Bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden haben elf Athletinnen und Athleten erstmals einen nationalen Einzeltitel in der Aktivenklasse gewonnen. Einige gehören schon länger zur nationalen Spitze, andere feierten in diesem Sommer ihren Durchbruch. Wir stellen die neuen Deutschen Meisterinnen und Meister vor, heute Stabhochspringerin Friedelinde Petershofen (SV Werder Bremen).
Friedelinde Petershofen
SV Werder Bremen
Bestleistung:
Stabhochsprung: 4,55 m (2017)
Erfolge:
Siebte U23-EM 2017
Deutsche Meisterin 2025
Eine Basis im Turnen, noch wenige Trainingsjahre im Stabhochsprung und in Potsdam ein optimales Umfeld, um sportlich durchzustarten. Es war das Jahr 2014, als sich Friedelinde Petershofen nach ihrem Abitur entschied, einer Karriere im Leistungssport eine Chance zu geben.
Keine drei Jahre später sprang die damals 21-Jährige mit einer unerwarteten Steigerung auf 4,55 Meter als DM-Dritte erstmals in die damals breite DLV-Spitze und sicherte sich einen Startplatz bei der WM in London (Großbritannien). Als es gerade richtig losgehen sollte mit dem internationalen Durchbruch, kam ein Wendepunkt. Bei einer Routineübung im Training zog sich die Aufsteigerin eine komplizierte Verletzung zu, die zeitweise sogar Alltagbewegungen unmöglich machte. Diagnose und Behandlung waren schwierig und sind langwierig.
Bis heute ist nur eingeschränktes Training möglich. Mal läuft es ein paar Wochen vielversprechend, dann kommt wieder ein Rückschlag. Die Leidenschaft für den Stabhochsprung ist aber ungebrochen. Der Sport steht noch immer an erster Stelle. In diesem Sommer sprang die mittlerweile 30-Jährige mit 4,35 Metern so hoch wie seit 2018 nicht mehr. Und bei den Deutschen Meisterschaften sicherte sie sich ihren ersten nationalen Titel – auch wenn der ihr wegen der geringen Höhe (4,20 m) fast unangenehm war. Die Athletin des SV Werder Bremen ist überzeugt, noch einmal an ihr früheres Niveau herankommen zu können.
Vom Turnen zum Stabhochsprung
In ihrer Heimat Oldenburg begann die sportliche Laufbahn von Friedelinde Petershofen mit Turnen und Reiten. Die damalige Grundschülerin entschied sich wegen der Kosten des Reitsports schließlich für das Turnen. Leichtathletik spielte lange nur eine Nebenrolle. Im Alter von 12 Jahren wurde die Niedersächsin in ihrer Altersklasse Deutsche Meisterin im Sechskampf, zu dem neben den Turngeräten Boden, Sprung und Stufenbarren auch der 75-Meter-Sprint, Weitsprung und Kugelstoßen gehören. „Darüber bin ich in die Leichtathletik gerutscht, die ich zuerst aber gar nicht trainiert habe. Ich habe nur gelegentlich bei Wettkämpfen mitgemacht.“
Im Trikot des DSC Oldenburg stellte die eigentliche Turnerin ihr vielseitiges Talent unter anderem bei den Deutschen Meisterschaften im Blockmehrkampf Wurf der Altersklasse W14 unter Beweis, in dem sie im Jahr 2009 den Titel gewann. Im Turnen wurde ihre Körpergröße zunehmend zum Nachteil, deshalb rückte die Leichtathletik mehr und mehr in den Mittelpunkt. „Ich habe dann dreimal pro Woche trainiert, Stabhochsprung gehörte auch ab und zu dazu. Ernsthafter damit angefangen habe ich erst im Alter von 17, 18 Jahren.“ Zuerst auf Landesebene und später auch auf Bundesebene wurde die Nachwuchsathletin in den Kader aufgenommen und lernte so auch ihren heutigen Trainer Stefan Ritter kennen.
Erste Erfolge in der Jugend
In der Altersklasse U18 nahm sie erstmals an Deutschen Jugendmeisterschaften teil und belegte mit Bestleistung von 3,65 Metern den achten Platz. In der U20 steigerte sie sich bis auf 3,92 Meter und stand jeweils als Dritte einmal in der Halle und einmal draußen auf dem Podest der Jugend-DM. Diese Leistungen eröffneten die Möglichkeit, nach dem Abitur im Sommer 2014 zum SC Potsdam in die Gruppe von Stefan Ritter zu gehen, um dort das Training mit einem Lehramtsstudium in den Fächern Biologie und Sport zu kombinieren.
„Ich habe mir gesagt: Probiere es einfach. Ich war bewegungsbegabt und hatte es mit relativ wenig Aufwand schon so weit geschafft“, erzählt die Stabhochspringerin. „Der Wechsel hat in Sachen Sport meinen Horizont enorm erweitert. Solche Trainingsmöglichkeiten wie in Potsdam mit all den Hallen, Krafträumen und Schwimmbad kannte ich noch nicht.“
Aufstieg bis zur WM-Teilnahme in London
Das professionellere Umfeld brachte schnell einen Leistungsschub. Die ersten Sprünge über vier Meter, die ersten Teilnahmen bei Deutschen Meisterschaften in der Frauenklasse und 2016 mit der neuen Bestleistung von 4,30 Metern auch den ersten Titel auf nationaler Ebene in der Altersklasse U23. Im Jahr 2017 war das erklärte Ziel die U23-EM in Bydgoszcz (Polen), was mit Rang sieben im Finale auch klappte.
Aber der Sommer hielt noch mehr bereit. Bei den Deutschen Meisterschaften der Frauenklasse in Erfurt meisterte die damals 21-Jährige zuerst 4,45 Meter und dann gleich im ersten Versuch sogar 4,55 Meter. Auf 4,60 Meter verzichtete die damalige U23-Athletin und wurde hinter Lisa Ryzih (ABC Ludwigshafen 4,70 m) und Silke Spiegelburg (TSV Bayer 04 Leverkusen; 4,55 m) Dritte. „Das war sehr überraschend. In den Wettkämpfen vorher bin ich nie auf den nächsthärteren Stab gekommen. In Erfurt hat es geklappt und es hat sich gezeigt, dass es im Stabhochsprung schnell ein deutliches Stück höher gehen kann.“
Gleichzeitig brachte dieser unerwartete Höhenflug das Ticket zur WM in London, wo 4,25 Meter in der Qualifikation nicht für den Einzug ins Finale reichten. „Ich habe den Wettkampf als Erfahrung für die Jahre danach gesehen.“
Ungünstige Landung im Training
Auch die Hallensaison 2018 machte Hoffnung darauf, dass Friedelinde Petershofen in die Fußstapfen einer überaus erfolgreichen DLV-Stabhochsprung-Generation treten könnte. Sie stabilisierte sich im Bereich von 4,40 Metern, schraubte ihre Hallenbestleistung bis auf 4,51 Meter und belegte bei der Hallen-DM erneut den dritten Platz. Dann aber sollte der März 2018 einen Wendepunkt bringen, der bis heute nachwirkt.
Im Turntraining stand ein Doppelsalto auf dem Programm. Mit Landung in einer Schnitzelgrube, die auch wenn etwas schiefgeht, garantieren soll, dass nichts passiert. Ungewollt landete die damals 22-Jährige auf dem Bauch und spürte, dass der Rücken etwas abbekommen hat. „So schlimm hat es sich aber auch nicht angefühlt. Ich habe im Anschluss den Doppelsalto noch einmal sauber in den Stand geturnt.“
Körper aus dem Gleichgewicht
Auch wenn der Rücken Probleme machte, ging Friedelinde Petershofen die Sommersaison an und wurde unter anderem erneut DM-Dritte (4,35 m). Aber es lief nicht rund. Trotz mehrerer MRT-Aufnahmen konnte aber keine Diagnose gestellt werden, es gab keine Erklärung für Schmerzen, die in Wellen kamen und gingen. Entsprechend fehlte auch eine gezielte Behandlung. Erst nach zweieinhalb Monaten wurde festgestellt, dass im Facettengelenk zwischen zwei Wirbeln ein kleines Stück abgebrochen war. Der Körper kam völlig aus dem Gleichgewicht und an Sport war nicht mehr zu denken.
„Ich bin in einen chronischen Schmerz hineingefallen. Teilweise konnte ich nicht schlafen, nicht stehen und nicht einmal eine Hantelstange hochheben. Ich war komplett ausgeschaltet. Von einem Moment auf den anderen ging es nicht mehr um eine Karriere im Leistungssport, sondern um die Frage, ob ich mich im Alltag wieder normal bewegen kann.“ Kein Rehaversuch von Salzburg über München und Kiel bis nach Paderborn schlug an.
Familiäre Unterstützung hilft, nicht aufzugeben
Es begann ein Auf und Ab, das bis heute anhält. „Ich habe täglich mit meinen Eltern telefoniert. Mal war ich verzweifelt, mal hatte ich wieder Hoffnung. Sie haben mich aufgefangen und es war für mich wichtig, darüber zu sprechen, wie es mir geht.“ Eng war auch der Austausch mit Stabhochsprung-Kollegin Ria Möllers (TSV Bayer 04 Leverkusen), die ihre Karriere mittlerweile beendet hat.
Für Friedelinde Petershofen kam das nicht in Frage. „Der Sport stand und steht für mich immer noch an erster Stelle. Da mich kein Studium oder Beruf bislang so erfüllen kann wie diese Sportart, habe ich an dieser Entscheidung auch nie gezweifelt.“ Das Lehramtsstudium ist inzwischen abgeschlossen. Statt eines Referendariats begann die Athletin vor einem Jahr aber ein weiteres Bachelorstudium in BWL, das sie im April schon abschließen möchte. „Meine berufliche Zukunft sehe ich eher in dieser Richtung.“
Der Rücken ist mittlerweile etwas zur Ruhe gekommen, auch wenn das Bruchstück nicht wieder richtig angewachsen ist. Unruhe im Körper ging aber über diese Stelle hinaus, der extrem auf Entzündungen reagierte und noch immer damit beschäftigt ist, mit der neuen Symmetrie klar zu kommen. „Auch wenn es kleine Schritte sind, über die Jahre konnte ich mich immer ein kleines Stück steigern.“
Zurück im Nationaltrikot und auf dem DM-Podest
Im Jahr 2022 lag das Niveau der Wettkämpfe um Höhen von 4,00 Metern, im Jahr 2023 um 4,10 Metern, 2024 um 4,15 Meter. Im vergangenen Sommer konnte die 30-Jährige deutlich mehr Wettkämpfe absolvieren und in Essen wieder 4,35 Meter überspringen.
Das brachte sie zurück ins Nationaltrikot für einen Start bei der Team-EM. Bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig reichten 4,20 Meter, um erstmals ganz oben auf dem Treppchen zu stehen. Auch wenn dieser Titel nicht nur Jubelgefühle auslöste. „Die Höhe für den Sieg war mir unangenehm. Ich bin noch irgendwie im dritten Versuch über die 4,20 Meter und dachte mir dann: So, jetzt fangen wir an, einen vernünftigen Wettkampf zu machen. Dann war es aber doch schon vorbei.“
Belastbarkeit Schlüssel für größere Höhen
Im wieder angelaufenen Training ist einerseits Behutsamkeit wichtig, andererseits das Ziel, noch eine weitere kleine Schippe draufzulegen. „Es ist ein schmaler Grat. Ich muss langsam aufbauen, damit der Körper nicht wieder eskaliert, wenn die Belastung zunimmt.“ Statt immer wieder Pausen einlegen zu müssen, soll das Training so möglichst kontinuierlich hochgefahren werden.
„Ich brauche mindestens eine weitere Einheit pro Woche auf den Beinen. Bisher konnte ich nur einmal springen oder sprinten. Das ist zu wenig. Deshalb fehlt mir Geschwindigkeit.“ Nochmal an ihre Bestleistung herankommen, ist das Ziel. Und bisher noch leise im Hinterkopf sind auch die Olympischen Spiele in Los Angeles (USA). „Ich denke nicht, dass ich noch einmal eine 4,70 Meter oder 4,80 Meter springe. Aber ich bin überzeugt, dass mein Körper wieder besser funktionieren kann und ich noch einmal deutlich höher springen kann als in diesem Jahr.“
Video: 4,20 Meter reichen Friedelinde Petershofen zum Stabhochsprung-Titel
Video-Interview: Friedelinde Petershofen: "Ich habe gar nicht mit dem Titel gerechnet"
Das sagt Bundestrainer Michael Kühnke: |
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Fredi ist immer wieder zurückgeworfen worden, hat es aber auch immer wieder geschafft, sich zurückzukämpfen. Sie ist technisch sehr gut ausgebildet und bringt die nötige Basis für den Stabhochsprung mit. Was ihr fehlt, ist die Physis. Geschwindigkeit, Ausdauer und Kraft sind ausbaufähig. Das liegt daran, dass sie nicht viel trainieren kann. Hier gilt es, die Belastbarkeit zu erhöhen.
Dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt. Fredi und ihr Trainer Stefan Ritter haben mittlerweile viel Erfahrung mit dieser Situation. Wenn es gelingt, die Umfänge zu steigern, sind auch wieder größere Höhen möglich. Bemerkenswert ist die Leidenschaft von Fredi für den Sport. Ihr Herz hängt am Stabhochsprung und dafür ist sie mit dem DM-Titel auch ein Stück weit belohnt worden. Auch wenn die Höhe nicht zufriedenstellend war.