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Marius Karges und sein „Hammer-Jahr“

Mit insgesamt acht Medaillen traten die DLV-Talente im Sommer die Rückreise von der U20-WM in Kolumbien an – eine davon in Gold. Sie ging auf das Konto von Diskuswerfer Marius Karges. Wir haben den 19-Jährigen getroffen und mit ihm über seine Saison auf der Überholspur gesprochen.
Silke Bernhart

Auf dem Erfolg ausruhen? Danach sieht es nicht aus, wenn man im DLV-Trainingslager in Belek (Türkei) das Pensum von Marius Karges beobachtet. Der Diskuswerfer steckt mitten im Aufbau-Training, und das heißt: Grundlagen, Ausdauer, allgemeine Kraft – und Schuften, Schuften, Schuften: „Da muss man dann auch als Werfer mal eine Stunde Fahrradfahren oder Rudern oder Tempoläufe machen. Das macht natürlich alles eher weniger Spaß. Aber es ist extrem wichtig und gehört dazu.“

Was dem 19-Jährigen dabei Sicherheit gibt: Er weiß, dass dieser Weg ihn stärker macht, denn das hat die zurückliegende Saison gezeigt. Mit einer Bestleistung von 58,95 Metern in das Jahr gestartet, packte Marius Karges unter Anleitung seines Trainers Bastian Otto im Jahr 2022 mit dem 1,75 Kilo schweren U20-Diskus einfach mal satte zehn Meter drauf.

In zwölf von 13 Wettkämpfen warf der Frankfurter weiter als im Jahr zuvor, schraubte im Mai den deutschen U20-Rekord auf 66,97 Meter. Und wäre da nicht sein gleichaltriger Landsmann Mika Sosna (TSG Bergedorf; 71,37 m), dann hätte Marius Karges diesen Rekord mit seinem Wurf auf 69,49 Meter beim SoleCup im Juni in Schönebeck gleich selbst noch einmal pulverisiert. Nur zwei Athleten der U20 waren weltweit je besser.

Enger Fight macht alle besser

Der Diskuswurf der männlichen U20 zählt zu den Aushängeschildern in der deutschen Nachwuchs-Leichtathletik. Steven Richter (LV 90 Erzgebirge) setzte sich mit dem Sieg bei der Junioren-Gala in Mannheim mit einer herausragenden Weite von 67,27 Metern auf Platz drei der Welt – und musste bei der U20-WM in Cali (Kolumbien) dennoch zuschauen. Weil Mika Sosna und Marius Karges bei der entscheidenden WM-Qualifikation, der Jugend-DM in Ulm, noch ein bisschen besser waren.

„Bei den Deutschen Meisterschaften war ich auf jeden Fall aufgeregter als bei der WM“, erinnert sich Marius Karges, „weil die Tickets ja extrem hart umkämpft waren. Und ich wusste: Wenn ich mal einen nicht so guten Tag erwische, dann haben mich die anderen beiden im Sack.“

Die U20-Weltmeisterschaften von Cali sollten wenig später zum i-Tüpfelchen einer phänomenalen Saison werden: Während Mika Sosna, noch gehandicapt von einer Oberschenkel-Verletzung, mit nur einem gültigen Versuch die Silbermedaille errang, gelang Marius Karges der große Wurf: Als er bereits als Sieger feststand, schleuderte er die Scheibe noch einmal auf 65,55 Meter und krönte sich zum U20-Weltmeister. „Das war auf jeden Fall das Highlight der Saison!“

Zwischen Schule und Sportplatz

Zeit zum Abheben – ohnehin nicht die Eigenart von Marius Karges, der eher ein Mann der leisen Töne ist – blieb danach nicht. Denn nach einer kurzen Saisonpause stand schon bald der Einstieg in die Vorbereitung auf die nächste Saison bevor. Und das 13. Schuljahr an der Carl-von-Weinberg-Schule in Frankfurt. Dort wohnt der Diskuswerfer seit Ende 2019 im Internat am Olympiastützpunkt und kann mit einer gestreckten Schullaufbahn sein Abitur nach 14 Jahren absolvieren.

So blieb es nicht aus, dass während des Trainingslagers in Belek auch eine schriftliche Vorabi-Prüfung in seinem Leistungsfach Sport auf dem Programm stand. Inmitten von Ausdauer-Einheiten, Kraft-Zirkeln und dem ein oder anderen Volleyball-Spiel mit den weiteren Werferinnen und Werfern des DLV. Ein Spagat zwischen Schule und Sport, der Marius Karges schon in den zurückliegenden Jahren geglückt ist und der ihn bis ins Frühjahr 2023 begleiten wird. Bevor er sich ganz auf die nächsten großen sportlichen Ziele konzentrieren kann.

Robert Harting als ein großes Vorbild

Das überragende Jahr 2022 hat besonders den drei deutschen U20-Talenten großes Selbstvertrauen verliehen. Und so blickt Marius Karges schon voraus auf den ganz großen Traum eines jeden Sportlers: die Teilnahme an Olympischen Spielen. Schon die Ausgabe 2024 in Paris (Frankreich) könnte in Reichweite rücken: „Das wäre ein extrem hoch gestecktes Ziel, aber es gibt mir persönlich sehr große Motivation. Weil wir wissen, dass es für uns nicht unmöglich wäre.“

Vor Augen hat der U20-Weltmeister dabei besonders den Mann, der 2012 in London für Deutschland Olympia-Gold holte: „Robert Harting ist nicht nur ein Werfer, der extrem erfolgreich war, sondern auch jemand, der im Sport sehr viel bewirkt hat.“ So bezeichnet er den Olympiasieger als eines seiner großen Vorbilder. „Aber auch alle anderen erfolgreichen Leichtathleten, besonders die Werfer, zu denen ich schon aufgeschaut habe, seit ich klein bin. Da habe ich mich immer gefragt, ob ich auch jemals so gut sein werde.“

Wechsel zum Zwei-Kilo-Diskus

Als weitere Etappe steht für Marius Karges jedoch zunächst der Wechsel zum zwei Kilogramm schweren Diskus der Männer im Fokus. „Das nächste Jahr wird definitiv interessant. Denn ich habe mich in diesem Jahr erstmal nur auf den 1,75er konzentriert, nur auf die U20“, erklärt er. Seine gleichaltrigen Kontrahenten Steven Richter (61,13 m) und Mika Sosna (61,94 m) dagegen konnten schon mit dem schweren Gerät erste Ausrufungszeichen setzen. Und an der deutschen Spitze der Männer schleuderten die drei besten DLV-Athleten den Diskus auf Weiten teils deutlich jenseits der 65 Meter.

„Ich würde sagen, dass ich mit dem Zwei-Kilo-Diskus schon ganz gut klarkomme. Ich weiß auf jeden Fall, dass die Kraft da ist, und dass ich technisch ganz gut aufgestellt bin“, blickt Marius Karges voraus. 2023 und sogar noch 2025 ist der Frankfurter auch bei den U23-Europameisterschaften startberechtigt. Und stellt sich dafür wieder auf einen harten Kampf um die internationalen Startplätze ein, zu dem sich im kommenden Jahr auch der 20-jährige Chemnitzer Matteo Maulana gesellen wird. Wie heißt es so schön: Konkurrenz belebt das Geschäft. Auf den Erfolgen ausruhen? Keine Option.

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