. Bild 3) und durch die Streckung des Fußgelenks im Stemmbein (s. Bild 5) versucht sie, einen hohen Streckimpuls zu erreichen, um die rechte Hüftseite aktiv nach vorn zu bringen. Leider gelingt es dabei nicht, diese Bewegung flach zu gestalten, stattdessen führt sie das Dreh-/Druckbein über die Kniehöhe des Stemmbeins (s. Bild 4).
Das zu aktive Mitführen des Kopfes in Drehrichtung (bereits eingeleitet in Bild 2) hat dann zur Folge, dass der Oberkörper zur Blockseite abkippt (s. Bild 5). Das Dreh-/Druckbein „überdreht“ in der Flugphase, weshalb sie den rechten Fuß nicht im rechten Winkel, sondern entgegen der Stoßrichtung aufsetzt (s. Bild 7). Ein optimales Weiterdrehen auf dem Fußballen ohne Geschwindigkeitsverlust ist dadurch nicht möglich. Trotzdem schafft es Lena Urbaniak, eine ordentliche Verwringung zwischen Hüft- und Schulterachse zu erreichen, weil sie ihr Stemmbein vorbildlich anwinkelt (s. Bild 7), somit aktiv und schnell „von oben“ setzen kann (s. Bilder 8 und 9) und dadurch ein ständiges Vorlaufen der Hüfte mit gleichzeitigem Zurückhalten der Stoßschulter gewährleistet ist.
Trotz der Inaktivität im rechten Fußgelenk (s. Bilder 7 bis 9) kann das leichte „Vorlaufen“ der Schulterachse (s. Bilder 10 und 11) durch ihre dynamische Drehbewegung und das anschließende, verzögerte Weiterdrehen des Dreh-/Druckbeins kompensiert und eine gute Körper- und Fußgelenksstreckung mit deutlicher Blockbildung der linken Körperseite (s. Bilder 12 und 13) erreicht werden.
Drehstoß-Technik von Lena Urbaniak
Ausführlichere Angaben zum Technikbild der Athletinnen und zu ihren Leistungsentwicklungen finden Sie in Ausgabe 7/2010 der Zeitschrift leichtathletiktraining.