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Tokio 2021 | Die große Olympia-Vorschau auf die Wettbewerbe der Frauen (II)

Es ist so weit! Der erste Startschuss der Leichtathletik-Wettbewerbe im Olympiastadion von Tokio steht kurz bevor. Wer hat Chancen auf die Medaillen? Was ist drin für die deutschen Starterinnen? Wer ist gut drauf, wer wackelt und wer kann für eine Überraschung sorgen? Wir blicken voraus auf die Entscheidungen der Frauen. Heute: Sprünge, Würfe, Mehrkampf und Staffeln.
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Olympische Spiele 2021 kompakt

Hochsprung

Yaroslava Mahuchikh will Gold mit Weltrekord krönen

Bei ihrer Ziel-Formulierung für die Olympischen Spiele hat Yaroslava Mahuchikh die Latte im obersten Leistungsregal platziert. „Ich möchte höher als 2,05 Meter springen. Ich möchte Weltrekord springen“, sagte die 20-Jährige nach ihrem Sieg bei der U23-EM in Tallinn. Die globale Bestmarke von Stefka Kostadinowa (Bulgarien) steht seit der WM 1987 bei 2,09 Metern. Vor Tokio führt die Ukrainerin mit 2,03 Metern die Weltjahresbestenliste an. Die Goldmedaille führt im Olympiastadion nur über die Überfliegerin mit dem so starken linken Sprungfuß.

Mit weniger als Gold wird auch Mariya Lasitskene in Tokio zufrieden sein. Durch die Sperre des russischen Verbandes wird die Weltmeisterin unter neutraler Flagge bei den Olympischen Spielen starten. Nach einer Verletzung ist die 28-Jährige gerade rechtzeitig wieder in Form gekommen und konnte bereits wieder 2,00 Meter meistern. Diese „magische“ Hochsprung-Marke schafften in diesem Sommer bereits ebenfalls Vashti Cunningham (USA; 2,02 m), Nicola MCcDermott (Australien; 2,01 m) und Nadezhda Dubovitskaya (Kasachstan; 2,00 m).

Für das deutsche Duo Marie-Laurence Jungfleisch (VfB Stuttgart) und Imke Onnen (Hannover 96) wird die Qualifikation am 5. August zum persönlichen Finale. Denn beide müssen sehr wahrscheinlich ihre Saisonbestleistungen von 1,90 bzw. 1,88 Metern gleich um einige Zentimeter steigern, um eine Chance aufs Finale zweite Tage später zu haben. Für die EM-Dritte Marie-Laurence Jungfleisch wäre es das zweite nach Platz sieben 2016 in Rio. mbn

DLV-Teilnehmerinnen: Marie-Laurence Jungfleisch (VfB Stuttgart), Imke Onnen (Hannover 96)
Olympiasiegerin 2016: Ruth Beitia (Spanien; 1,97 m)
Weltmeisterin 2019: Mariya Lasitskene (ANA; 2,04 m)
Weltjahresbeste 2021: Yaroslava Mahuchikh (Ukraine; 2,03 m)
 

Stabhochsprung

Olympische Spiele erstmals ohne deutsche Starterin

Eine hartnäckige Rückenverletzung hat Lisa Ryzih (ABC Ludwigshafen) in den vergangenen Wochen ausgebremst. Somit musste die über die Weltrangliste für Tokio qualifizierte Stabhochspringerin ihren Start schweren Herzens absagen. Folglich wird erstmals seit dem Debüt auf olympischer Bühne 2000 in Sydney keine deutsche Stabhochspringerin bei den Olympischen Spielen dabei sein.

Erstmals um olympische Ehren springt in Tokio die Top-Favoritin. Katie Nageotte (USA) ist zwar bereits 30 Jahre alt, konnte sich aber seit dem Olympia-Jahr 2016 um mehr als 30 Zentimeter verbessern. Mit bei den US-Trial in Eugene erzielten 4,95 Metern führt die WM-Siebte von 2019 die Weltjahresbestenliste an. Außerdem war sie bei ihren beiden Diamond-League-Starts in Doha (Katar) und Monaco in diesem Jahr nicht zu schlagen. Damit untermauert Katie Nageotte ihre Gold-Ansprüche. Allerdings wurde sie zuletzt von einer Lebensmittelvergiftung ausgebremst. Ob diese Nachwirkungen hat, wird man in Tokio sehen.

Auf hohem Niveau springt seit Jahren Anzhelika Sidorova. Die Weltmeisterin aus Russland darf unter neutraler Flagge in Tokio starten. 4,91 Meter hat sie in diesem Sommer bereits gemeistert. Auch für sie ist es mit 30 Jahren die olympische Premiere. Deutlich mehr Erfahrung bringt da Holly Bradshaw mit. Für die 29-jährige Britin werden es die dritten Olympischen Spiele. Nach Rang sechs in London 2012 und Platz fünf in Rio soll nun eine Medaille her. Die Form stimmt. In diesem Jahre hat sie ihren eigenen Landesrekord aus dem Jahr 2017 zweimal um insgesamt neun Zentimeter auf 4,90 Meter gesteigert. Ebenfalls das Podium ins Visier nehmen Fünf-Meter-Springerin Sandi Morris (USA; 4,84 m), die dieses Jahr auf 4,82 Meter verbesserte Australierin Nina Kennedy und Rio-Olympiasiegerin Ekateríni Stefanídi (Griechenland; 4,80 m). mbn

DLV-Teilnehmerin: keine
Olympiasiegerin 2016: Ekaterini Stefanidi (Griechenland; 4,85 m)
Weltmeisterin 2019: Anzhelika Sidorova (ANA; 4,95 m)
Weltjahresbeste 2021: Katie Nageotte (USA; 4,95 m)
 

Weitsprung

Gelingt Malaika Mihambo der goldene Sprung?

Als letztmals mit Heike Drechsler 2000 in Sydney (Australien) eine deutsche Weitspringerin auf dem olympischen Podest stand, war Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) gerade eingeschult worden. Nun hat die Weltmeisterin 21 Jahre später wieder die Chance auf eine deutsche Medaille. Zwar rangiert sie mit 6,94 Metern „nur“ auf Platz neun der bereinigten Weltjahresbestenliste. Doch hat die 27-Jährige bekanntermaßen an einem guten Tag das Potenzial, alle Konkurrentinnen zu schlagen. „Es ist mir nur noch nicht gelungen, einen Sprung optimal aufs Brett zu setzen. Und das ist das Ziel für Tokio“, blickt Mihambo Richtung Olympische Spiele.

Die Weltjahresbestenliste wird aktuell von Ese Brume (Nigeria) mit 7,17 Metern angeführt. Allerdings konnte die WM-Dritte die Ende Mai erzielte Leistung nicht mehr bestätigen. Anders verläuft die Formkurve bei Brittney Reese (USA). Die viermalige Weltmeisterin und Olympiasiegerin von 2012 setzte sich bei den US-Trials Ende Juni mit 7,13 Metern durch. Weiter war die 34-Jährige letztmals vor vier Jahren gesprungen. Sogar einen Zentimeter weiter sprang Ende Mai die 22-jährige Tara Davis, die ihre gute Form bei den US-Trials mit 7,04 Metern und einem weiteren Sieben-Meter-Sprung unterstrich. Ansteigende Form zeigte zuletzt auch Ivana Spanovic (Serbien), die das Diamond-League-Meeting in Stockholm (Schweden) bei starkem Gegenwind mit 6,88 Metern für sich entschied.

Ganz so weit ist Maryse Luozolo (Königsteiner LV) in ihrer Karriere noch nicht gesprungen. Doch die 26-Jährige hat sich nach überstandener schwerer Knieverletzung auf einem beachtlichen Niveau stabilisiert und sich über die Weltrangliste für die Olympischen Spiele qualifiziert. Erreicht sie in Tokio in der Qualifikation den Bereich ihrer Bestleistung von 6,69 Metern oder ein paar Zentimeter mehr, kann sie den Sprung ins Finale schaffen. mbn

DLV-Teilnehmerin: Maryse Luzolo (Königsteiner LV), Malaika Mihambo (LG Kurpfalz)
Olympiasiegerin 2016: Tianna Bartoletta (USA; 7,17 m)
Weltmeisterin 2019: Malaika Mihambo (LG Kurpfalz; 7,30 m)
Weltjahresbeste 2021: Ese Brume (Nigeria; 7,17 m)
 

Dreisprung

Yulimar Rojas die klare Gold-Favoritin

Fünf Starts hat Dreispringerin Yulimar Rojas in diesem Sommer bestritten. Jedes Mal landete die Kolumbianerin jenseits der 15-Meter-Marke. Insgesamt elf 15-Meter-Sprünge gelangen der zweimaligen Weltmeisterin. Mit 15,47 Metern fehlen ihr nur drei Zentimeter zum Uralt-Weltrekord von Inessa Kravets (Ukraine). Wichtiger als der Eintrag in die Rekordbücher dürfe der 25-Jährigen nach Olympia-Silber in Rio diesmal aber die goldene Plakette sein.

Der kompletten globalen Konkurrenz war kein einziger 15-Meter-Sprung vergönnt. Dahinter näherten sich Shanieka Ricketts (Jamaika; 14,98 m), Liadagmis Povea (Kuba; 14,93 m) und Keturah Orji (USA; 14,92 m) der prestigeträchtigen Marke bereits bis auf wenige Zentimeter an. Vielleicht klappt es ja in Tokio mit der 15-Meter-Premiere?

Mit Neele Eckhardt-Noack (LG Göttingen) und Kristin Gierisch (TSV Bayer 04 Leverkusen) sind zwei deutsche Dreispringerinnen in Tokio dabei. Für die Göttingerin ist es mit 29 Jahren die olympische Premiere. Da Sprünge über 14,50 Meter in diesem Sommer keine Dutzendware sind, könnte die Hallen-EM-Dritte in der Qualifikation ihre Finalchance nutzen. Mit 14,26 Metern führt sie momentan die deutsche Jahresbestenliste an.

Wie man bei Olympischen Spielen das Final-Ticket bucht, weiß Kristin Gierisch. Die Vize-Europameisterin belegte vor fünf Jahren in Rio Platz elf. In diesem Jahr kam die 30-Jährige bisher auf 14,11 Meter. Damit hakte sie nach vielen Verletzungsproblemen die Bestätigungsnorm für ihre 2019 erzielte Olympia-Norm ab. Allerdings bestritt die Leverkusenerin in diesem Sommer erst vier Wettkämpfe. Speziell im technisch anspruchsvollen Dreisprung benötigt man einige Sprünge, um den komplexen Ablauf zu verinnerlichen. mbn

DLV-Teilnehmerinnen: Neele Eckhardt-Noack (LG Göttingen), Kristin Gierisch (TSV Bayer 04 Leverkusen)
Olympiasiegerin 2016: Caterina Ibarguen (Kolumbien; 15,17 m)
Weltmeisterin 2019: Yulimar Rojas (Venezuela; 15,37 m)
Weltjahresbeste 2021: Yulimar Rojas (Venezuela; 15,43 m)
 

Kugelstoß

Lijan Gong greift nach dem ersten Kugelstoß-Gold für China

Das letzte Mal unter 20 Metern weggegangen ist Olympia-Gold im Kugelstoßen der Frauen 2004 in Athen (Griechenland). Dies sollte sich in Tokio nicht wiederholen, denn mit der Weltmeisterin von 2017 und 2019 Lijiao Gong (20,39 m) aus China sowie der US-Amerikanerin Jessica Ramsey (20,12 m) haben in diesem Jahr schon zwei Athletinnen diese Marke übertroffen. Und auch für Raven Saunders (USA), Hallen-Europameisterin Auriol Dongmo aus Portugal sowie die zweifache Olympiasiegerin und viermalige Weltmeisterin Valerie Adams ist eine Weite übe 20 Meter möglich. Insbesondere für die 36-jährige Neuseeländerin Adams könnte Edelmetall für eine grandiose Olympiabilanz sorgen: Nach Gold 2008 und 2012 holte sie in Rio 2016 Silber hinter der in Tokio fehlenden Michelle Carter aus den USA. Bleibt abzuwarten, wozu es bei ihren vierten Spielen in Tokio reicht.

Das vierte Mal auf der Olympischen Bühne tritt auch die Weltmeisterin von 2015 Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge) in Erscheinung. Nach Platz elf 2008 in Peking (China), Rang zehn 2012 in London (Großbritannien) und dem sechsten Platz in Rio (Australien) 2016 wäre der Sprung aufs Treppchen in Tokio allerdings eher eine Überraschung. Mit 18,63 Metern ist sie in der aktuellen Weltjahresbestenliste nur an Position 69 gelistet. Das Nahziel dürfte zunächst der Einzug ins Finale am 1. August sein, was auch Newcomerin und Vereinskollegin Katharina Maisch sowie die Deutsche Meisterin Sara Gambetta (SV Halle) anvisieren. Die Qualifikation findet am ersten Wettkampftag der Leichtathleten am 30. Juli statt. js

DLV-Teilnehmerinnen: Sara Gambetta (SV Halle), Katharina Maisch (LV 90 Erzgebirge), Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge)
Olympiasiegerin 2016: Michelle Carter (USA; 20,63 m)
Weltmeisterin 2019: Lijiao Gong (China; 19,55 m)
Weltjahresbeste 2021: Lijiao Gong (China; 20,39 m)
 

Diskuswurf

Sandra Perkovic auf der Jagd nach dem Olympia-Triple gefordert

Ein Blick in die Weltjahresbestenliste lässt im Diskuswerfen der Frauen einen Medaillenkampf erahnen, den ein Trio dominieren könnte: Jorinde van Klinken (Niederlande), Valarie Allman (USA) und Yaimé Pérez (Kuba). Ob zum ersten Mal seit 1992 für Gold wieder ein Wurf über 70 Meter nötig sein wird, müssen die Windbedingungen im Stadion zeigen – es ist eine Marke, die van Klinken und Allman in diesem Jahr schon überboten haben. Während die US-Amerikanerin jedoch vier Wettkämpfe jenseits der 67 Meter verbucht hat, blieben die 70,22 Meter der erst 21-jährigen Niederländerin bisher ein Ausrutscher nach oben.

Auch die Olympiasiegerin von 2012 und 2016 Sandra Perkovic (Kroatien) war in der Vergangenheit reihenweise zu 70-Meter-Würfen im Stande. Letztmals überbot sie diese Marke allerdings 2018. Kaum ein internationales Großereignis hat die 31-Jährige, die als erste Athletin überhaupt fünf Europameister-Titel in Folge in einer Disziplin gewinnen konnte, in den vergangenen Jahren nicht mitbestimmt. Und auch Olympia-Gold 2021 wird nur über sie gehen.

Aus deutscher Sicht will ebenfalls ein aussichtsreiches Trio angreifen. Angeführt wird es von der Deutschen Meisterin Kristin Pudenz (SC Potsdam), die in diesem Jahr die Nummer acht der Welt ist und ebenso wie Claudine Vita (SC Neubrandenburg) schon 2019 im WM-Finale stand. Auch Vizemeisterin Marike Steinacker (TSV Bayer 04 Leverkusen) rechnet sich trotz bei ihrer Premiere auf der Weltbühne gute Chancen auf eine erfolgreiche Qualifikation aus. Noch bei der Generalprobe in Thum sagte sie: „Ich hatte zwar in Thum schon mit einer Bestleistung geliebäugelt, aber dann habe ich jetzt mehr für Tokio vor. Dort will ich auf jeden Fall ins Finale.“ js

DLV-Teilnehmerin: Kristin Pudenz (SC Potsdam), Marike Steinacker (TSV Bayer 04 Leverkusen), Claudine Vita (SC Neubrandenburg)
Olympiasiegerin 2016: Sandra Perkovic (Kroatien; 69,21 m)
Weltmeisterin 2019: Yaimé Pérez (Kuba; 69,17 m)
Weltjahresbeste 2021: Jorinde van Klinken (Niederlande; 70,22 m)
 

Hammerwurf

Olympische Wachablösung möglich

Den WM-Titel hat die US-Amerikanerin DeAnna Price der langjährigen Seriensiegerin Anita Włodarczyk schon 2019 abgenommen. Die Polin konnte damals wegen einer Knieverletzung nicht teilnehmen, erst in diesem Sommer meldete sich die 35-Jährige zurück und ist inzwischen wieder bei 77,93 Metern angekommen. DeAnna Price übertraf in dieser Saison als zweite Athletin der Geschichte nach der Weltrekordlerin die 80 Meter (80,31 m). Gelingt ihr auch der Olympiasieg, wäre dies der nächste Schritt der Wachablösung. Anita Włodarczyk hat allerdings schon bewiesen, dass sie sich bei großen Wettkämpfen steigern kann.

Dass unter den weiteren Medaillen-Anwärterinnen noch zwei US-Amerikanerinnen sind, zeigt, wie stark sich das Hammerwerfen dort entwickelt hat. Brooke Andersen (78,18 m) und Gwen Berry (76,79 m) stehen in der Weltjahresbestenliste auf den Rängen zwei und vier. Die erste Medaille für Afrika im Hammerwurf könnte die für Nigeria startberechtigte Annette Echikunwoke holen, die bis zum vergangenen Jahreswechsel übrigens noch für die USA im Einsatz war.

Dank ihrer Steigerung auf 71,08 Meter und drei weiteren 70-Meter-Wettkämpfen hat sich Samantha Borutta für Tokio qualifiziert. Die gerade einmal 20-Jährige Leverkusenerin hat in diesem Sommer konstante Weiten erzielt und sich bei DM und U23-EM auch schon zwei Titel gesichert. Die Olympia-Erfahrung soll weitere Grundlage für die Zukunft sein. Dass aber auch eine Finalteilnahme nicht völlig außer Reichweite ist, zeigt ein Blick auf die WM-Qualifikation 2019. In Doha führten 71,35 Meter zu Platz zwölf und damit ins Finale. jhr

DLV-Teilnehmerin: Samantha Borutta (TSV Bayer 04 Leverkusen)
Olympiasiegerin 2016: Anita Wlodarczyk (Polen; 82,29 m)
Weltmeisterin 2019: DeAnna Price (77,54 m)
Weltjahresbeste 2021: DeAnna Price (USA; 80,31 m)
 

Speerwurf

Christin Hussong hofft auf den großen Wurf

Sie hat zwei Titel von internationalen Nachwuchsmeisterschaften. Und sie ist seit 2018 Europameisterin. Nur auf der Weltbühne der Aktiven stand Christin Hussong bisher noch nicht auf dem Treppchen. In Tokio könnte sich das ändern. Denn die Speerwerferin ist 2021 auf einem neuen Level angekommen, konnte ihre Bestleistung auf 69,19 Meter steigern und acht ihrer zehn Wettbewerbe als Siegerin beenden. Zuletzt flog der Speer nicht mehr ganz so weit wie zu Beginn der Saison. Damit das in Tokio wieder klappt, hat sie mit ihrem Vater und Trainer Udo Hussong im Juli noch einmal eine intensive Trainingsphase eingelegt.

Wen muss Christin Hussong im Auge bewahren? Ganz sicher die Polin Maria Andrejczyk, die Anfang Mai sogar die 70-Meter-Marke deutlich überboten hat, diese Weite aber bisher nicht bestätigen konnte. Oder die Chinesin Huihui Lyu, die von allen drei zurückliegenden WMs eine Medaille mit nach Hause gebracht hat. Vielleicht auch die Weltrekordlerin und zweimalige Olympiasiegerin Barbora Spotakova (Tschechien), mittlerweile 40 Jahre alt, die immer dann topfit ist, wenn's drauf ankommt. Eher aber noch deren Landsfrau Nikola Ogrodnikova, Vize-Europameisterin von Berlin. Um satte fünf Meter auf 67,40 Meter hat sich in diesem Jahr die drittbeste Werferin der Welt Maggie Malone (USA) gesteigert.

2019 holte die Australierin Kelsey-Lee Barber überraschend den WM-Titel. Bei den Spielen 2016 gab's einen Überraschungssieg der Kroatin Sara Kolak. Wer sich aber davor die Liste der Olympiasiegerinnen im Speerwurf anschaut, der findet viele Namen dominanter Athletinnen, neben dem von Barbora Spotakova auch den der Kubanerin Osleidys Menéndez und den der Norwegerin Trine Hattestad. Konstanz setzt sich eben doch häufig durch. Auch das spricht für Christin Hussong. sb

DLV-Teilnehmerinnen: Christin Hussong (LAZ Zweibrücken)
Olympiasiegerin 2016: Sara Kolak (Kroatien; 66,18 m)
Weltmeisterin 2019: Kelsey-Lee Barber (Australien; 66,56 m)
Weltjahresbeste 2021: Maria Andrejczyk (Polen)
 

Siebenkampf

Familientreffen mit jeder Menge Fragezeichen

Alle sind sie dabei: Die Olympiasiegerin von 2016 und Weltmeisterin von 2017 Nafissatou Thiam (Belgien). Die Weltmeister von 2019 Katarina Johnson-Thompson (Großbritannien). Und die Vize-Weltmeisterin von 2017 Carolin Schäfer. In dieser Reihenfolge standen sie 2018 auch auf dem EM-Treppchen von Berlin. Und noch eins haben sie gemeinsam: Sie alle haben 2021 aufgrund von Beschwerden, Verletzungen oder Vorsichtsmaßnahmen bisher keinen Siebenkampf absolviert. Ihr Potenzial ist unbestritten: Thiam hat schon die 7.000 Punkte-Marke überboten, Johnson-Thompson daran gekratzt. Ob sie diese Form mit nach Tokio bringen? Niemand weiß es so ganz genau. Und das gilt auch noch für eine Reihe weiterer Athletinnen wie die starken Österreicherinnen Ivona Dadic und die WM-Dritte Verena Mayr.

Nicht nur das macht das Familientreffen der besten Siebenkämpferinnen der Welt in Tokio zu einer spannenden Angelegenheit. Denn ein Blick auf die Weltjahresbestenliste, die die US-Amerikanerin Annie Kunz (6.703 pt) vor ihren Landsfrauen Kendell Williams (6.683 pt) und Erica Bougard (6.667 pt) anführt, zeigt: Die Weltspitze ist eng beisammen, die Top Vier trennen kaum 50 Punkte. Weit voraus ist bisher noch keine Athletin.

Das eröffnet besonders Carolin Schäfer die Möglichkeit, in einem Siebenkampf auf hohem Niveau vorne mitzumischen. Die Frankfurterin, die ihren letzten internationalen Siebenkampf 2019 in Götzis (Österreich) mit 6.426 Punkten abgeschlossen hat, zählt in Top-Form immer zum Kreis der Medaillenkandidatinnen. Erste Tests nach überstandenden Beschwerden infolge einer Impfreaktion waren vielversprechend. Die zweite deutsche Teilnehmerin Vanessa Grimm (6.319 pt; Königsteiner LV) hat als Aufsteigerin des Jahres nach der unerwarteten Olympia-Qualifikation ohnehin nichts zu verlieren. Sie kann nur lernen und vielleicht für eine weitere positive Überraschung sorgen. sb

DLV-Teilnehmerin: Vanessa Grimm (Königsteiner LV), Carolin Schäfer (Eintracht Frankfurt)
Olympiasiegerin 2016: Nafissatou Thiam (Belgien; 6.810 pt)
Weltmeisterin 2019: Katarina Johnson-Thompson (Großbritannien; 6.981 pt)
Weltjahresbeste 2021: Annie Kunz (USA; 6.703 pt)
 

4x100 Meter

Der Weltrekord wackelt

2012 vor den Olympischen Spielen in London waren die US-Sprinterinnen so gut in Form, dass die Verbesserung des Uralt-Weltrekords der DDR wahrscheinlich erschien. Die Prognose sollte eintreffen. Seitdem steht die globale Bestmarke bei 40,82 Sekunden. Eine Bestmarke, die in Tokio wackeln könnte. Denn Jamaika schickt vier Sprinterinnen ins Rennen, die 2021 die Elf-Sekunden-Marke deutlich unterbieten konnten. Angeführt wird das Quartett von der zweimaligen 100-Meter-Olympiasiegerin Shelly-Ann Fraser-Pryce (10,63 sec) und Rio-Doppel-Olympiasiegerin Elaine Thompson-Herah (10,71 sec).

Bei dieser geballten Qualität sind selbst die erfolgsverwöhnten US-Sprinterinnen nur Außenseiterinnen. Gleiches gilt für die Europameisterinnen aus Großbritannien, die schnellen Schweizerinnen und auch das deutsche Quartett. 2016 in Rio lief die deutsche Staffel mit 42,10 Sekunden auf Rang vier. Momentan führen sie mit 42,38 Sekunden die Weltjahresbestenliste an. Das zeigt, welche Leistungsdynamik speziell in Staffeln beim Saisonhöhepunkt entsteht.

Doch im Gegensatz zu vielen anderen Nationalstaffeln hat das deutsche Quartett, angeführt von der auf 11,01 Sekunden verbesserten Deutschen Meisterin Alexandra Burghardt (LG Gendorf Wacker Burghausen), auch 2021 schon einige Testrennen bestritten, konnte so die Wechselabläufe automatisieren. Genau bei den drei Übergaben können jeweils wichtige Hundertstel-, addiert Zehntelsekunden gewonnen werden. Und auch die Konkurrenz muss erst einmal den Staffelstab am 5. August (Vorlauf) und 6. August (Finale) sicher ins Ziel bringen. mbn

Olympiasiegerinnen 2016: USA (41,01 sec)
Weltmeisterinnen 2019: Jamaika (41,44 sec)
Weltjahresbeste 2021: Deutschland (42,38 sec)
 

4x400 Meter Frauen

US-Girls peilen siebtes Staffelgold in Serie an

Staffelrennen zeichnen sich oft vor allem durch eines aus: Erst beim Saisonhöhepunkt werden alle Karten auf den Tisch gelegt. So könnte es auch diesmal ablaufen. Denn die Titelverteidigerinnen und Seriensiegerinnen aus den USA haben in Bestbesetzung noch keinen Wettkampf absolviert. Doch die Auswahl, die Team USA für die 4x400 Meter gemeldet hat, ist hochkarätig: Unter anderem die erfahrene Allyson Felix, die seit 2004 von allen Olympischen Spielen Medaillen mit nach Hause nehmen konnte, und Quanera Hayes, 2017 Staffel-Weltmeisterin, stehen im Aufgebot. Seit 1996 sind die USA über 4x400 Meter bei Olympischen Spielen ungeschlagen; eine Serie, die die Stars von 2021 nur zu gerne fortsetzen wollen.

Konkurrenz könnten sie von europäischen Teams bekommen: Polens Quartett hat mit 3:26,37 Minuten die bislang beste Leistung einer Nationalstaffel 2021 abgeliefert. Die Hallen-Europameisterinnen aus den Niederlanden können mit Shootingstar Femke Bol, der EM-Dritten Lisanne de Witte und Lieke Klaver gleich auf drei starke Athletinnen bauen. Und auch die Kubanerinnen, in Abwesenheit der US-Girls Überraschungssiegerinnen bei den World Relays, sollte man auf der Rechnung haben. Nicht zu vergessen die Bahamas um Shaunae Miller-Uibo.

Mit dem Finaleinzug und anschließenden Rang sechs bei den World Relays hat sich das DLV-Team für Olympia qualifiziert. Ihre Saisonbestleistung (3:29,55 min) hätte bei Großereignissen der jüngeren Vergangenheit nicht für das Finale gereicht. Mit insgesamt acht nominierten Athletinnen für 4x400- und Mixed-Staffel hat das Trainerteam jedoch eine große Auswahl hochmotivierter Langsprinterinnen, die alles geben wollen, um die Finalchance zu ergreifen. svs

Olympiasiegerinnen 2016: USA (3:19,06 min)
Weltmeisterinnen 2019: USA (3:18,92 min)
Weltjahresbeste 2021: Polen (3:26,37 min)
 

4x400 Meter Mixed

Olympia-Premiere mit DLV-Auswahl

Es ist eine Premiere. Nachdem die 4x400-Meter-Mixed-Staffel 2019 bei den Weltmeisterschaften in Doha (Katar) erstmals auf dem Plan stand, wird diese Disziplin in Japan nun olympisch. Auf dem Papier ist die Ausgangslage der DLV-Auswahl eine sehr gute: Kein Team war bislang schneller als die 3:13,57 Minuten, die ein Quartett aus Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz), Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund), Ruth-Sophia Spelmeyer-Preuß (VfL Oldenburg) und Corinna Schwab (LAC Erdgas Chemnitz) Mitte Juni in Regensburg gelaufen ist.

Doch die anderen Teams haben ihre Stärke längst noch nicht ausgespielt – insgesamt fünf Mannschaften, angeführt von den USA mit Weltrekord, liefen im WM-Finale von Doha schneller als das deutsche Quartett in Regensburg. Gut möglich, dass das Niveau in Tokio ähnlich hoch sein wird. Unklar ist jedoch, welche Langsprinterinnen und -sprinter bei den Olympischen Spielen zum Einsatz kommen. Setzen die 15 teilnehmenden Teams auf ihr bestes Personal oder konzentrieren sie sich auf die klassischen 4x400-Meter-Staffeln?

Spannend wird auch die Frage, in welcher Reihenfolge die jeweiligen Quartette ihre Läuferinnen und Läufer ins Rennen schicken. In internationalen Rennen ist die Reihenfolge Mann – Frau – Frau – Mann die übliche; das DLV-Team rannte allerdings mit den Männern zuerst zur Weltjahresbestleistung. Wählen die verschiedenen Teams unterschiedliche Taktiken, treten Männer und Frauen im direkten Duell gegeneinander an. Herauszufinden, welche Taktik zum Erfolg führt, macht den besonderen Reiz dieser Staffel aus. svs

Olympiasiegerinnen 2016: keine
Weltmeisterinnen 2019: USA (3:09,34 min)
Weltjahresbeste 2021: Deutschland (3:13,57 min)

 

Olympische Spiele 2021 kompakt

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