| Interview

Steven Richter: "Das WM-Finale wäre ein großer Erfolg für mich"

Porträt von Diskuswerfer Steven Richter in der Wurfbewegung © Stefan Mayer
Als Zweiter der Deutschen Meisterschaften hat sich Diskuswerfer Steven Richter vom LV 90 Erzgebirge das WM-Ticket nach Tokio gesichert. Im Interview verrät der 22-Jährige, wieso er unbedingt nach Japan wollte, wie er es aus der Stagnation 2024 hin zu seiner erfolgreichsten Saison 2025 geschafft hat und wieso Wettkämpfe mit Henrik Janssen dieses Jahr so lustig sind.
Jane Sichting

Steven Richter, herzlichen Glückwunsch zu Platz zwei beim Thumer Werfertag. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Wettkampf und der Weite von 66,19 Metern?

Steven Richter:
Danke. Ich bin sehr zufrieden. Wir hatten im Wettkampf normale Bedingungen, das heißt keinen Wind. Dieser kann uns sehr viel helfen. Deswegen bin ich mit der Weite ohne Wind sehr zufrieden. Und es hat sehr viel Spaß gemacht, da der Veranstalter des Meetings mein Heimatverein ist und ich aus dem Nachbarort komme. Entsprechend waren auch viele Bekannte mit dabei.

Vor dem letzten Versuch lagen Sie mit dem späteren Gewinner Henrik Janssen vom SC Magdeburg weitengleich auf Rang zwei und eins. Spannender hätten Sie beide es nicht machen können …

Steven Richter:
(lacht) Ja, ich hatte mich auch schon über meinen Wurf gefreut und dachte, dass der ein bisschen weiter gewesen wäre als der Versuch auf 66,19 Meter von Henrik zuvor. Wir machen die ganze Saison schon Witze, weil wir in gemeinsamen Wettkämpfen immer nur maximal 20 Zentimeter auseinander sind. Und auf einmal sind wir genau gleich weit – das war wie das nächste Level, das wir da erreicht hatten. Deswegen habe ich zu Henrik gesagt, dass er im letzten Versuch noch mal ein Stückchen weiter werfen soll, damit es nicht so eklig ist, wenn wir weitengleich sind. Das hat er dann gut umgesetzt.

Im letzten noch einmal alles rausgehauen – genau das Gegenteil war bei Ihrem ersten Versuch der Fall, der ungültig war. Wie gehen Sie mit solch einem Einstieg in einen Wettkampf um und wie gelingt es Ihnen, die Nerven zu behalten und anschließend gute Würfe abzuliefern?

Steven Richter:
In all meinen letzten Wettkämpfen war mein erster Versuch nicht so gut. Auch bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden, wo ich mit 60,83 Metern gestartet bin und dann im zweiten Versuch direkt 66,55 Meter geworfen habe. Zwischen dem Einwerfen und dem eigentlichen Wettkampfbeginn lag immer viel Zeit – mit Vorstellung und allem Drum und Dran. Deswegen war der erste Versuch für mich immer noch mal wie ein Einwerfen. Das muss bei der WM anders laufen, da muss ich direkt im ersten Versuch voll da sein. Weil man in der Qualifikation nur seine drei Versuche hat und es da funktionieren muss. Aber meist habe ich es bisher gut hinbekommen, auch wenn der erste Versuch nicht so gut war, ruhig zu bleiben und einen guten Wurf nachzulegen.

Gelingt es Ihnen auch, diesen Fokus zu halten, wenn das Publikum bei Meetings wie in Thum nur wenige Zentimeter von der Wettkampfzone entfernt sind?

Steven Richter:
Damit habe ich persönlich gar keine Probleme, mich motiviert das eher. Ich finde es cool, wenn die Leute so nah dran stehen – das spornt mich zusätzlich an. Und für das Publikum ist es auch mal was anderes als im Stadion, wo sie doch recht weit weg vom Ring sind.

Ist für Sie auch die starke nationale Konkurrenz ein Ansporn? An der deutschen Spitze geht es sehr eng zu. Sie selbst rangieren aktuell auf Rang vier der DLV-Bestenliste dieses Jahr, haben das WM-Ticket nach Tokio als Zweiter der Deutschen Meisterschaften aber sicher. War Ihnen von vornherein klar, dass die DM der alles entscheidende Wettkampf sein wird?

Steven Richter:
Da muss ich etwas weiter ausholen. Im letzten Jahr ist Mika Sosna zu einem Meeting in die USA nach Oklahoma geflogen und hat dort die Norm geworfen. Da sich herumgesprochen hatte, wie gut dort die Bedingungen sind, war klar, dass Clemens Prüfer, Henrik Janssen und ich dieses Jahr auch dort hinwollen, um die Norm zu werfen und eine Chance auf Tokio zu haben. Oklahoma ist der windreichste Bundesstaat in Amerika und die Anlage ist dort mitten auf dem Feld mit vier Anlagen – jeweils in eine der vier Himmelsrichtungen ausgerichtet. Das macht es möglich, auch mal vier oder fünf Meter weiter zu werfen, als wenn es windstill ist.

Quasi Laborbedingungen. Sie selbst haben dort 69,61 Meter weit geworfen – hätten Sie sich die Norm auch unter weniger optimalen Bedingungen zugetraut?

Steven Richter:
Wenn bei einem Wettkampf alles zusammengepasst hätte, dann hätte ich mir zu Beginn der Saison auch zugetraut, die 67,50 Meter in Deutschland zu werfen. Letztlich habe ich auch in Deutschland 68 Meter geworfen und damit bestätigt, dass ich auch unter anderen Bedingungen gut werfen kann. Aber in Oklahoma fährt man hin und weiß, dass optimale Bedingungen herrschen. Entsprechend waren wir dann alle vier dort und haben auch alle vier die Norm geworfen. Von da an wussten wir, dass einer von uns zu Hause bleiben muss. In der Saison ging es dann viel hin und her und war sehr knapp. Darum hatte sich bereits angedeutet, dass in Dresden ausgemacht wird, wer sicher zur WM darf.

Waren die Deutschen Meisterschaften demnach ihr eigentlicher Saisonhöhepunkt?

Steven Richter:
Nein, das waren die U23-Europameisterschaften. Mein Trainer hat gesagt, dass ich dort mit dem Titel das gewonnen habe, was in meiner Altersklasse wichtig ist. Was danach noch kommt, das ist Zusatz. Dennoch wollte ich unbedingt in Tokio dabei sein. Zum einen, weil ich schon bei der WM vor zwei Jahren dabei war, und zum anderen, weil ich danach mit meiner Freundin und einem Kumpel dort Urlaub machen will. (lacht)

Kommen wir noch einmal auf Ihre Bestweite von 69,61 Metern zurück. Damit liegen Sie derzeit auf Rang acht der ewigen deutschen Bestenliste und es fehlt nicht mehr viel zur 70-Meter-Marke. Was muss noch passieren, damit Sie diese knacken?

Steven Richter:
Zum einen braucht es dafür noch mal optimale Bedingungen und zum anderen bin ich in meiner Disziplin noch sehr jung und es gibt einige Details, an denen ich noch arbeiten kann. Auch die spezielle Kraft ist noch nicht ausgereizt und die Technik kann ich auch verbessern.  

Eine andere Hausnummer ist der Weltrekord des Litauers Alekna Mykolas. Halten Sie es für möglich, ebenfalls in Sphären wie die von ihm geworfenen 75,56 Meter vorzustoßen?

Steven Richter:
Zu Alekna muss man sagen, dass er eines dieser Jahrhunderttalente ist. Ich habe zwar auch ein gewisses Talent für das Diskuswerfen, aber Alekna ist da noch einmal eine ganze Schippe krasser. Am Ende geht es aber nicht unbedingt nur um Weiten, sondern vielmehr um Titel und Medaillen. Abliefern, wenn es drauf ankommt.

Da ist Ihnen 2024 noch nicht so gut gelungen. Wie erklären sie sich die Stagnation im letzten Jahr und was hat den Ausschlag gegeben, dass es 2025 sehr viel besser läuft?

Steven Richter:
Solche Phasen wie 2024 gibt es – schade war für mich, dass es ausgerechnet im Olympiajahr war. Aber vielleicht war ich deswegen etwas zu verkopft. Denn an sich bin ich letztes Jahr überall ein Stück stärker geworden – sowohl in den Zubringerübungen als auch körperlich. Ich konnte es nur im Wettkampf noch nicht umsetzen. Anfang des Jahres habe ich im Aufbautraining zehn Kilogramm abgenommen und fühle mich körperlich sehr gut damit. Zudem profitiere ich davon, dass Steve Harnapp dieses Jahr mit in das Trainerteam gestoßen ist und viel Input in unsere Trainingsgruppe gebracht hat.

Neben Steve Harnapp ist Ihr Trainer Sven Lang. Zuvor war es Christian Sperling – war der Übergang fließend und ähneln sich die Trainingskonzepte der beiden Trainer?

Steven Richter:
Ich denke schon, dass die Trainer in Chemnitz ein sehr ähnliches Konzept verfolgen. Der Wechsel war dem normalen Werdegang vom Nachwuchsbereich hin zu den Aktiven geschuldet.

Wie hat sich Ihr Leben abseits des Sports verändert – als Schüler haben Sie noch im Sportinternat gewohnt und sich beschwert, dass es immer zu wenig zu Essen gab. Jetzt sind Sie Student an der TU Chemnitz – kochen Sie jetzt immer selbst oder wohnen Sie im Studentenwohnheim und nutzen die Mensa?

Steven Richter:
Dank der niedrigen Mietpreise in Chemnitz habe ich eine schöne Wohnung gefunden. Dort mache ich mir Frühstück und Abendbrot auch immer selbst. Mittags gehe ich aber in die Uni-Mensa, da das Essen relativ günstig ist und ich es nicht schaffe, mich hinzustellen und selbst zu kochen. Ich bin auch kein Mensch, der vorkocht. Ich bin, was das Essen angeht, sehr einfach gestrickt und freue mich immer schon, wenn mal meine Freundin kocht und es nicht bei Nudeln mit Ketchup bleibt. (lacht)

Kommen wir auf das Wettkampfgeschehen zurück. Wann steigen Sie lieber in den Ring – eher am Vormittag oder am Abend?

Steven Richter:
Da wir zwei Trainingseinheiten am Tag haben, sind beide Zeiten bedient. Früher mochte ich lieber Wettkämpfe, die früh stattfinden, weil ich nie wusste, wie ich den Tag rumbekommen soll. Mittlerweile bin ich beides gewohnt und mir ist es egal.

Beste Voraussetzungen auch für die WM in Tokio Mitte September. Nachdem Sie dieses Jahr als U23-Europameister, Deutscher Vizemeister, Zweiter bei den FISU University World Games sowie den Deutschen Hochschulmeisterschaften schon zahlreiche Erfolge feiern durften: Ist 2025 Ihr bisher bestes Jahr? Und was ist ihr Ziel für Tokio?

Steven Richter:
Leistungsmäßig ist das mein bestes Jahr, das ich je hatte – auch wenn ich noch nicht so viele Jahre hatte. (lacht) Persönlich freut es mich besonders, dass ich zu den Höhepunkten im richtigen Moment meine Leistung abrufen konnte. Das erhoffe ich mir auch für Tokio. Mein Ziel ist es dort, unter die Top Zwölf zu kommen und das Finale zu genießen. Das Gute ist, dass ich mir über die Saison in den Wettkämpfen viel Selbstvertrauen holen konnte. Und mit Blick auf die letzten Weltmeisterschaften haben bisher immer 64 Meter für das Finale gereicht – das habe ich bei fast jedem Wettkampf hinbekommen. Deswegen hoffe ich, dass ich auf den Punkt genau meine Leistung abrufen kann und es ins Finale schaffe. Das wäre ein großer Erfolg für mich.

Beim Thumer Werfertag war die offizielle WM-Verabschiedung. Wie sieht jetzt für die kommenden noch ihr Fahrplan auf dem Weg nach Tokio aus?

Steven Richter:
Wir fahren jetzt eine Woche ins Trainingslager nach Latsch in Südtirol und danach machen wir vielleicht spontan noch einmal einen Wettkampf, um ins Wettkampffeeling reinzukommen. Aber das muss sich ergeben. Ansonsten fliegen wir dann die Woche vor Tokio nach Miyazaki ins Pre-Camp.

Auch wenn der Fokus jetzt komplett auf der WM liegt – haben Sie auch schon die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles im Hinterkopf? Oder planen Sie eher Jahr für Jahr?

Steven Richter:
An sich gucken wir Jahr für Jahr, aber im Hinterkopf ist immer auch das große Ziel, 2028 an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Olympia ist der Traum eines jeden Sportlers und wenn man es so sieht, dann sind das jetzt alles Zwischenetappen auf dem Weg dahin.  

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