Nachwuchs-Sprinter Elias Goer war in diesem Jahr einer der erfolgreichsten deutschen Jugend-Leichtathleten: Der 18-Jährige sammelte bei der U20-EM in Boras zwei Medaillen, Gold mit der 4x100 Meter-Staffel und Silber über die 200 Meter. Zudem errang der Hesse zwei DM-Medaillen bei den Großen in Berlin. Er profitiert von der starken Trainingsgruppe von David Corell mit Deutschlands schnellsten Männern.
An diesem Tag steht Regeneration, Kraft und Stabilisation auf dem Trainingsplan, gemeinsam mit Daniel Regenfuß, dem U18-Vize-Europameister über 200 Meter. Für den passenden Trainingsstandort nimmt Elias Goer (beide Sprintteam Wetzlar) tagtäglich eine längere Anreise auf sich: Er pendelt von Gießen, östlich von Wetzlar gelegen, 80 Kilometer nach Frankfurt, meist mit dem Zug. Die Fahrtzeit nutzt er fürs Lernern, sprich ab Mitte Oktober für sein neu begonnenes Studium, Gymnasiallehramt für Sport und Französisch.
Seit zweieinhalb Jahren trainiert der 18-Jährige jetzt bei David Corell, dem neuen DLV-Bundesnachwuchstrainer der Sprinter. Trainingsplatz im Sommer ist der Stützpunkt in Niederrad im Süden Frankfurts, im Winter die Leichtathletik-Halle in Kalbach. In der zurückliegenden Sommersaison ging es steil nach oben: Seine Bestzeiten über 100 und 200 Meter verbesserte Elias Goer um mehrere Zehntel auf 10,42 und 20,88 Sekunden.
Je zwei Medaillen in Boras und Berlin
Bei den U20-Europameisterschaften in Boras (Schweden) war er an Position drei laufend wichtiger Bestandteil der 4x100 Meter-Staffel, die Gold gewonnen hat. Zudem holte er über 200 Meter mit einem Turbo-Endspurt Silber. "Dass ich von meiner ersten internationalen Meisterschaft zwei Medaillen mitnehme, hätte ich mir besser nicht erträumen können", sagt Elias Goer. Die Jugend-DM in Ulm ließ er anschließend aus, um sich zu schonen, und meldete sich mit ebenfalls zwei Medaillen bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin zurück: Bronze über 200 Meter sowie Silber mit der Staffel des Sprintteam Wetzlar – dessen bekannteste Mitglieder sind Michael Pohl und Kevin Kranz, die Deutschen 100-Meter-Meister der letzten beiden Jahre.
Von diesen starken Trainingspartnern profitiert der U20-Staffel-Europameister. Seit Beginn der Wintervorbereitung betreut David Corell nur mehr seine schnellsten Sprinter in einer kleineren Gruppe. "Dazu gehöre ich zum Glück auch, mir macht das Training so noch mehr Spaß", erzählt Elias Goer. "Das pusht natürlich, wenn man weiß, man sprintet jetzt gegen den Deutschen Meister oder macht Krafttraining mit dem Deutschen Vize-Meister." Trotz des Konkurrenzkampfes ist man untereinander befreundet. "Aber im Training oder Wettkampf will man natürlich immer der Schnellste sein."
Einmal Sprinter, immer Sprinter
Mit dem Sprint-Training hat Elias Goer erst im Alter von 14 Jahren begonnen. Zuvor spielte er Fußball. Dabei fiel seine Schnelligkeit auf und sein erster Trainer Rainer Engelmann riet ihm dazu, es bei der TSG Gießen-Wieseck doch mal mit der Leichtathletik zu probieren. Dort gab es für ihn nur eine Disziplin: "Ich habe von Anfang an nur Sprint gemacht und nichts anderes." Schon sein Opa war Hobby-Sprinter. "Und meine Mutter meint, sie wäre auch schnell gewesen, hat aber nie im Verein trainiert." Sein Vater spielte mit dem HSG Wetzlar in der 1. Bundesliga Handball.
Eines begleitet ihn in seiner noch jungen Leichtathletik-Karriere schon immer: „Seit ich sprinte, ist mein Start ein Problem. Aber im Top-Speed und im fliegenden Bereich bin ich sehr stark. Dass ich bei den 200 Metern die ersten 70, 80 Meter komplett hinten liege, ist natürlich blöd, daran muss ich jetzt arbeiten." Daher sind in der Wintersaison Rennen über 60 Meter geplant. Und nicht über seine Paradestrecke, die 200 Meter. In der Halle ist das Verletzungsrisiko in den engen Kurven mit seinen langen Beinen einfach zu groß.
Nach der DM in Berlin hatte Elias Goer, der in seiner Freizeit gerne ins Kino geht, Playstation oder Fußball spielt und sich mit Freunden trifft, vier Wochen Trainingspause. Nach einem Spanien-Urlaub mit der Familie ist er seit Anfang September wieder im Aufbautraining. Da nächstes Jahr seine erste Saison bei den Männern bevor steht, wurden die Trainingsumfänge erhöht: Statt fünfmal die Woche wird sechsmal die Woche gearbeitet, statt zwei Stunden sind die Trainingseinheiten jetzt zweieinhalb Stunden lang. So ist mehr Zeit für Stabilisation und Regeneration gegeben. "Damit kann ich bei wichtigen, schnellen Sprint-Einheiten nochmal besser performen."
Bestzeiten auf allen Strecken steigern
Um bei großen Entscheidungen seine Leistung abrufen zu können, schwört Elias Goer auf Willenskraft und Ruhe: "Es ist wichtig, auf seine Vorbereitung zu vertrauen und sein Können abzuspulen. Wenn man auf einmal probiert, etwas Neues, Großartiges zu machen, weil man unbedingt schneller rennen will als normalerweise, dann läuft es meistens nicht gut." Die richtige Einstellung bekommt er auch von seinem jungen Trainer vermittelt, den er sehr schätzt. "David ist gerade 26 Jahre alt und betreut schon die schnellsten Sprinter Deutschlands. Er hat sich in kurzer Zeit ein sehr großes Wissen angeeignet und weiß genau, was er tut." Zudem kommuniziert David Corell mit seinen Athleten nicht als Autoritätsperson, sondern locker auf Freundes-Ebene.
Nächstes Jahr will sich Elias Goer auf allen Distanzen steigern. Sein Studium kann er strecken und sich in der Zukunft voll auf den Sport konzentrieren. Weil es das erste Aktiven-Jahr ist, will er sich noch keine zu großen Ziele setzen: "Olympia in Tokio wäre zum Beispiel unrealistisch." Auch mit bestimmten Zeiten will er sich nicht unnötig unter Druck setzen. "Daher nehme ich mir für 2020 nur vor, gesund zu bleiben und meine Bestzeiten zu verbessern, der Rest kommt dann von alleine."