Das Leichtathletik-Jahr 2016 mit dem Höhepunkt der Olympischen Spiele in Rio ist fast Geschichte. Athleten, Trainer und Fans haben Monate mit großen Erfolgen, aber auch Enttäuschungen hinter sich. Neben dem bunten Sportereignis in Brasilien fanden auch die Europameisterschaften in Amsterdam, die U20-WM in Bydgoszcz sowie die U18-EM in Tiflis mit starker DLV-Beteiligung statt. In unseren rückblickenden Disziplin-Analysen nehmen wir das Abschneiden der verschiedenen Disziplingruppen unter die Lupe. Heute: 400 Meter Hürden Männer.
Der Moment des Jahres 2016
DM-Finale in Kassel. Am Start: Der Münchner Tobias Giehl, der sich nach drei Jahren Verletzungspech in der deutschen Spitze zurückgemeldet hat. Felix Franz (LG Neckar-Enz), Sechster der EM von 2014. Georg Fleischhauer (LG Eintracht Frankfurt), mit Bestzeit von 48,72 Sekunden schnellster Deutscher des Jahrtausends. Ein Rennen, das so viel Potenzial offenbart, das schließlich einen spannenden Ausgang bietet, Hoffnung aufkeimen lässt – und dennoch reichlich Frust bereit hält für die Beteiligten. Ein Sinnbild für die gesamte Saison.
Als Sieger geht Felix Franz (50,42 sec) hervor. Er erkämpft sich damit einen EM-Startplatz in Amsterdam (Niederlande), wo er aber seinem Trainingsrückstand nach Verletzung Tribut zollen muss. Knapp geschlagen und enttäuscht: Tobias Giehl (50,47 sec). Seine besten Rennen – dreimal unter seiner alten Bestmarke von 49,75 Sekunden – werden noch folgen. Fürs EM-Finale oder einen Startplatz in Rio reicht das um Haaresbreite dennoch nicht. Georg Fleischhauer? Sucht weiter nach der Form vergangener Jahre. Lachender Dritter: Florian Handt (LV 90 Erzgebirge; 50,94 sec), der 2016 einen großen Schritt nach vorne gemacht hat.
Gar nicht erst am Start waren einstige Leistungsträger. Den jungen Titelverteidiger Jonas Hanßen (SC Myhl LA) plagten Beugerprobleme. EM-Finalist Varg Königsmark (SC Magdeburg) brach die Saison ab. Silvio Schirrmeister (LAC Erdgas Chemnitz) hatte Ende 2015 seine Karriere beendet. So bleibt der größte Erfolg des Jahres einem U18-Athleten vorbehalten: Emil Agyekum (SV Preußen Berlin) holte Bronze bei der U18-EM in Tiflis (Georgien).
Unsere Top Drei
<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail tobias-giehl _blank link zum athletenporträt von tobias>Tobias Giehl
LG Stadtwerke München, 25 Jahre
SB: 49,48 sec | PB: 49,48 sec (2016)
DM: 2. Platz
EM: Halbfinale, 10. Platz | Olympia: –
DLV-Jahresbestenliste 1.
Europäische Bestenliste: 16.
Welt-Jahresbestenliste: 59.
<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail felix-franz _blank link zum athletenporträt von felix>Felix Franz
LG Neckar/Enz, 23 Jahre
SB: 50,42 sec | PB: 48,93 sec (2014)
DM: 1. Platz
EM: Vorlauf | Olympia: –
DLV-Jahresbestenliste: 3.
Europäische Bestenliste: 39.
Welt-Jahresbestenliste: 147.
Florian Handt
LV 90 Erzgebirge, 25 Jahre
SB: 50,49 sec | PB 50,49 sec (2016)
DM: 3. Platz
EM: – | Olympia: –
DLV-Jahresbestenliste 4.
Europäische Bestenliste: 47.
Welt-Jahresbestenliste: 160.
Unser Hoffnungsträger
<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail jonas-hanssen _blank link zum athletenporträt von jonas>Jonas Hanßen
SC Myhl LA, 21 Jahre
SB: 51,17 sec | PB: 49,87 sec (2015)
Die Saison 2016 war für den jungen Deutschen Meister von 2015 zum Abhaken: Von Beugerproblemen gehandicapt musste Jonas Hanßen sein Unternehmen Titelverteidigung in Kassel schon vor dem Finale aufgeben. Aber ihm gehört die Zukunft – ebenso wie Joshua Abuaku (LAV Oberhausen), der nach Silber bei der U20-EM 2015 in seinem ersten Aktivenjahr schon an der 51-Sekunden-Grenze gekratzt hat.
Unser Pechvogel
<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail felix-franz _blank link zum athletenporträt von felix>Felix Franz
LG Neckar/Enz, 23 Jahre
SB: 50,42 sec | PB: 48,93 sec (2014)
Nach einem Jahr voller gesundheitlicher Beschwerden wollte der EM-Sechste von 2014 Felix Franz im Olympia-Jahr wieder angreifen. Alles lief nach Plan – bis er sich in der entscheidenden Phase der Saisonvorbereitung einen Muskelfaserriss in der Wade zuzog. Die Basisarbeit war dahin, in den folgenden Wochen konnte er nur noch Schadensbegrenzung betreiben. DM-Gold: ein Achtungserfolg. Für mehr fehlten die Grundlagen.
Internationale Top-Acht-Platzierungen 2016
Olympische Spiele: keine
EM: keine
U20-WM: keine
U18-EM: 3. Platz Emil Agyekum (SV Preußen Berlin; 51,80 sec), 5. Platz Tom Schröder (SG Osterholzer LA; 52,54 sec)
Das sagt der Bundestrainer
Herr Beck, wie fällt Ihre Bilanz für das Olympia-Jahr 2016 aus?
Volker Beck:
Analysiert man den gesamten Olympiazyklus, lief bis 2014 alles planmäßig. 2015 hatten wir dann viele Verletzungen und Ausfälle zu verkraften, das hat sich leider 2016 fortgesetzt. Felix Franz verletzte sich in einer sensiblen Phase der Saisonvorbereitung, Aufsteiger Jonas Hanßen hatte Beugerprobleme, Varg Königsmark hat die Saison abgebrochen, Georg Fleischhauer stagnierte in seiner Entwicklung.
Einziger Lichtblick war da Tobias Giehl, der nach zwei schwierigen Jahren mit Bestzeit beim Saison-Höhepunkt überzeugt hat und im EM-Halbfinale in der Endabrechnung Platz zehn belegte. Der DOSB hat ihn vorbehaltlich des IAAF-Nachrückverfahrens für die Olympischen Spiele nominiert, dieser Platz ist ihm dann aber leider nicht zugefallen. Insofern fällt die Bilanz ernüchternd aus: Wir haben unsere anvisierten Ziele nicht erreicht.
Erfreulich war der Nachwuchs. Emil Agyekum konnte sich bei der U18-EM deutlich steigern und hat mit 51,80 Bronze geholt, auch Tom Schröder hat es ins Finale geschafft. Allerdings ist hier die Kader-Decke sehr dünn, wir konnten nur drei Athleten in den C-Kader berufen.
Was war für Sie das ganz persönliche Highlight der vergangenen Monate?
Volker Beck:
Das Rennen von Tobias Giehl nach dem EM-Aus im Halbfinale. Drei Tage später in Mönchengladbach noch mal 49,48 Sekunden nachzulegen, wenn nach dem wichtigsten Saison-Rennen eigentlich die Spannung abfällt, das zeugt schon von großem Potenzial, das war sicher ein emotionaler Höhepunkt. Der Sieg im DM-Finale von Felix Franz war gleichermaßen eine starke Energieleistung, leider fehlten ihm die Grundlagen, um daran bei der EM anzuknüpfen.
Mit welchen Aufgaben und Zielen gehen Sie in die WM-Saison 2017?
Volker Beck:
Wir müssen 2017 gemeinsam mit den Heimtrainern und allen Partnern des Kompetenzteams das Gesundheitsmanagement der Athleten optimieren. Einen Bänderriss bei Sprungübungen kann man nicht ausschließen, so etwas kann immer passieren. Andere Verletzungen waren auf Fehler im Trainingssystem zurückzuführen, das müssen wir in Zukunft versuchen auszuschließen. Basierend auf der vertrauensvollen Zusammenarbeit im Team sollte uns das gelingen.
Grundsätzlich gilt es, die jungen Athleten – das Durchschnittsalter im Kader beträgt 23 Jahre, ausgenommen Georg Fleischhauer – zielgerichtet auf die Heim-Europameisterschaften 2018 vorzubereiten. Das wird das nächste große Highlight und da werden wir, das Leistungspotenzial ist nachgewiesen vorhanden, an die Erfolge aus 2014 anschließen. Natürlich ist auch die WM im kommenden Jahr ein wichtiges Zwischenziel auf dem Weg nach Berlin. Gleichermaßen ordnen wir die U23-EM ein.
Statistik – Das sagen die Zahlen
Die zehn Jahresbesten
49,48 sec – Tobias Giehl (LG Stadtwerke München)
50,40 sec – Georg Fleischhauer (LG Eintracht Frankfurt)
50,42 sec – Felix Franz (LG Neckar/Enz)
50,49 sec – Florian Handt (LV 90 Erzgebirge)
50,91 sec – Christian Heimann (LAZ Puma Rhein/Sieg)
51,17 sec – Jonas Hanßen (SC Myhl LA)
51,17 sec – Joshua Abuaku (LAV Oberhausen)
51,72 sec – Quentin Seigel (LG Offenburg)
51,96 sec – Nils Weispfennig (TSV Bayer 04 Leverkusen)
52,00 sec – Max Scheible (TuS Lörrach-Stetten)
Entwicklung des deutschen Spitzenniveaus
Jahr | Athleten > 50,00 sec | Schnitt Top Ten |
---|---|---|
2005 | Christian Duma (49,17) | 50,79 |
2006 | Christian Duma (49,69) | 51,11 |
2007 | keiner | 51,25 |
2008 | keiner | 51,43 |
2009 | Thomas Goller (49,20), Christian Duma (49,95) | 50,58 |
2010 | Georg Fleischhauer (49,85), Silvio Schirrmeister (49,86) | 50,85 |
2011 | Georg Fleischhauer (48,72), David Gollnow (49,56), Varg Königsmark (49,70), Tobias Giehl (49,81) | 50,4 |
2012 | Silvio Schirrmeister (49,21), Georg Fleischhauer (49,37), Varg Königsmark (49,54), David Gollnow (49,69), Tobias Giehl (49,75) | 50,14 |
2013 | Silvio Schirrmeister (49,15), Varg Königsmark (49,62), Georg Fleischhauer (49,73) | 50,30 |
2014 | Felix Franz (48,96 sec), Varg Königsmark (49,12 sec), Silvio Schirrmeister (49,66 sec) | 50,26 |
2015 | Jonas Hanßen (49,87 sec) | 50,87 |
2016 | Tobias Giehl (49,48 sec) | 50,97 |
- Der Zehner-Schnitt ist 2016 so hoch wie seit 2008 nicht mehr und liegt bei fast 51 Sekunden.
- Tobias Giehl hat sich nach drei Jahren ohne 49er-Zeit mit Bestzeit in die deutsche Spitze zurückgekämpft.
- Nach vier starken Jahren in Folge sind die 49er-Zeiten in Deutschland seit 2015 wieder rar gesät, mit jeweils nur einem Athleten, der diese Marke im Jahresverlauf unterbieten konnte.
Entwicklung der Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich
Jahr | Deutschland | Europa | Diff | Welt | Diff |
---|---|---|---|---|---|
2005 | 49,17 (C. Duma) | 48,24 (Iakovakis/GRE) | 0,93 | 47,24 (Clement/USA) | 1,93 |
2006 | 49,69 (C. Duma) | 47,82 (Iakovakis/GRE) | 1,87 | 47,39 (Clement/USA) | 2,30 |
2007 | 50,37 (T. Goller) | 48,12 (Plawgo/POL) | 2,25 | 47,61 (Clement/USA) | 2,76 |
2008 | 50,81 (L. Hense) | 48,52 (Plawgo/POL) | 2,29 | 47,25 (Taylor/USA) | 3,65 |
2009 | 49,20 (T. Goller) | 48,27 (Greene/GBR) | 0,93 | 47,91 (Clement/USA) | 1,29 |
2010 | 49,85 (G. Fleischhauer) | 47,88 (Greene/GBR) | 1,97 | 47,32 (Jackson/USA) | 2,53 |
2011 | 48,72 (G. Fleischhauer) | 48,20 (Greene/GBR) | 0,52 | 47,66 (van Zyl/RSA) | 1,06 |
2012 | 49,21 (S. Schirrmeister | 47,84 (Greene/GBR) | 1,37 | 47,63 (Sanchez/DOM) | 1,58 |
2013 | 49,15 (S. Schirrmeister) | 48,05 (Bekric/SRB) | 1,10 | 47,69 (Gordon/TRI) | 1,46 |
2014 | 48,93 (F. Franz) | 48,47 (Hussein/SUI) | 0,46 | 48,03 (Culson/PUR) | 0,90 |
2015 | 49,87 (J. Hanßen) | 48,05 (Kudryavtsev/RUS) | 1,82 | 47,79 (Bett/KEN) | 2,08 |
2016 | 49,48 (T. Giehl) | 47,92 (Copello/TUR) | 1,56 | 47,73 (Clement/USA) | 1,75 |
- Mit Yasmani Copello hat sich ein Türke mit kubanischen Wurzeln an Europas Spitze gesetzt – nur knapp vor dem starken Iren Thomas Barr (47,97 sec).
- Perfektes Timing von Kerron Clement: Genau sieben Jahre nach seiner letzten internationalen Goldmedaille war der US-Amerikaner im Olympia-Finale topfit, holte sich den Olympia-Sieg und setzte sich ebenfalls erstmals seit 2009 wieder an die Spitze der Welt.
- Die DLV-Athleten konnten international nicht mithalten: Mit seiner Jahres-Bestzeit von 49,48 Sekunden ist der schnellste Deutsche Tobias Giehl im weltweiten Vergleich nur die Nummer 59.
Video-Clips
U23: <link video:14806>Joshua Abuaku mit dem stärksten Endspurt
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U20: <link video:15136>Lucas Mischke landet Außenseiter-Sieg
U18: <link video:15040>Emil Agyekum krönt erfolgreiche Saison
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Die weiteren Disziplin-Checks 2016 im Überblick
<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2016-sprint-maenner _blank>Männer – Sprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2016-sprint-frauen _blank>
Frauen – Sprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-langsprint-maenner _blank>
Männer – Langsprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-langsprint-frauen _blank>
Frauen – Langsprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2016-mittelstrecke-maenner _blank>
Männer – Mittelstrecke
<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-langstrecke-maenner>Frauen – Mittelstrecke
Männer – Langstrecke
<link news:50879>Frauen – Langstrecke
<link news:50853>Männer – Hürdensprint
<link news:51009>Frauen – Hürdensprint