| Ernährung

Du bist, was du isst – Mit Marc Reuther

Lowcarb, alkalisch, vegan, paleo und so weiter und so fort: Ernährung ist ein großes Thema. Erst recht unter Leistungssportlern, die in der Ernährung ein wichtiges Element sehen, um mit ihrem Körper Höchstleistungen vollbringen zu können. Dabei ist die Ernährung so individuell wie die Athleten selbst. Wir sind daher auf die Suche gegangen mit der Frage: Wie ernähren sich Deutschlands Top-Leichtathleten? Herausgekommen sind ganz unterschiedliche Antworten von Athleten, die die für sie individuell passende Ernährung gefunden haben. Heute: Mittelstreckler Marc Reuther (LG Eintracht Frankfurt).
Marc Reuther/Alexandra Dersch

„Vor drei Jahren hatte ich einen Schlüsselmoment. Es war 2016, ich hatte um einen Hauch die Qualifikation für die Olympischen Spiele verpasst. Ein fürchterliches Gefühl. Damals habe ich mir geschworen, dass ich mich nie wieder so fühlen will. Dass ich alles daran setze, so professionell wie irgendwie nur möglich zu arbeiten. Und dazu gehört für mich auch die Ernährung.

Seit diesem Moment nehme ich Ernährung viel wichtiger, als ich es zuvor getan habe. Klar wusste ich, dass Ernährung wichtig ist, dass sie Einfluss auf meine Leistung hat. Ich habe mich gesund ernährt, aber darüber hinaus keine weiteren Gedanken daran verschwendet.

Dann habe ich angefangen, mich einzulesen. Wir hatten in unserer Trainingsgruppe schon vorher immer mal wieder Kontakt zu Ernährungsberatern, doch ab diesem Zeitpunkt habe ich angefangen, mir selber Stück für Stück meinen eigenen Weg zusammenzubasteln. Und bin schlussendlich bei der veganen Ernährung gelandet.

Warum vegan? Weil es mir und meinem Körper gut tut. Weil ich mich dadurch leistungsstärker fühle, schneller regeneriere und auch Entzündungen schneller abgebaut werden können. Kurzum: Ich fühle mich wohl damit.

Ich bin aber auch nicht zu streng. Wenn Lisa [Anm. der Red.: Sprinterin Lisa Mayer ist die Lebenspartnerin von Marc Reuther] und ich zum Beispiel bei Oma und Opa eingeladen sind und es gibt dort etwas, was nicht zu 100 Prozent vegan ist, dann esse ich das trotzdem. Das sind dann eben Ausnahmen, die schaden mir auch nicht.

Insgesamt ziehen Lisa und ich an einem Strang, was die Ernährung angeht. Zuhause wird bei uns ausschließlich vegan gegessen und gekocht. Wenn wir allerdings abends unterwegs sind, dann isst Lisa auch mal Fleisch. Wir wissen beide, wie wichtig gutes Essen für uns ist und dass Essen zum Wohlbefinden beiträgt.

Lisa und ich achten bei allen Produkten, die wir kaufen, grundsätzlich auf Bio-Qualität. Wir kaufen viel im Bio-Markt um die Ecke, einfach, weil er am nächsten ist. Aber inzwischen gibt es auch in allen anderen Supermärkten und Discountern gute, qualitativ hochwertige Lebensmittel. Gute Ernährung ist keine Frage des Wohnorts oder irgendeiner Schicht. Es ist eine Entscheidung.

Zusätzlich achten wir darauf, wo die Lebensmittel herkommen. Sprich: Wir kaufen regional und auch saisonal. Die Biographie von Iron-Man Jan Frodeno hat mich dafür noch zusätzlich sensibilisiert. Wenn etwa gerade in Deutschland keine Erdbeerzeit ist, dann essen wir auch keine Erdbeeren. Sondern eben Äpfel. Keimlinge oder spezielle Müslis bestellen wir uns gerne über das Internet.

Ernährung soll für mich Spaß machen. Ich finde, Essen ist etwas sehr Schönes, etwas Soziales und eben gerade für uns als Leistungssportler auch etwas Entscheidendes in Bezug auf die Leistung. Essen muss aber auch praktikabel sein, sprich, es muss auch mal schnell gehen und auch der Einkauf dafür soll nicht zu viel Zeit kosten. All das sind Punkte, bei denen ich merke, dass sie manche Leute abschrecken vor der veganen Ernährung. Sie trauen sich nicht ran, haben vielleicht auch Angst vor etwas Neuem. Grundlos, wie ich finde. Denn mich hat die Erfahrung gelehrt: Natürlich musst du dich erstmal umstellen, lernen, was in den jeweiligen Lebensmitteln drin ist und wo du gewisse Dinge im Supermarkt findest. Aber nach der Umstellung dauert der Einkauf nicht länger als vorher.

Wir essen sehr abwechslungsreich. Sprich, nicht jeden Tag exakt das Gleiche zum Frühstück, sondern wenn ich am Montag ein bestimmtes Frühstück hatte, dann esse ich es in dieser Form und in dieser Zusammenstellung erst wieder am Donnerstag. Ich habe mal einen Unverträglichkeitstest gemacht, und das hat mich dahingehend sensibilisiert. Ich will, dass mein Körper die zugeführten Nährstoffe gut aufnehmen kann, sich nicht an etwas gewöhnt und dadurch vielleicht eine Unverträglichkeit entwickelt. Daher wechsle ich immer gut durch. Mit allen Produkten. Vielfalt ist das Schlüsselwort.

Bei diesem Test kam aber auch heraus, dass ich etwas auf Gluten reagiere. Seitdem versuche ich, weitestgehend auf glutenhaltige Produkte zu verzichten. Wir essen daher auch viel Teff-, Mandel oder Kokosmehl. Beim Zucker verwenden wir zum Backen ausschließlich Kokosblütenzucker. Wenn ich mir mal meinen Kaffee etwas süßen möchte, mache ich das auch gerne mit Kokosblütensirup.

Was für Veganer, aber meiner Meinung nach auch für alle anderen Menschen wichtig ist, ist die Supplementierung des Coenzym B12. Ich nehme alles, was ich zusätzlich einnehme, in Tropfenform, also auch Vitamin D und K2. Das schlägt bei mir besser an. Als Kaderathlet wird mein Blut ohnehin regelmäßig untersucht, aber das kann ich auch abseits des Kaderstatus‘ nur jedem ans Herz legen, ob vegan oder nicht: Lasst euch durchchecken. Und hört auf euer Bauchgefühl.

Das ist auch einer meiner Grundsätze, was die Ernährung betrifft. Ich war noch nie der Typ, der über seinen Hunger hinweg gegessen hat, oder im Hinterkopf hat, ich muss meinen Teller leer essen. Wenn ich merke, ich bin satt, höre ich auf zu essen. Da habe ich vielleicht einfach Glück, denn ich kenne natürlich andere Sportler, die da sehr viel mehr drauf achten, ihre Kalorien tracken und sich damit meiner Meinung nach auch ein Stück weit verrückt machen. Ernährung soll doch glücklich machen.

Aber klar, gerade bei uns Läufern ist das Thema Gewicht natürlich immer so eine Sache. Und ich wiege mich auch ab und an. Das ist dann so mein Gradmesser, mein Monitoring, ob weiterhin alles im grünen Bereich ist. Es ist natürlich immer leichter gesagt als getan, dass man sich locker machen soll, dass die Dinge dann schon laufen. Aber ich habe mir angewöhnt, mir meine Erfolgserlebnisse nicht auf der Waage zu holen, sondern eben auf der Bahn. Durch eine gute Einheit etwa. Das spiegelt mir wider, ich bin auf dem richtigen Weg.

Denn gerade wenn wir uns etwa die 800-Meter-Läufer anschauen: Da gibt es so viele unterschiedliche Typen, so unterschiedlich im Körperbau, dass man meiner Meinung nach nicht sagen kann, du musst so oder so aussehen, um erfolgreich zu sein. Da gibt es die schmalen Kenianer, aber eben auch Typen wie etwa Nick Symmonds. Der US-Amerikaner war auch eher breit und ist trotzdem unter 1:43 Minuten über 800 Meter gelaufen und hat WM-Silber geholt. Ich glaube, wir müssen uns loslösen von Zahlen auf der Waage oder einer gewissen Anzahl an Kalorien, die nicht überschritten werden darf. Das ist meiner Meinung nach nämlich nicht leistungsfördernd und raubt eher Energie, als dass es uns voranbringt. Der Erfolg kommt auch durchs Wohlfühlen.“

Ein typischer Essensplan in der Aufbauphase von Marc Reuther

Frühstück Teil jedes Frühstücks ist regionales, saisonales Obst. Dazu kochen wir uns einen Porridge aus Haferflocken und heißer Pflanzenmilch. Was die Milch angeht, da wechseln wir regelmäßig durch. Am liebsten mag ich Hafer- und Mandeldrinks, ich trinke aber auch Reis-, Cashew- und ab und an Sojamilch. Dazu kommt gerne etwas gekeimter Buchweizen. Oder wir machen uns Milchreis mit etwas Proteinpulver und Obst. Beim Proteinpulver nutze ich eine Mischung aus Erbsen- und Reisprotein. Am Wochenende backt Lisa gerne ein Brot, das wir mit Honig, Datteln und Erdnussmus essen. Honig, werden nun einige sagen, ist nicht vegan. Stimmt. Ich esse ihn dennoch ab und an. Bei diesem Produkt bin ich nicht streng vegan. Selten, da es jeden Tag zu aufwändig ist, gibt es auch mal eine Smoothie-Bowl. 2/3 bestehen aus grünem Gemüse oder Obst, wie etwa Spinat, dazu kommen Haferflocken und anderes Obst. Das alles schön sämig mixen und ab in eine Schüssel.
Snack nach dem Training Wenn ich nach dem Training richtig Hunger habe und vielleicht noch zum Physio muss, bevor ich nach Hause fahre, dann esse ich ein Stück Obst. Oder Datteln. Dann habe ich etwas Gutes im Magen und hungere nicht bis zum Mittagessen.
Mittagessen Auch da essen wir sehr abwechslungsreich. Natürlich gibt es bei uns immer viel Gemüse, bio und regional. Dazu essen wir gerne Linsennudeln oder Erbsennudeln. Das geht schnell und macht satt. Essen muss ja wie gesagt auch praktikabel sein und zu unserem Alltag passen. Ich mag aber auch gerne asiatisches Essen. Dann koche ich gerne mit Kokosmilch und Tempeh und dazu gibt es Reis. Oder Quinoa mit Tofu und Gemüse – das schmeckt uns auch gut.
Snack kurz vor dem zweiten Training: Die zweite Trainingseinheit ist bei mir meistens die intensivere Einheit. Vorher haben wir das Ritual, dass wir gemeinsam noch einen Kaffee trinken und ein Stück Bananenbrot essen. Das backt Lisa selber. Wahrscheinlich ist das ernährungstechnisch nicht die reine Lehre, aber uns tut es gut. Statt des Bananenbrots gibt es aber auch mal Datteln. Einfach etwas Süßes und dennoch Gesundes, bevor wir in die nächste Einheit gehen.
Abendessen Hier esse ich oft etwas anders als Lisa, da ich schon versuche, abends auf Kohlenhydrate zu verzichten. Gerade nach intensiven Laufeinheiten hemmen die Kohlenhydrate für mein Gefühl sonst die Regeneration. Daran sollte man auch bei Proteinshakes denken und darauf achten, dass sie möglichst wenig Zucker enthalten, denn Zucker sind Kohlenhydrate. Abends essen wir grundsätzlich ähnlich wie mittags, oft gibt es hier Ofengemüse oder Gemüse aus dem Wok. Lisa isst dann gerne auch Süßkartoffeln, ich lasse die dann eben weg.

Sein Lieblingsrezept, rohes Schokomus, verrät Marc Reuther exklusiv auf unserem Instagram-Kanal.

Das sagt Prof. Dr. Anja Carlsohn,
Professorin für Ernährungswissenschaft/Ökotrophologie an der HAW Hamburg und
Leiterin der AG Sporternährung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB):

Marc Reuther fasst sehr schön aus seiner individuellen Erfahrung zusammen, was Wissenschaftler unter Food Literacy verstehen. Nämlich das eigene Essverhalten selbstreflektiert zu gestalten und dabei nicht einzelne Nährstoffe in den Fokus zu rücken, sondern die Zusammensetzung der Mahlzeiten und die Qualität der Lebensmittel wertzuschätzen. Die Aspekte pflanzlich basiert, regional, saisonal und biologisch erzeugt stehen dabei zwar auch für das individuelle Wohlbefinden, Geschmacksqualität und Genuss – aber eben auch für das globale Brennpunktthema der nachhaltigen Ernährung. Toll, wenn Leistungssportler als Multiplikatoren Ernährung nicht nur als individuell gesundheits- und leistungsförderlich betrachten, sondern sich auch um eine ökologisch und sozial nachhaltige Ernährung bemühen. Ob eine vegane Ernährung für Leistungssportler tatsächlich empfehlenswert ist, lässt sich derzeit aufgrund der wenigen Daten aus dem Spitzensport noch nicht fundiert ableiten. Durch eine abwechslungsreiche Kombination von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln, begleiteten Checks-Ups auf Nährstoffmängel sowie Einhaltung der Substitutionsempfehlungen für Vitamin B12 sehe ich aber keine gesundheitsbezogenen Risiken, zumal die Ernährungsweise zum subjektiven Wohlbefinden von Marc beizutragen scheint.

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