| Porträt

Julian Weber: Mit olympischem Schwung zu neuen Zielen

Julian Weber hat in Tokio den bislang größten Moment seiner sportlichen Karriere erlebt. Mit Platz vier im Speerwurf-Finale der Olympischen Spiele sorgte der 26-Jährige für eine der schönen Überraschungen aus deutscher Sicht in diesem Sommer. Ein Erfolg, der aber nur eine Zwischenetappe auf seiner ohnehin bereits bemerkenswerten sportlichen Reise sein soll.
Alexandra Dersch

Jede Reise hat ihre ganz eigene Geschichte. Die Geschichte von Julian Webers (USC Mainz) Leistungssport-Reise ist eine mit Ups und Downs, an den unterschiedlichsten Standorten. Eine Reise, die den ehemaligen Handballer von Mainz nach Rostock und weiter nach Potsdam führte – immer wieder unterbrochen von diversen Krankenhausaufenthalten und Verletzungssorgen. Ellbogenverletzungen, Bandscheibenvorfall und nach der WM 2019 in Doha (Katar) eine weitere Fuß-Operation. Kurzum: Der Speerwerfer hat eine Reise hinter sich, die wohl für mehrere Sportlerleben reichen würde.

„Ich habe schon einiges durch“, sagt Julian Weber selbst vor ein paar Tagen, als er einen Blick zurück auf Tokio wirft. Das olympische Finale ist inzwischen einige Wochen her und langsam, ganz langsam kommt bei ihm an, was er am Abend des 7. August überhaupt geschafft hat. „Vierter Platz bei den Olympischen Spielen – vor Olympia hätte ich jedem, der das prophezeit hätte, einen Vogel gezeigt.“

Fokus auf das eigene Können

Es war das Finale, auf das gefühlt ganz Sport-Deutschland hingefiebert hatte. Nicht wegen Julian Weber, das weiß der gebürtige Mainzer genau. Sondern wegen Johannes Vetter (LG Offenburg). „Er ist der Beste der Welt“, sagt auch Julian Weber und seine Stimme ist völlig frei von jeglichen neidvollen Untertönen. „Ich kann die Fragen der Journalisten nach ihm absolut nachvollziehen.“

Doch während Johannes Vetter an diesem Abend im Olympiastadion von Tokio am Bodenbelag schier verzweifelte, blieb Julian Weber ganz bei sich. In seiner Mitte. In seinem Fokus. „Ich habe mich vorher schon bewusst abgeschottet.“ Auf 85,30 Meter katapultierte er den Speer bei seinem besten Versuch in den japanischen Abendhimmel. Weiter hatte er in diesem Jahr noch nicht geworfen. Dass schlussendlich nur 14 Zentimeter zur Medaille fehlten – „das ist mir erst später klar geworden“.

Eine Frage der Perspektive

So nah dran am Podium. Ob er nun Platz vier gewonnen oder eine Medaille verloren hat – das ist eine Frage der Perspektive. „Auf der einen Seite war dieser erste Wurf, der auf 85,30 Meter geflogen ist, der wohl beste Versuch meiner bisherigen Karriere und hätte ich ihn besser stehen können, wäre er bestimmt diese 14 Zentimeter weiter geflogen. Auf der anderen Seite hätte ich im Leben nicht damit gerechnet, dass ich bei diesen Spielen überhaupt in die Nähe der Medaillen kommen könnte.“

Denn zur Reisegeschichte von Julian Weber auf seinem Weg nach Tokio gehören eben auch die bereits angerissenen Verletzungsepisoden der Vergangenheit: Ein gebrochener Daumen, eine Meniskusverletzung, Ellbogen-Verletzungen, ein Bandscheibenvorfall und zuletzt drei Operationen an seinem Fuß am linken Stemmbein. In diesem Jahr war er seit einer gefühlten Ewigkeit endlich einmal beschwerdefrei. Und damit in der Lage, konstant gute Leistungen abzuliefern. Wie etwa auch bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig Anfang Juni, bei denen er sich erstmals überhaupt den Titel des Deutschen Meisters sichern konnte.

Auf der Suche nach Impulsen

Menschen, die die Erfolgsreise von Julian Weber aktiv mitgestalteten und prägten gibt es viele. Sportlich sind dies aber vor allem seine drei Trainer. „Sie haben mich zu dem Athleten gemacht, der ich heute bin“, sagt Julian Weber. In Mainz war es bis 2018 Stephan Kallenberg, der aus dem talentierten Handballer einen der besten Speerwerfer Deutschlands formte. In Rostock war es Mark Frank, selbst früher als erfolgreicher Speerwerfer für seine feine Technik bekannt, der Julian Weber seine ganze Erfahrung weitergab. Und jetzt aktuell in Potsdam profitiert er vom Wissen des ehemaligen Weltklasse-Speerwerrfers Burkhard Looks und der gemeinsamen Trainingsgruppe um Bernhard Seifert (SC Potsdam).

„Ich habe diesen Weg bewusst gewählt“, sagt Julian Weber. Von keinem seiner Trainer habe er sich im Streit getrennt. Im Gegenteil: „Ich habe ihnen allen unglaublich viel zu verdanken. Aber ich bin ein Typ, der raus will, der Erfahrungen sammeln will, neue Impulse sucht.“

Schwung holen für neue Ziele

All das sind kleine Mosaikstückchen, die sich in der Summe zu dem Bild eines Athleten zusammensetzen, der Julian Weber heute ist. Geerdet. In sich ruhend. In seiner Mitte. Eben genauso, wie er sich auf der größten Sportbühne der Welt, den Olympischen Spielen, präsentierte.

Und der daher auch genau weiß: Seine Sportreise kommt gerade erst so richtig in Schwung. Denn trotz des erfolgreichen Abschneidens in Tokio: Julian Weber ist Leistungssportler durch und durch und zur Genetik der erfolgreichsten Sportler gehört eben auch oft eine Spur Unzufriedenheit, gespeist aus dem Wissen: Es geht noch besser.

„Ich weiß, da steckt noch mehr in mir“, sagt Julian Weber, der bereits in Rio, bei den Olympischen Spielen 2016, Neunter geworden war. Das zu zeigen, dazu hat er in diesem Jahr noch beim Diamond League-Meeting in Paris (Frankreich; 28. August), beim ISTAF in Berlin (12. September) und im besten Fall dann auch beim Diamond League-Finale in Zürich (Schweiz; 9. September) Gelegenheit. Zwischenstationen auf dem Weg zu den nächsten großen Zielen, die da heißen Eugene (USA; WM) und München (EM). Denn 2022 wird ein Jahr mit zwei großen internationalen Höhepunkten. „Ich bin jetzt schon total motiviert“, sagt Julian Weber. „Platz vier in Tokio hat da noch einmal einen extra Schub gegeben.“ Seine Erfolgsreise nimmt gerade erst so richtig an Fahrt auf. 

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