Knapp vier Jahre ist es her, das Speerwerferin Christin Hussong vom Weltverband IAAF zum „Rising Star“ gewählt wurde. Als WM-Sechste ist der Schritt in die Weltklasse 2015 gelungen. Die 21-Jährige kann in Zukunft die Medaillen-Tradition des DLV in ihrer Disziplin fortführen.
Drei Weltmeistertitel und einmal EM-Gold haben die DLV-Speerwerferinnen seit 2009 abgeräumt. Immer stand dabei eine andere Athletin ganz oben: Bei der WM 2009 in Berlin war es die danach abgetretene Steffi Nerius (TSV Bayer Leverkusen), 2010 bei der EM in Barcelona (Spanien) Vereinskollegin Linda Stahl, 2013 gab es WM-Gold für Christina Obergföll (LG Offenburg) und zuletzt in Peking (China) stand mit Katharina Molitor wieder eine Leverkusenerin ganz oben auf dem WM-Podest.
Die Medaillenbilanz des Quartetts ist beeindruckend: Insgesamt 19-mal Edelmetall haben die Athletinnen bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften errungen. In keiner Disziplin war der DLV in den vergangenen Jahren erfolgreicher - besonders wenn man einbezieht, dass nur in der Freiluft-Saison Medaillen verteilt werden und die Halle wegfällt.
Edelmetall in den Nachwuchsklassen ist nicht eingerechnet. Davon hat Christin Hussong (LAZ Zweibrücken) schon drei im Schrank. Gold bei der U23-EM in diesem Jahr, Silber von der U20-EM 2013 und U18-WM-Gold aus dem Jahr 2011.
Geduld gefragt
Der U18-WM-Titel im Jahr 2011 brachte Christin Hussong eine weitere Auszeichnung: Sie wurde vom Weltverband IAAF zum "Rising Star" gewählt, neben 400-Meter-Läufer Kirani James (Grenada), der schon ein Jahr später Olympiasieger wurde. Die DLV-Athletin hatte bei der U18-WM in Lille (Frankreich) mit 59,74 Metern so weit geworfen wie noch keine Athletin bei dieser Meisterschaft zuvor. Mehr als vier Meter packte die junge Athletin bei diesem Großleistung auf ihre vorherige Bestleistung drauf.
"Ich war einfach im Flow", erinnert sich Christin Hussong heute an diesen "perfekten" Wettkampf. Danach wurde sie allerdings ein wenig auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Denn ein solch perfekter Tag lässt sich nicht mal eben wiederholen. "Ich war jung und dachte, es geht einfach so weiter. Aber so war es nicht." Es kam die Erkenntnis, dass große Weiten hart erarbeitet werden müssen. „Man muss sich im Training quälen.“
Diese Herausforderung nahm die Studentin an und wuchs Schritt für Schritt in den Leistungssport hinein. Mit den ersten Würfen über 60 Meter und einem Ausrutscher nach oben (63,34 m) platzte der Knoten im vergangenen Jahr. Nach drei Jahren war nicht nur endlich die Bestleistung der U18-WM ausgelöscht, mit Platz sieben bei der EM gab es sogar die erste Endkampf-Platzierung bei einem internationalen Höhepunkt der "Großen".
Angekommen in der internationalen Spitze
In diesem Jahr ging es wieder einen Schritt nach vorne: In elf Wettkämpfen landete der Speer jenseits der 60-Meter-Marke. Die Ausrutscher nach oben übertrafen die 65 Meter, und das passend beim Sieg bei der U23-EM (65,60 m) und in der WM-Qualifikation (65,92 m). Jeweils deutscher U23-Rekord.
Von solchen Ausrutschern nach oben war das Speerwurf-Jahr der gesamten Weltelite geprägt, in dem sich bei den großen Meetings viele verschiedene Athletinnen in die Siegerlisten eintrugen. Es setzte sich häufig diejenige durch, der ein Ausrutscher nach oben gelang.
Sieg und Niederlage eng beisammen
Ähnlich wie der Saisonverlauf gestaltete sich auch das WM-Finale. Mittendrin das DLV-Speerwurf-Quartett, aus dem ein Trumpf stach: Katharina Molitor krönte ihre bisher beste Saison mit der ersten internationalen Medaille, und dann gleich Gold (67,69 m). Als Vierte erwischte Christina Obergföll (64,61 m) einen guten Wurf, Christin Hussong folge als Sechste (62,98 m). Linda Stahl (TSV Bayer 04 Leverkusen; 59,88 m) musste als Zehnte im Endkampf zuschauen.
Dieses Schicksal ereilte auch Olympiasiegerin Barbora Spotakova (Tschechische Republik; 60,08 m). Beim Diamond League-Finale in Zürich (Schweiz) gelang ihr mit 64,31 Metern wenig später wieder der Ausrutscher zum Gesamtsieg im Diamond Race. So nah lagen Sieg und Niederlage in der Speerwurf-Elite in diesem Sommer zusammen.
Aus dem DLV-Quartett darf nur ein Trio nach Rio
Im Jahr 2016 wird sich nicht erst im Olympia-Finale eine Reihenfolge des DLV-Quartetts ergeben. Als WM-Titelverteidigerin hatte Christina Obergföll für den Luxus gesorgt, dass vier DLV-Athletinnen in Peking antreten durften. Im kommenden Jahr ist nur ein Trio in Rio de Janeiro (Brasilien) startberechtigt - obwohl alle vier Medaillen-Potenzial mitbringen.
Eine Situation, die Christin Hussong annimmt und versucht positiv auszulegen. Was bleibt auch anderes übrig? "Alle Vier haben die gleichen Chancen. Das motiviert, im Winter alles zu geben und zu kämpfen." Ziel der Jüngsten im Bunde ist es, ihr konstantes Niveau noch einmal anzuheben - in den Bereich von 62 Metern. Dazu sollen dann wieder ein, zwei Ausrutscher kommen, die dann ebenfalls etwas weiter fliegen könnten als in diesem Jahr. Das Rezept zur Steigerung: Zubringerwerte verbessern und Technik weiter stabilisieren, gemeinsam mit Trainer, Vater Udo Hussong.
Langfristig steht Christin Hussong bereit, die Medaillensammlung der DLV-Speerwerferinnen zu erweitern. Sie bringt alles mit, sich auch einmal in die Siegerliste großer Meisterschaften einzutragen.